Da ist man gerade mal eine Woche in Urlaub, schon hat sich das Layout des Forums geändert und hier entbrennt eine interessante Diskussion.
Daß die unterschiedliche Benutzung bzw Interpretation von Begriffen immer wieder für Verwirrung sorgen, ist hier im Forum ja nicht neu
Daß die gedriftete Kurve ein fester und berechtigter Bestandteil des Skifahrens auch im Carvingzeitalter ist, scheint niemand zu bezweifeln. Meine Interpretation ist, dass in D eine hohe Steuerungsqualität beim Driften im Lehrplan nun so sehr vernachlässigt wurde, dass man nun zur Rettung eine Art Gegenbewegung versucht und dabei eben auch alten Wein in neuen Schläuchen verkauft. Hoffentlich bleiben die skitechnischen Errungenschaften durch den Carvingski erhalten
Den neuen Lehrplan habe ich zwar noch nicht, hoffe aber inständig darauf, dass Carven als die hohe Kunst der geschnittenen Schwungsteuerung in ein Gesamtbild einer modernen Skitechnik eingefügt wird, das zB eben auch gedrifteten Kurzschwung, Tiefschnee- und Buckelpistenfahren kennt, funktional zwischen den verschiedenen (Unter-)Techniken, ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden differenziert und sich wo möglich die Eigensteuerfähigkeit der Ski zunutze macht. Dabei sollten sich imho die Aktionen auf ein Mindestmaß beschränken.
Zu Aktionen/Funktionen
Aktionen/Funktionen sind im deutschen Lehrwesen alles andere als neu und wurden viele Jahre in der gleichen Form angewendet wie Martina sie für CH beschreibt. Aktion als eine auszuführende Bewegung, Funktion als resultierende (Teil-) Bewegung des Skis (oder auch des Körpers, wenn er durch passive Kräfte gelenkt wird). Aktion: was mache ich? Funktion: Warum mache ich das?
Zum Auslassen/Loslassen:
Imho ist hier einfach das Gegenteil von Aufkanten gemeint (auf einer WB habe ich mal den Begriff „Abkanten“ gehört, hat sich aber wohl nicht durchgesetzt), also die Bewegung, den Ski flacher zu stellen, unabhängig davon, ob man nun ganz flach stellt oder nur den Aufkantwinkel verringert. „Flachgestellt“ würde ich aber auch als völlig plan aufliegend interpretieren.
Flachstellen / Drehen
Daß durch Aufkanten eines taillierten Ski eine Kurve ohne zusätzliche Drehaktion eingeleitet wird, ist ja unstrittig. Allerdings dann eben nur mit dem sich durch Konstruktionsradius plus Durchbiegung ergebenden Radius in Richtung der Kante. Gleichzeitig wird aber der Drehwiderstand (Drehung um die Körperachse) über diesen Radius hinaus mit zunehmendem Aufkantwinkel der Ski erhöht. Den geringsten Drehwiderstand um die eigene Achse hat ein flachgestellter Ski. Von daher ist die Aussage schon richtig, dass ich einen flachgestellten Ski leichter drehen kann. Voraussetzung ist aber eine zusätzliche Aktion, die eine Drehbewegung um die Körperachse einleitet. Beim aufgekanteten Ski muß ich hingegen außer Aufkanten zur Einleitung einer Kurve nichts weiter tun, er fährt ja von selbst den vorgegebenen Radius, aber eben keinen kleineren.
Zur geschlossenen Beinstellung:
Imho das gleiche wie beim Driften: Jahrelang hat man breit = gut gepredigt, und zwar über den funktionalen Sinn der breiten Skistellung hinaus. Über Ästhetik will ich gar nicht reden, hier gehen die Meinungen ja weit auseinander (wobei ich bei vielen Skischülern eine Tendenz zu geschlossen = ästhetisch ausmachen konnte). Allerdings finde ich die Begriffe äußerst unglücklich gewählt, da selbst in einem kompetenten Forum wie hier leicht geschlossen = gepresst gesetzt wird, was imho kaum gemeint sein kann. Martinas Vorschlag "schmale Skiführung" gefällt mir da weitaus besser.
Zu Belasten als zentrales Element:
Wie oben geschrieben, würde ich es begrüßen, wenn sich die Aktionen auf ein Mindestmaß beschränken. Eine zu starke Fokussierung aufs Belasten sehe ich aber auch als kritisch: wenn letztlich alles auf Aktionen zum Belasten reduziert wird, wie werden die verschiedenen Belastungsaktionen differenziert? Nicht, daß man in gutgemeinter Absicht der Vereinfachung zuviel in einen Topf wirft
Insgesamt finde ich es wie andere hier auch methodisch höchst fragwürdig, vom Carven zum Driften zu gehen. [edit: das war wohl die Variante des Skimagazins, jetzt ein extra-thread, anscheinend ist es im Lehrplan doch andersrum?] Auch wenn die Ganzheitsmethode direkt zum Carven in Ausnahmefällen funktionieren mag (wie seinerzeit vom Winkelspringen zum Kurzschwung), die Realität auf den Pisten sieht anders aus. BTW, wie Herbert schreibt, gehört das Erlernen gewisser Drifttechniken bis hin zum Seitrutschen imho auch zur Sicherheitserziehung und damit frühzeitig aufs Lernprogramm.
Mal sehen, ob der neue Lehrplan auch etwas tatsächlich Neues bringt oder „nur“ die Fehler des vorhergehenden korrigiert (womit ja sowohl didaktisch als auch skitechnisch schon mal einiges verbessert würde) und den Ist-Zustand auf den Pisten beschreibt. Es wird spannend...
Grüße,
Hosky