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von NeusserGletscher » 26.12.2021 12:24
Ich habe bei vergleichbarer Größe und Gewicht Jahre nach der perfekten Lösung gesucht. Rückwirkend betrachtet hatte ich die meisten Probleme mit ungeeigneten Sohlen, daraus resultierend zu großen Schalen und zu dicken Linern. Nach wenigen Abfahrten musste ich daher enger schnallen, was aber sich bis in den Vorfußbereich auswirkt und dann einen Druck auf die Zehen-Grundgelenke bewirkte. Außerdem bin ich durch den schlechten Sitz regelmässig mit den großen Zehen vorne angestoßen und hatte dementsprechende Probleme. Aus meiner Sicht kann ich Dir daher folgende Empfehlung geben:
- fang erst mal mit einer gescheiten Sohle an. Sofern keine korrekturbedürftige Fehlstellung vorliegt, reicht eine durch Kork unterfütterte thermisch verformbare Sohle. Meine ersten Erfahrungen hatte ich mit Superfeet Custom Kork, diese Sohle wir leider nicht mehr produziert und der Nachfolger taugt meiner Meinung nach nicht (leider hohl, kein Zehenabdruck). Meine jetzige Sohle wurde mit Kork mit einer 55er Shore Härte unterfüttert. Die Sohle ist bis zu den zehenballen massiv, lediglich das Fußgewölbe wurde sie leicht ausgeschliffen, um ein wenig Flexibilität herzustellen. Dabei wurde die Ferse soweit angehoben und das Canting eingestellt, so dass der Fuß optimalen Kontakt zum Schuh hat. Außerdem lasse ich meine Sohlen grundsätzlich mit einem ausgeprägten Fußgewölbe fertigen. Der Spann wird so ein wenig angehoben und der Fuß insgesamt "kürzer". Durch den massiven Aufbau der Sohle gibt der Fuß über den Skitag nicht nach. Das ist bei Deinem Gewicht sehr wichtig. Als Richtwert kannst Du so 150 - 200 Euro für ein Paar Sohlen ansetzen. Geld, was gut investiert ist. Die Sohlen sind fürs Skifahren wie ein Fundament für ein Gebäude. Taugt das Fundament nicht, kannst Du den Rest auch vergessen.
- durch diese Sohle kann ich die Schale volle 2 Nummern kleiner fahren. Außerdem hat mein Schuh einen extrem dünnen (Race-) Liner. Die Anpassung wird hier rein über die Schale vorgenommen. Bei Deiner Größe und Deinem Gewicht kannst Du eine Anpassung über den Innenschuh vergessen. Selbst die meisten Schäumer geben nach wenigen Skitagen nach. Am langlebigsten ist hier noch Strolz. Strolz war lange Zeit für mich die erste Wahl, bis ich gemerkt habe, dass sie zwischen Fuß und Ski für meinen Anwendungsfall einfach viel zu viel komprimierbares Material reinpacken.
- Sobald die Sohle vom Konzept her steht, suchst Du Dir mit der Sohle die passende Schale. Für den Liner solltest Du in der Länge nicht wesentlich mehr als einen Zentimeter zugeben. Du kannst, wenn Du ohne Liner mit Sohle in die Schale steigst, durch hin und herrutschen selber prüfen, wie viel Platz da bleibt.
- Wenn Du die passende Schale gefunden hast, erfolgt die Anpassung durch Dehnen oder Fräsen. Am Innenschuh selbst wird nichts gemacht. Der bleibt so dünn wie er ist. Es gibt mittlerweile auch vereinzelt Innenschuhe von Herstellern, die auch hier mit Kork arbeiten. Kork ist insgesamt langzeitstabiler und gibt über den Skitag nicht nach. Aber damit habe ich bei Linern noch keine Erfahrung.
Und obwohl sich jetzt die Kombi aus harter Sohle, Semi-Rennschale und Liner extrem unbequem anhört, ist dies nach zahlreichen Vorgängern der bequemste Schuh, den ich je hatte. Ich kann den Schuh morgens auch komplett mit offenen Schnallen fahren, weil ich auch so genügend Halt habe. Über den Tag muss ich nur wenig enger Schnallen, wodurch sich die Passform kaum verändert.
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.