Hmmm.....
Da ich mich beruflich mit Stürzen (u.a. auch beim Skifahren) und ihren Folgen beschäftigen "darf", ein paar Worte von mir:
Prinzipiell muss man unterscheiden, wie man stürzt. Dabei gibt es einen Hauptunterschied: Die Geschwindigkeit. Abhängig ob man bei langsamer Fahrt, im stehen oder bei hoher Geschwindigkeit stürzt, sind die angehängten Verletzungsmuster.
Fangen wir langsam an:
Stürze im stehen:
Wer kennt das nicht, das kurze Ausrutschen am Lift, man wartet auf die langsameren Mitfahrer und plumps, schon liegt man.
Solche Stürze gehen meist seitlich mit Tendenz nach vorne oder direkt "auf den Allerwertesten". Die wichtigste Frage dich ich bei solchen Stürzen immer stelle (und anhand der du eigentlich ohne weitere Untersuchung dann bereits eine Trefferwahrscheinlichkeit von 60% bei deinen Diagnosen habe), ist, ob beide Ski mitgekippt sind oder nicht. Kippen die Skier mit, sind die Bäner der Beine kaum belastet, in solchen Fällen stehen meist knöcherne Verletzungen/Prellungen im Vordergrund, weil man sich mit dem Handgelenk abstützt oder auf den Oberschenkelhals fällt. Gerade letzteres habe ich diesen Winter leider bereits mehrmals versorgen dürfen, "Leute in den besten Jahren", die seitlich weggekippt sind und aufgrund der im Vergleich zu den jüngeren geringeren Muskelunterstützung brach der Oberschenkelhals oder der Gelenkkopf.
Im Gegensatz dazu die Fälle, in denen der Ski nicht mitkippt, sei es, weil er sich am anderen Ski verhakt, weil der dumme Hinterman drauf steht oder sonst irgendwas. Hier baut man sich v.a. Gelenkschäden, beliebt ist wie gesagt der Miniskus und das Kreuzband, hin und wieder auch Frakturen der Kniescheibe. Diese Verletzungen entstehen wenn durch die nicht erfolgte oder verzögerte Bindungsauslösung (Selbst die am besten eingestellte Bindung braucht bis der entsprechende Z-Wert erreicht ist) zwischen zwei Gelenkteilen (im Falle Knie: Unterschenkel& Oberschenkel) eine ungleiche/verdrehte Falllinie herrscht.
Was kann man dagegen machen?
- Sicher stehen
- Leicht breitbeinig stehen (verhindert das verkanten des Skies am eigenen Ski)
- So stehen, dass keiner auf den eigenen Ski läuft/ einen umstößt
- Muskelaufbau und Knochenkontrolle (siehe dort)
Stürze bei geringer Geschwindigkeit:
Die Bänderkiller. Das Hauptproblem hier liegt weniger in den großen Kräften als in deren Auslenkung. Bei geringen Geschwindigkeiten steht man meist nicht auf der vergleichsweise "stabilen" Kante sondern auf der Lauffläche (zumindestens meine Patienten tun das... *G*

), diese bietet aber nur geringe seitenstabilität außerhalb der Stabilisierung durch die Beinmuskeln... Selbige sind aber bei solchen Situationen meist recht entspannt. Verreißt es mir z.B. jetzt den Ski, weil ich einen Hügel übersehen habe, einen Eisbrocken gerammt habe, usw. kann dieser schnell eine komplett andere Drehrichtung bekommen, während ja meist der andere normal weiter läuft. Dadurch kommt es dann zum Fall mit recht großen Gelenkbelastungen, wiedderrum sind durch die ja mittlerweile hohen und steifen Schuhe die Knie der Hauptangriffspunkt. Zusätzlich kann es durch die leicht erhöhte Sturzenergie durchaus auch bereits zu ersten kollateralverletzungen Oberhalb der Gürtellinie kommen, v.a. die Gelenke Handgelenk, Schulter& Ellenbogen haben hier u. Umständen recht große Kräfte aufzunehmen.
Was kann man dagegen tun?
- Auch auf "anspruchslosen" Abfahrten immer eine gewisse Muskelrestspannung erhalten
- Aufmerksam Ski fahren.
- Stöcke verwenden (gerade bei solchen Stürzen kann man viel mit dem Stock ausgleichen... Auch wenn das einige hier gar net hören wollen*G*)
- Solche Wege nicht mit zu enger Beinstellung fahren
Hochgeschwindigkeitsstürze
Logischer Weise die gefährlichste Art zu stürzen. Selbst ein durchschnittlich begabter Skifahrer bringt ohne Probleme 50km/h auf die Piste. Selbige ist wenn ihr Pech habt aber unter den 5mm Abriebschnee hart wie Beton. Wer will kann sich ja mal Autos raussuchen, die mit 50km/h auf Beton getroffen sind. Von den sportlicheren oder gar Vereinskifahrern gar net zu reden. Ich hab in meiner Vereinszeit durchaus auch mal Geschwindigkeiten im dreistelligen Bereich gehabt, Nicola und andere garantiert noch mehr.
Wie passiert ein solcher Sturz? Vielfältigste Sachen fallen mir ein, man verreißt einen Sprung, kippt über die Innenkannte, ein Ski "bleibt hängen", usw.
Was sind die Hauptgefahren?
Im ersten Moment sind sämtliche Bänder erstmal egal. Zuerst gilt es zu überleben (ist genauso hart gemeint wie gesagt: ich habe bereits tote nach Tempo 40 Stürzen gehabt).
Was brauche ich dafür: Es gilt den Körperstamm und den Kopf zu schützen. Verletzungen hier haben das höchste Risiko. Als nächstes gilt es, die Kanten, die bei diesem Tempo zu unkontrollieren Rasiermessern werden, möglichst von mir weg zu bringen. (Nur mal so: eine gute Freundin hat sich mit einem handelsüblichen Slalomski trotz Sicherheitskleidung beide Oberschenkel bis auf den Knochen zerschnitten..das anbei..) Danach kommt der Schutz der Gelenke und alles sonstige.
Wie mache ich das?
Bei einem Teil der Stürze hat man durchaus noch entsprechende "Flugzeit" oder man realisiert 0,5-sec vorher, dass es gleich kracht. Wer hier schnell handelt kann sich besser schützen.. Natürlich ist das nicht immer möglich, aber es geht oft.
1. Kopf schützen: Zum Thema Helm oder nicht sage ich nix, aber für alle "Verweigerer": Wenn noch möglich mit den Armen den kopf irgendwie schützen.
Für die Helmträger: Kopf obenhalten (hier habe ich jetzt eine andere Meinung als die Lehrbücher), dafür auf den Rücken drehen. Auf dem Bauch liegenden den Kopf oben halten geht meiner Meinung nach kaum, und wenn dann ist der noch empfindlichere Hals ungeschützt. Lieber eine Wirbelkörperfraktur als ein Trachealtrauma. Außerdem: NIEMALS kopf zuerst runter fallen/rutschen, dass gilt es um gotteswillen zu vermeiden, egal wie. Gute Erfahrungen hierbei habe ich mit dem kurzen Einsatz der Ellenbogen als "Steuerung" gemacht, aber das ist geschmackssache, hauptsache irgendwie.
2a. Brustkorb schützen: Im Brustkorb liegen die wichtigen Organe Herz und Lunge. Eine vergleichsweise harmlose Rippenfraktur kann bei einer Verletzung des Rippenfellspaltes/Pleura schnell zu einem lebensbedrohlichen (Spannungs)Pneumothorax werden. Und entsprechende Hilfe ist auf dem Berg selbst wenn der Hubschrauber fliegen kann meist zu langsam.
2b Bauch/Becken schützen:
Hier gilt v.a. die Vorderseite zu schützen (was wieder gegen die "auf dem Bauch liegen Theorie spricht).Im Bauchraum liegen genug Sachen,die man eher net missen möchte.
2c Wirbelsäule schützen:
Natürlich hilft dir hier ein Protektor enorm. Generell mal was: Rucksäcke könne u. Umständen schnell zur Todefalle werden, z.B. wenn sie zu voll gepackt sind (erhöht das Risiko von HWS& Beckenfrakturen durch eine Hebelbildung) oder wenn einzelne Teile (gerade mit einem Karabinerhaken erlebt=>Wirbelkörperfraktur) nicht plan zum Rücken liegen und man drauf fällt.
Zu 2: Aber wie:
bei Stürzen auf normalen Pisten gilt es, möglichst viel Fläche synchron auf die Piste zu kriegen. Der Aufpralldruck bleibt immer gleich, aber bereits der Unterschied ob ich 1cm² Fläche oder 10cm² gleichzeitig zum Einschlag bringe, ist ein riesenunterschied. Dementsprechend ist ein synchroner Aufprall des geraden Rückens durchaus eine gute Sache (auch wenn es weh tut*G*), solange die Piste gerade ist. Dadurch kriegst du sehr viel Fläche die ein recht geringes Risiko birgt. Wenn man seitlich fällt, ist das abrollen über die Schulter keine schlechte Idee. Anders sieht die Sache aus, wenn du in Buckelpiste/steinigem Gelände/in "welligem" Gebiet fällst (wobei ich hier frage: WARUM WARST DU DANN SO SCHNELL?). Hier hat man kaum eine Chance gerade zu fallen. Hier würde ich "weniger wichtige" Teile "opfern", sprich versuchen irgendwie mit den Beinen/Armen Sturzenergie vor dem "Stammaufprall" abzumindern.
3. Kanten wegbringen:
owh, ein Streitthema schlechthin. Generell sind die Kanten heute so scharf, dass sie ohne Probleme durch Hose, Muskeln, usw. gehen, wie bereits geschrieben hat sich eine gute Freundin von mir beide Beine bis auf den Knochen durchschnitten. Selbst mit entsprechenden Protektoren kann das passieren. Es gibt zwei primäre Möglichkeiten, wie man das macht. Entweder man trainiert es, wie man bewusst beim Sturz RECHTZEITIG aus den skiern aussteigt (wer das beobachtet: die meisten Racer machen das so) oder man muss schauen, dass die Skier dran bleiben und kontrolliert bleiben. Nichts ist schlimmer als eine Bindung die bei einem Sturz in Körpernähe auslöst.
Ich persönliche versuche zwar immer rechtzeitig auszusteigen (entsprechende Techniken kann Nicola sicher besser erklären), sollte dies (was meisten so ist) nicht klappen, hat es sich bei mir bewährt während des abrollens über den Rücken/Schulter die Skier irgendwie möglichst über den Körper zu kriegen..das ist im allgemeinen weit genug weg. (wie man damit bremst, siehe dort). Hauptsache der Ski ist nicht unkontrolliert in der Nähe des Körpers.
4. sonstiges Schützen: Wie bereits oben erwähnt macht es sinn eine möglichst große Fläche aufzubringen. Generell empfehle ich hier immer, die Arme möglichst am Körper zu halten (verhindert Schulterauskugeln) und mit den Beinen bist du im Regelfall genug beschäftigt, wenn irgendmöglich muss halt wie oben auf entsprechende "gerade" falllinie geachtet werden.
Bremsen
Nur ein paar persönliche, nicht fachbezogene Worte zu meiner Methode:
Auf dem rücken, ellenbogen leicht abgepreizt, Hände parallel zur Fallinie, Skier loswerden, indem man ein Bein (die ja hochgespreizt sind, siehe oben), nach außen runter nimmt und dort aussteigt, gleichzeitig den Ski mit der Hand von sich wegstoßen. Wenn Beide Skier weg sind das linke Bein (ist mein schwaches Knie) angewinkelt und mit der Skischuhkante bremsen, das andere leicht abgespreizt und mehr oder minder gerade... Funktioniert eigentlich recht gut...
Muskelaufbau:
Wie bereist erwähnt ist eine der wichtigsten Komponenten beim richtigen Stürzen bereits die Vorbeugung. Es gibt bestimmte Muskelgruppe die dermaßen entscheidend für entsprechende Verletzungsmuster sind, dass man es kaum wahrhaben möchte.
Dazu gehören:
-Kniemuskulatur allgemein. Um so stärker sie ist, umso geringer ist das entsprechende Verletzungsrisiko
-Hüftmuskulatur/Becken(boden)muskulatur: Hilft nicht nur gegen weibliche inkontinenz

sondern auch gegen Hüftluxaktionen und Oberschenkelhalsfrakturen.
- Schultergürtelmuskulatur: Hilft wesentlich gegen Schulterluxaktionen
- Nackenmuskulatur: Gerade das Risiko von schlechten/schweren Helmen wird oft unterschätzt. Ein schlecht sitzender oder schwerer Helm erfordert von den Nackenmuskeln enorme Anstrenungen um verrenkungen der Wirbelkörper zu verhindern. Gerade diese Muskeln sind aber recht gerne kaum trainiert.
Soviel dazu von mir...
Grüße,
Philipp