Ski Magazin / Deutschland und der Driftschwung (?????)

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Beitrag von Martina » 04.10.2006 08:38

ivan hat geschrieben:vor 10 jahren ging es darum, leute von den gepressten beinen weg zu bringen, damit sie „offen“ fahren lernen. deshalb betonung von breiter spur, breiter, breiter...

(...)

ich habe den verdacht, dass die teilweise zweckdienliche und teilweise aufgezwungene wedeln-ästhetik mit zusammengespressten beinen die natürlichkeit der skistellung/spurbreite vernichtet hat. nach äusserst erfolgreicher gehirnwäsche hat sie das idealbild eingeprägt, das die schmalspurige ära brachte, deren folgen immer noch zu bekämpfen sind. das aktuelle „schmal ist wieder schick“ (wenn überhaupt existierend) mag eine etappe sein auf dem weg zum „wieder normal“.
:zs:
Um etwas zu ändern, muss man immer erst "extrem" werden, eine extreme Position vertreten.

Ivan, ich habe dir nicht zufällig schon mal gesagt, dass ich deine Beiträge liebe??

Benutzeravatar
Herbert Züst
Beiträge: 1784
Registriert: 16.12.2005 14:56
Vorname: Herbert
Ski: Edelwiser Swing, Stöckli Laser CX KesslerPhantom
Ski-Level: 95
Skitage pro Saison: 45
Wohnort: Schweiz

Beitrag von Herbert Züst » 04.10.2006 08:40

Den ersten, letzten und einzigen Lehrplan habe ich vor ca. 30 Jahren bei meiner SJ Prüfung gelesen. Auch musste ich damals an der Prüfung diesen sturen Stil noch haargenau vorfahren. Ist mir damals total verkrampft irgendwie gelungen, bin danach aber sofort wieder meine selbst aufgebaute, absolut keinem Lehrplan entsprechende Technik gefahren, zum Glück war die immer so gut, dass niemand es wagte daran herumzunörgeln.
NB. Bezüglich Beinstellung: Schon in diesem Lehrgang, stand etwas von Breitschwung als Übergang vom Stemm- zum Parallelschwung.

Gruss Herbert
Zuletzt geändert von Herbert Züst am 04.10.2006 08:54, insgesamt 1-mal geändert.

Bewegungsfreund
Beiträge: 249
Registriert: 27.08.2006 11:09
Vorname: Bewegungsfreund
Wohnort: Engelberg

Beitrag von Bewegungsfreund » 04.10.2006 08:52

Um dem Ganzen hier mehr Input zu geben ist eine weitere sagenhafte Erkenntnis, daß wir nur über Zustände der Instabilität lernen:
Fühle ich mich in einem Bewegungsmuster wohl, werde ich dieses weiter ausführen. Ich werde es vielleicht noch perfektionieren, bin jedoch bewegungstechnisch auf dem Weg in eine Sackgasse. (Fahrer mit sehr viel Erfahrung und stabilem Bewegungsbild, jedoch wenig Möglichkeit zur Änderung/Anpassun)
Nur eine permanente Offenheit und somit auch Instabilität meiner genutzten Bewegungsmittel ermöglicht mir das aufschalten neuer Bewegungsmuster. (Profis nutzen dies um neu gesteckte Ziele zu erreichen...siehe Ivan und Martina)
Nur zur Ergänzung: Instabilität meint nicht das Lernen über negative Erlebnisse, wie Stürze oder emotional niederschmetternde Erkenntnisse, wie "ich bin der Einzige der es nicht kann".

@Herbert....toi toi toi für deine Skitechnik...die oben gestellte Frage bleibt bestehen...;-)

Gruß
Zuletzt geändert von Bewegungsfreund am 04.10.2006 10:14, insgesamt 1-mal geändert.

Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Beitrag von Martina » 04.10.2006 08:54

Herbert Züst hat geschrieben: Genau so wie ich es sage, ich finde es ist sehr viel und von Region zu Region auch noch abweichende Theorie vorhanden, die eigentlich niemand so wirklich versteht und die meines Erachtens für Anfänger absolut unnötig ist.
Ich finde, es ist auch eine Qualität der Skimethodik, dass nicht überall gleich unterrichtet wird. Erstens ist nicht für jeden der gleiche Weg der richtige und zweitens ist es auch eine Entwicklung, die immer im Fluss ist. Nur dadurch, dass immer und überall neues probiert wird, ist eine Entwicklung überhaupt so möglich. Man stelle sich vor, es würde international vorgeschrieben, wie unterrichtet werden muss... ich würde diesen Beruf schon lange nicht mehr ausüben!

ÜBrigens behaupte ich, dass ich die einzelnen Theorien durchaus verstehe. Wenn nicht, dann frage ich nach.
Die Idee ist doch:
Ich als Skilehrerin sollte ein möglichst breites Hintergrundwissen haben, möglichst viele Möglichkeiten kennen und möglichst viele Erfahrungen gemacht haben, damit ich dem Anfänger (und Fortgeschrittenen) auf möglichst einfache Weise zeigen kann, wie er besser wird.
Herbert Züst hat geschrieben:Nehmen wir an, ein 7 jähriges Kind möchte das Rad erlernen. Was macht es ? Es sieht irgend ein Vorbild zB. seinen Turnlehrer der ihm dies vormacht und es beginnt zu üben. Der Lehrer hilft ihm indem er daneben steht und es bei der Drehung leicht unterstüzt. Diesem Lehrer würde es aber nie im Leben einfallen, dem Kind gem. Lehrplan zu erklären, linkes Bein entlasten, rechtes Bein belasten usw.
Später einmal wenn das Kind das Rad längst hinkriegt und dies an einem Turnwettkampf zeigen möchte, wird der Lehrer mit ihm ein Video machen und hier noch etwas mehr strecken, da noch eine bessere Haltung etc.etc.

Auf das Skifahren übertragen, will ich sagen, das Anfänger es durchaus ohne komplizierte Lehrgänge sondern mit fachmännischem Vorbild und Unterstützung dieses spilerisch erlernen können. Das Gehen lernen, ein überaus komplexer physikalischer Vorgang, ist nach meinem Wissen ja auch nicht in Länder spezifischen Lehrgängen festgelegt.
Gaaanz wichtig:
Nicht jeder lernt am besten durch zuschauen - nachmachen!
Man hat das ziemlich ausführlich untersucht (nicht in erster Linie beim skifahren):
Kinder lernen häufig sehr gut durch nachahmen. Je älter die Leute jedoch werden, desto mehr entwickeln sie ihr eigenen Lernwege. Der eine durch eine präzise Erklärung, einer über Bilder, einer über Bewegungsgefühl, einer über nachahmen... (man kann das übrigens testen und herausfinden, was die optimalen Lernwege für einem selbst sind).

Gerade Video wird oft überschätzt:
Sehr viele Leute können es nicht umsetzen, wenn man ihnen z.B. sagt: "In der Mitte der Kurve solltest du das Aussenbein mehr strecken."
Oft können sie ein Problem gar nicht sehen und wenn, dann aus dem gesehenen nichts ändern. Sie brauchen andere Wege.
Sorgfältige Arbeit mit Video ist ziemlich komplex und wäre mal ein eigener Thread wert...
Grad Kinder lernen über Video meist sehr wenig!

Weiter ist es anscheinend auch so, dass ein recht grosser Teil des grundlegenden Bewegungsrepertoires des Menschen genetisch abgespeichert ist. So lernen Kinder gehen nicht durch nachahmen, sondern entdecken es "instinktiv", wenn sie reif dafür sind. Deswegen nützt Training (Lauflernwagen, Kind an den Händen führen,...) bei diesen Dingen nichts. Natürlich kann ein Kind durch Vorbilder (andere Kinder) motiviert werden, Bewegungen auszuprobieren.
(Gleiches übrigens beim Thema aufs Klo gehen, aber das ist ein anderes Thema... :wink: )

Benutzeravatar
ivan
Beiträge: 2392
Registriert: 18.10.2004 22:26
Wohnort: Prag, Tschechien

Beitrag von ivan » 04.10.2006 09:50

Martina hat geschrieben: Ivan, ich habe dir nicht zufällig schon mal gesagt, dass ich deine Beiträge liebe??
das edle wort "liebe" ist zwischen uns noch nicht gefallen, so ernst war es wohl noch nie... :D
klingt vielversprechend!
und danke. :-D
btw, gleichfalls

Benutzeravatar
ivan
Beiträge: 2392
Registriert: 18.10.2004 22:26
Wohnort: Prag, Tschechien

Beitrag von ivan » 04.10.2006 10:25

Martina hat geschrieben: Gaaanz wichtig:
Nicht jeder lernt am besten durch zuschauen - nachmachen!
Man hat das ziemlich ausführlich untersucht (nicht in erster Linie beim skifahren):
Kinder lernen häufig sehr gut durch nachahmen. Je älter die Leute jedoch werden, desto mehr entwickeln sie ihr eigenen Lernwege. Der eine durch eine präzise Erklärung, einer über Bilder, einer über Bewegungsgefühl, einer über nachahmen... (man kann das übrigens testen und herausfinden, was die optimalen Lernwege für einem selbst sind). (...)
die schule und die gesellschaft vernichten allmählich die fähigkeit des intuitiven lernens, also die fähigkeit, ohne bewertung zu beobachten, ohne in gut und falsch zu unterscheiden und ohne den inneren zwang zu korrigieren, also ohne eine wertende analyse. (fehler ist kein versagen, sogar wertvolle erfahrung und eine art feedback.)

viele erwachsene setzen vorwiegend die "analytische" linke hemisphäre ein. dazu noch die sozio-umstände (es sieht blöd aus, wenn ich dies oder das nicht schaffe) und solche leute können nur schwierig einfach ihrem körper, ihrem ski und ihrem gefühl zuhören mit der unbekümmertheit der intuitiv, natürlich lernenden kinder.
(ein kind aus Polynesien, das früher schwimmt und taucht als läuft, würde es auch nicht glauben, dass es leute gibt, die es nicht können, bzw. in kursen lernen müssen...)

btw, Nicola könnte dazu in diesem sinne viel mehr sagen

beate
Beiträge: 4355
Registriert: 18.01.2002 01:00
Vorname: beate
Ski: Elan

Beitrag von beate » 04.10.2006 11:42

Region zu Region auch noch abweichende Theorie vorhanden, die eigentlich niemand so wirklich versteht und die meines Erachtens für Anfänger absolut unnötig ist. Im Fortgeschrittenen Stadium jedoch finde ich individuelle physikalische Analysen zur Verbesserung der Technik durchaus sinnvoll.
Von Land zu Land ist die Theorie abweichend ( :zs: mit Martina,dass dies auch gut so ist!), innerhalb der CH jedoch einheitlich.
das Anfänger es durchaus ohne komplizierte Lehrgänge sondern mit fachmännischem Vorbild und Unterstützung dieses spilerisch erlernen können
Für mich als Skilehrerin ist die Theorie sehr wichtig. Sie macht mir Zusammenhänge begreiflich. Ohne diese Zusammenhänge kann ich meine individuelle Handlungskompetenz (beobachten, beurteilen,beraten) als Skilehrerin nicht so ausführen, dass ich hinterher ein objektiv besseres Ergebnis beim Lernenden erziele. Ich kenne übrigens keinen Skilehrer, der sich vor eine Gruppe stellt und erklärt, was Kernelemente und Kernbewegungen sind. IMO ist es selbstverständlich, dass dies eine wichtige theoretische Grundlage ist aber im Unterricht selbst natürlich nicht zur Sprache kommt.
Ich werde es vielleicht noch perfektionieren, bin jedoch bewegungstechnisch auf dem Weg in eine Sackgasse. (Fahrer mit sehr viel Erfahrung und stabilem Bewegungsbild, jedoch wenig Möglichkeit zur Änderung/Anpassun)
Es ist immer eine Herausforderung ein einmal eingeschliffenes Bewegungsmuster zu durchbrechen, um dem Schüler neue Möglichkeiten zur Bewältigung von "Problemen" (= steileres Gelände, buckeligeres Gelände, nicht präpariertes Gelände etc) zu eröffnen. Es ist auch für mich immer wieder interessant, wie unterschiedlich ich arbeiten muß, damit ich ein bestimmtes Ziel erreichen kann.
Es sieht irgend ein Vorbild zB. seinen Turnlehrer der ihm dies vormacht und es beginnt zu üben
Es wäre einfach, wenn alle nur visuell lernen könnten, da bräuchte ich nicht viel quatschen, nur kurze Einleitung nach dem Motto: "Schaut mal her und machts nach" Supi! Dann brauche ich natürlich auch den Theorieblödsinn nicht zu wissen und nicht jeden Winter 1000SFR in FB und Kurse zu investieren.........
Den ersten, letzten und einzigen Lehrplan habe ich vor ca. 30 Jahren bei meiner SJ Prüfung gelesen. Auch musste ich damals an der Prüfung diesen sturen Stil noch haargenau vorfahren. Ist mir damals total verkrampft irgendwie gelungen
Zum Glück hat sich offensichtlich seither viel geändert! Vielleicht wäre es auch für dich gut, ein "Muster" zu durchbrechen und eine FB bei SSS zu absolvieren. Am Anfang wirds dir sicher komisch vorkommen aber vielleicht wirst du feststellen, dass es heute offener, weniger verkrampft und wenig diktatorisch - didaktisch zugeht

Falls sich bewahrheitet, dass in D jetzt die neue Lust aufs driften entdeckt worden ist, kann ich dies nur begrüßen!

Auch ich finde es wunderbar, mal wieder auf so einem Niveau zu diskutieren! Ich hoffe, der thread wird noch viiiell länger!

Beate

Benutzeravatar
Herbert Züst
Beiträge: 1784
Registriert: 16.12.2005 14:56
Vorname: Herbert
Ski: Edelwiser Swing, Stöckli Laser CX KesslerPhantom
Ski-Level: 95
Skitage pro Saison: 45
Wohnort: Schweiz

Beitrag von Herbert Züst » 04.10.2006 12:57

innerhalb der CH jedoch einheitlich.
Gerade dies stimmt nicht, schau dich mal im Wallis um. In Siviez kenne ich
eine äusserst erfolgreiche Skischule um eine ehemalige Weltcupfahrerin herum, welche eine eigene Kinderskischulmethodik aufgebaut hat, die auf ganz wenig Theorie und um so mehr spielischem Vormachen beruht. Sie ist so erfolgreich, dass die ansässige Schweizerschkischule immer wieder versucht Skilehrer abzuwerben.
@ Beate
Bezüglich meiner FB brauchst du dir keine Sorgen zu machen, da ich nur auf speziellen Wunsch in meinem Verwandten- und Freudenskreis Unterricht gebe und sich der Schaden den ich anrichte somit in Grenzen hält.

Gruss Herbert

Benutzeravatar
ivan
Beiträge: 2392
Registriert: 18.10.2004 22:26
Wohnort: Prag, Tschechien

Beitrag von ivan » 04.10.2006 13:07

beate hat geschrieben: Ich kenne übrigens keinen Skilehrer, der sich vor eine Gruppe stellt und erklärt, was Kernelemente und Kernbewegungen sind. IMO ist es selbstverständlich, dass dies eine wichtige theoretische Grundlage ist aber im Unterricht selbst natürlich nicht zur Sprache kommt. (...)
Ich hoffe, der thread wird noch viiiell länger!
Beate
damit er länger wird, nur diesmal keine tiefen gedanken:
als student musste ich die einführung des Beowulf lesen und analysieren. und originaltexte aus dem Prager gericht A.D. 1584.
und habe noch nie jemand mit der altenglischen bestie oder mit mittelhochdeutsch belästigt... :D

beate
Beiträge: 4355
Registriert: 18.01.2002 01:00
Vorname: beate
Ski: Elan

Beitrag von beate » 04.10.2006 13:24

Gerade dies stimmt nicht, schau dich mal im Wallis um
das ist jetzt aber Körnerpickerei! Ich denke es ist jedem klar, dass es in jedem Land auch Skischulen oder Skilehrer die nicht im Verband organisiert sind und die nach eigenen Methoden unterrichten, z.B in Deutschland die Skilehrer die bei Sports arbeiten, unterrichten auch nach Sports "Lehrplan" und Methoden, Nicola ist auch frei beruflich tätig und ihre Methoden richten sich sicher nicht nach dem AU Lehrplan. Solche Beispiele findest du in jedem Land.
Alle Skischulen die in D dem DSLV/DSV angeschlossen sind, unterrichten nach gültigem Lehrplan, ebenso verhält es sich in der CH mit den Schneesportschulen und swiss snowsports. Da es für mich aber eher die Ausnahme als die Regel darstellt, beziehe ich mich natürlich auch auf diese und würde eine Ausnahme auch als solcher deklarieren.
äusserst erfolgreiche Skischule um eine ehemalige Weltcupfahrerin herum, welche eine eigene Kinderskischulmethodik aufgebaut hat, die auf ganz wenig Theorie und um so mehr spielischem Vormachen beruht
Der Kinderunterricht, der bei sss gelehrt wird ist sehr spielerisch aufgebaut und beinhaltet ganz sicher in keinster Form Fahrtechniktheorie. Ich mache mir keine Sorgen um deine FB aber es würde dein Bild, welches du vom unterrichten in der Schweiz hast sicher entzerren, wenn du mal einen Tag z.B. bei einem Kinderlehrerkurs zuschauen würdest! Wir sind uns sicher einig, dass eine fantastische Skitechnik kein Garant für einen guten Skilehrer ist :wink:
Beate

Antworten