Ich finde dieses Thema wird immer spannender, weil Skifahren schon längst mehr multikulturelle Be(tr)achtung verdient bzw. auch nötig hat, damit sich eine interessante Weiterentwicklung, vor allem des Lehrwesens, ergeben kann. Was mir jedoch auch wichtig erscheint, besonders wenn es darum geht, dass Aspekte anderer Bewegungskulturen akzeptiert werden können, ist eine kritische Hinterfragung und zumindest etwas Transparenz im Basiswissen, das ich zugegebenermassen für Tai Qi nur sehr Laienhaft formulieren kann.
Bei allen taoistischen Bewegungs- und Meditationsformen ist Grundprinzip und Ziel das Erkennen, dass hinter den widerstreitenden Gegensätzen eine harmonische Ganzheit steht, ein ordnendes Prinzip. Es geht, mit den Worten des Taoismus, um die gelebte Balance von Yin und Yang als „äußerstem Prinzip“. Den Begriff Yin/Yang gibt es nicht nur im Tai Qi sondern auch in allen anderen Sparten die aus dem Taoismus und Buddhismus entspringen, wie TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) oder Qi Gong und Hatha Yoga die mehr mit der meditativen und imaginierenden Seite zu tun haben und auch aggressiveren Kampfkünsten wie Karate, bei allen geht es letztlich um die harmonische Einpassung von Yin und Yang in den Ablauf der Geschehnisse.
Gegen dieses Grundprinzip wird keine westliche Skilehre Einspruch erheben können – Be- und Entlasten, Ein- und Ausatmen, Muskelkontraktion und Entspannung entsprechen ja dem Yin und Yang auch wenn es hier im Westen anders benannt ist.
Schwierig wird die ganze Sache, wenn ein Tai Qi Laie plötzlich mit sehr komplexen Details dieser Bewegungskunst und noch dazu auf Skis konfrontiert wird. Denn im Tai Qi geht man davon aus, dass man zunächst die Basisübungen begreifen bzw. verinnerlichen muss. Es geht nicht um die Bewegungen selbst sondern um die „inneren Energien“ die sie hervorrufen bzw. begreifbar machen. Man kann nicht nach den höheren und höchsten Energien schielen, wenn die Grundlagen nicht klar sind. Und ebenso geht’s wohl auch im Skifahren, wenn jemand beispielsweise Schwierigkeiten beim Bremsen hat, wird er nicht Fahren lernen, wenn jemand nicht in der Lage ist seine Ski auf der Kante zu führen wird er kein Worldcuprennen gewinnen. Ich bezweifle nicht, dass taoistische Bewegungskunst helfen kann bspw. Bremsen und Aufkanten schneller oder besser zu Erlernen. Allerdings bezweifle ich wirklich, dass man einen doppelten Quereinstieg auf sehr hohem Level machen kann.
Zum Beispiel:
In keinem der von Euch gefundenen Beiträge zum Tai Qi Skiing sind Übungen beschrieben, die sich mit den Basis Atemübungen am Anfängerhang auseinandersetzen. Ich weiß aber aus Erfahrung, dass man gezieltes Atmen bspw. im Qi Gong aber auch für den Rennlauf sehr bewusst lernen muss und bestimmt nicht unter Rennbedingungen damit Anfangen kann, sondern am Besten irgendwo bequem und entspannt am Rücken liegend, danach im Stehen, Gehen, Freifahren usw. Das Schwierige am Atmen beim Skifahren liegt nicht im Atmen selbst, sondern am Verinnerlichen eines Atemrhythmus, der sich automatisch dem Bewegungsrhythmus anpasst und diesen auch beeinflusst. Besonders komplex wird’s für Allrounder, denn die Atmung sieht im Slalom ganz anders als im Abfahrtslauf aus.
Richtig Atmen beim Skifahren passiert bei vielen Menschen ganz von selbst, wenn man jedoch mit dem Bewusstmachen der Atmung beginnt, kann das auch zu Störungen führen. Und ich kann mir vorstellen, dass dies auf alles andere genauso zutrifft.
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man, wenn man unübliche Ansätze in eine Methode einfließen lässt, sehr selbstkritisch sein muss. Ich würde mir, obwohl ich seit vielen Jahren an Feldenkraiskursen teilnehme und denke, dass ich die Grundlagen begriffen habe, nie anmaßen „Feldenkrais Ski“ Workshops anzubieten, erstens habe ich keine Ausbildung und zweitens würde ich von Kunden möglicherweise missverstanden. Moshe Feldenkrais konnte nicht Skifahren, der grossteil der Übungen wird am Boden liegend oder sitzend gemacht und ich kann höchstens etwas von seinem Gedankengut (bspw. den Bewegungsabläuf auf
parasitäre Bewegungen zu hinterfragen) das ich in der Praxis als gut machbar erfahren habe in meinen Skiunterricht einfließen lassen. Dazu hole ich mir allerdings Feedback von einem sehr erfahrenen Feldenkraislehrer, der selbst auch gerne und gut skifahren kann.
Für die meisten von uns tut sich beim Angebot von Seminaren und Methoden zum Entdecken von neuen Perspektiven fürs Leben wohl immer wieder die Frage nach Scharlatanerie auf. Der Dschungel der Angebote ist kaum zu durchblicken. Beim Skifahren tu ich mich schon etwas leichter - ich bin immer dort skeptisch wo neue Namen für Lehrmethoden erfunden werden - Tai Qi skiing, Ski Gong und auch MSRT und PMTS - Kurzschwingen als Wedeln und ein scharfer Lean als Bodycarven patentiert werden. Wenn's einer ehrlich meint und kann, dann ist er seit Anbeginn des Skiunterrichtswesens schlicht und einfach mit der Bezeichnung Skifahren oder -laufen ausgekommen. Meine ich...
