saschad74 hat geschrieben:Sachverständige können auch nicht jeden Sachverhalt korrekt beurteilen, und zwar bei so "kleinen" Prozessen noch viel weniger als bei großen Prozessen, die wirklich im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Und selbst bei denen sieht man immer wieder abenteuerliche Beurteilungen von angeblichen Sachverständigen.
Ein OLG ist keinesfalls "klein", über einem OLG gibt es nur noch den BGH - man sollte Medienberichterstattung und juristische Bedeutung nicht verwechseln. Zur Beurteilung der Unfallfolgen kann man - auch ohne sich Sachverständiger zu schimpfen - folgenden Gedankengang nachvollziehen: wie oben schon zitiert, soll ein Ski-Helm laut der EU-Norm bis zu einer Geschwindigkeit von 22 km/h wirksam vor Kopfverletzungen schützen. Diese Geschwindigkeit wird bei
einem Sturz aus knapp 2m Höhe erreicht. Wenn ein Skifahrer bis 2m Körpergröße von einem anderen angefahren wird, umkippt und auf den Kopf fällt, ist das also genau diese Situation. Die Schlussfolgerung, dass ohne Helm erlittene Kopfverletzungen beim simplen Hinfallen (wie es bei dem Zusammenstoß, der Anlass des Urteils war, offensichtlich der Fall war) mit einem normgerechten Helm vermeidbar gewesen wären, ist also so naheliegend, dass man eher das Gegenteil beweisen müsste.
Hier noch Lesenswertes zur Prüfnorm EN/CEN 1077:
"The specified single drop height is 1.5 meters, and to pass the test, on impact, peak acceleration imparted to the headform cannot exceed 250 Gs. ... Under CE 1077 a penetration test is also called for. This is a "drop-hammer" type test where the helmet and headform is allowed to drop onto a conical metal punch from a height of .75 meters. (750mm). The helmet fails the test if the punch makes contact with the headform."
Also Kopf aus 1,5m Höhe auf eine ebene harte Fläche fallen lassen und aus 75cm Höhe auf einen spitzen Metallkegel - dann hast du einen normgerechten Vergleich
saschad74 hat geschrieben:wo genau finde ich Zahlen zur Helmtragequote in diesem Zeitraum von Skifahrern und Snowboardern, aufgebrochen nach Geschlecht?
Habe ich leider auch vergeblich gesucht
saschad74 hat geschrieben:wenn ich beispielsweise diese Tabelle anschaue:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/article ... able/tbl2/
dann sehe ich dort rund 75% Anteil von helmlosen bei Kopfverletzungen bei einer Helmtragequote von 28%. Wenn wir also hypothetisch annehmen, Helme hätten wirklich absolut keinerlei Effekt, dürften wir 72% Anteil von helmlosen erwarten. Die immer wieder erwähnten 30% Reduktion von Kopfverletzungen sehe ich da nicht. Kannst Du mir auf die Sprünge helfen?
Da geht es in die Abgründe der Statistik

... ganz grob: es wurde geschaut, wie das Verhältnis von Kopfverletzungen zu anderen Verletzungen bei den Unfallmeldungen der Skigebiete war, unterschieden nach Helmträgen und Nichthelmträgern.
Angenommen, die Fallzahlen aus der Tabelle würden sich
nur auf ein Skigebiet beziehen und die Unfallmeldungen wären vollständig, dann sähe der Vergleich so aus:
Nichthelmträger: Kopfverletzungen 518 von 2971 (518+87+2366) -> 17,4% "Chance" auf eine Kopfverletzung bei einem Unfall
Helmträger: Kopfverletzungen 175 von 1148 (175+44+929) -> 15,2% "Chance" auf eine Kopfverletzung bei einem Unfall
Die Chance ("Odds ratio", oft als "OR" abgekürzt) auf eine Kopfverletzung läge in diesem Fall also etwa um 13% niedriger als bei den Nichthelmträgern.
Da 20 Skigebiete betrachtet wurden und die Befragungs- und Erfassungsquoten wohl unterschiedlich waren, gab es unterschiedliche statistische Korrekturrechnungen, die in Tabelle 3 erläutert werden.
saschad74 hat geschrieben:Interessant auch der Satz "What is already known on this topic: Helmets protect bicyclists against head injuries" - ohne irgendeinen Beleg
Also im
Vollext des BMJ ist als Quelle
Helmets for preventing head and facial injuries in bicyclists von
Thompson/Rivara/Thompson angegeben.
Ich halte es - trotz des Alters der australischen Untersuchung - schon für möglich, dass ein fahrradhelmähnlicher Kopfschutz eine ebenso günstige wie wirksame Maßnahme zur Reduzierung von Kopfverletzungen bei Autoinsassen ist und wegen der um ein vielfaches größeren Zahl der Autofahrer der volkswirtschaftliche Nutzen einer
befolgten Autofahrer-Helmpflicht größer wäre als der einer Skihelmpflicht. Allerdings gibt es - anders als beim Ski- und Fahrradhelm - noch keine Schutzanforderungen, Prüfverfahren und Normen. Und selbst wenn es sie gäbe, käme als nächstes die Frage nach der Akzeptanz eines "Indoor-Helmes" (wie viele Autofahrer telefonieren z.B. trotz eindeutigen Verbot mit dem Handy am Ohr?). In der australischen Studie von 1997 wurde ja vor allem eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht, die für den Helm ausging - als Beifahrer-Airbags gerade ihre Verbreitung in Mittelklasseautos fanden, Seitenairbags nur in der Oberklasse existierten und der Kopfairbag nur für ein Modell verfügbar war. Heute, da diese Schutzsysteme selbst bei Kleinwagen für unter 11.000 Euro Listenneupreis zur Serienausstattung gehören, sieht die Rechnung vermutlich anders aus. Und ich bin überzeugt, dass ein Autokäufer lieber 500 Euro für eine Ausstattung mit Kopfairbag ausgibt als 50 Euro für einen im Auto zu tragenden Helm (und auch das Recht hat, diese Entscheidung so zu treffen). Diese Wahl hat der Skifahrer aber nicht - er kann sich nur zwischen Kopfschutz oder keinem Kopfschutz entscheiden ... :-/