Klassifizierung von Lehrwegen

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railmaster
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Klassifizierung von Lehrwegen

Beitrag von railmaster » 29.04.2006 17:16

Hallo Leute!


Ich bin für eine Uni-Arbeit auf der Suche nach unterschiedlichen Anfänger-Lehrwegen/Methodiken zum Skifahren.. Leider fehlt es mir noch an Ideen, wie man unterschiedliche Lehrwege in Kategorien zusammenfassen könnte.
Hat jemand da evtl. eine gute Idee?

Freu mich über Anregungen!

Raily

Martina
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Beitrag von Martina » 30.04.2006 08:29

Auch das ist so eine Sache, bei der man sich fragt, wofür es gut ist.
Manchmal frage ich mich: Wie viele solche Arbeiten sind schon geschrieben worden und warum sieht man so viel Unterrichtsmist auf der Piste?

Interessant wäre vielleicht mal eine Arbeit zum Thema:
Wie bringe ich möglichst vielen Skilehrern in kurzer Zeit bei, wie man sinnvoll unterrichtet :-?

Aber zu deiner Frage:
Naheliegend wäre eine unterscheidung nach
- Methoden stets gleichen Geräten (also von Anfang an "lange" Ski)
- Methoden mit unterschiedlichen Geräten (alle Arten von "Kurzskimethoden" und ähnlichem)

- Methoden mit und ohne Pflug

Aber den interessantesten Ansatz fände ich den:

- Methoden, die für den Anfang die grundsätzlich gleiche Technik verwenden wie für höhere Formen (egal ob mit oder ohne Pflug)
im Vergleich zu
- Methoden, die am Anfang eine grundsätzlich andere Technik lehren als für höhere Formen

Aber interessanter wäre es, Leute zu befragen, die eben skifahren gelernt haben und zu erkunden, was für sie wichtig war: die Methode, die Art des Lehrers, die Lernform (Gruppe, Privat, Kurs, selber üben,...)

Um die Frage aber sinnvoller zu beantworten, solltest du vielleicht mal auflisten, welche Lehrwege du überhaupt vergleichen willst!

railmaster
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Beitrag von railmaster » 01.05.2006 09:06

Also prinzipiell will ich die Lehrwege VOR Einführung des Carvers mit den heutigen vergleichen. Allerdings ist das Spektrum da ja sehr breit. DSV, ÖSV und SWISS-SKI gingen früher und teilweise auch heute zwar ähnliche, aber nicht gleiche Wege. Und außerdem gibts ja noch zahlreiche weiter "inoffizielle" (Wenn man sie so bezeichnen möchte) Wege. Aus diesem Grund wäre es halt in meinen Augen wichtig, verschiedene Lehrwege in bestimmte Klassen/Gruppen einzuordnen.

Grundlegend soll meine Arbeit auch der Frage nachgehen, wodurch sich das Erlernen des Skifahrens in den letzten 10 Jahren vereinfacht. Liegt das nur an neuen Skiern/Lernhilfen (Snowblades etc.) oder auch an einer gewandelten Methodik.

Gruß

Martina
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Beitrag von Martina » 01.05.2006 13:59

Das macht die Sache schon etwas klarer:

Meines Erachtens (und dies ist auch die Meinung von Swiss Snowsports und vielen anderen Lehrenden, aber eben leider nicht von allen) ist der grosse Vorteil von den Carvern, dass man heute eben nicht mehr erst eine "Anfängertechnik" und später eine andere Technik fürs Parallelfahren oder Kurzschwingen/Wedeln oder was auch immer lernen muss.

D.h. man kann von Anfang an die eigentliche "Zieltechnik" verwenden, auch wenn man unter Umständen zuerst das Tempo noch mit dem Pflug verlangsamt.
Beim Schweizer Verband wurde dies Anfang neunziger Jahre mit dem Titel

"roter Faden der Skitechnik: mit dem gleichen Bewegungsmuster durch alle Formen"

beschrieben.

Dies trifft es genau: Es gibt verschiedene "Kernbewegungen" (drehen, beugen/strecken, kippen). Diese lernt man von Anfang an. Und mit diesen lassen sich alle Formen fahren.
D.h. eine Kurve wird grundsätzlich gleich gefahren, egal ob jemand am ersten Tag langsam auf sehr flacher Piste mit Pflug dreht oder ob er einen Riesenslalom fährt oder im Couloir kurzschwingt. Nur werden je nach Situation die Kernbewegungen unterschiedlich "gemischt".

Dies ermöglicht es den Lernenden, in jeder Situation genau die Art der Fahrweise zu verwenden, die sie behersschen und die im Moment am sinnigsten ist.
D.h. viele können schon am ersten Tag auf flacher Piste problemlos parallel fahren. Auf einer Engstelle einer roten Piste werden sie aber vielleicht noch länger den Pflug verwenden. etc.

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Einen ähnlichen Weg gehen die verschiedenen Kurzskimethoden:
Dort wird am Anfang die Skilänge deutlich verringert, damit die Leute mit den Brettern einfacher zurechtkommen.
Meist wird dort auf den Pflug ganz verzichtet und die Skilänge nach und nach gesteigert, was den Lernenden dann ermöglich,auch schneller und beschwingter etc. zu fahren.

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Ich würde in deiner Arbeit Lehrwege, die eine Anfängertechnik und eine Fortgeschrittenentechnik (und ev. eine Könnertechnik) unterscheiden in eine Kategorie einteilen
und Wege, die von Anfang an eine Technik lehren, die für höhere Formen nur erweitert und verfeinert werden müssen in eine andere
- denn genau das ist es, was das Skifahren lernen in den letzten Jahren so viel einfacher gemacht hat.


Weiter ist es so, dass diese "rote Faden"-Methoden nicht stur Schritt für Schritt vorgehen, sondern individuellerem Lernen die Tür öffnen.
Eine Piste kann z.B. von einzelnen Kursteilnehmern parall befahren werden, andere verwenden den Pflug, einige sind etwas schneller, andere etwas langsamer. Allfällige Erklärungen,Tipps und Korrekturen verstehen alle, da alle grundsätzlich mit der gleichen Technik fahren (z.B kann der Lehrer an einer Engstelle sagen: hier hilft es, wenn ihr mit betontem beugen/strecken (was natürlich vorher instruiert wurde) fahrt, so könnt ihr die Ski rascher drehen. Ob das dann im Pflug, Parallelschwung oder gar Kurzschwingen passiert, ist egal).

Bei Schritt-für-Schritt-Methoden (z.B. Ski Schweiz 85) muss jeder stets das gleiche lernen: Heute Treppenschritt und bremsen im Pflug, Morgen Pflugbogen, dann Schrägfahren usw. Schnelle Lerner müssen "warten", langsamere Lerner sind gestresst

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In erstere Kategorie fallen für mich va. Methoden, die den Pflug mit nach aussen lehnen unterrichten.
Dort muss man bei den Pflugkurven nach aussen lehnen.
Kann man diese Pflugtechnik, darf man als nächstes den Parallelschwung lernen, bei dem man dann nach innen lehnen soll.

Man muss also erst etwas lernen,
sich dann später das wieder abgewöhnen,
und etwas anderes (z.T. das Gegenteil) lernen.

(Kleiner Exkurs:
Im Falle des von mir so gehassten nach-aussen-lehnen im Pflug ist es so, dass dies daher kommt, dass man bei den alten Ski das Gewicht wirklich deutlich auf den Aussenski verlagern musste, um sie zu drehen. Dies war nicht nur im Pflug so, sondern in allen Formen: das berühmte Umsteigen.
Meines Erachtens ist dieses Gewichtsverlagern bei den Carvingski total überflüssig. Es ist also nicht notwendig, den Anfänger damit zu konfrontieren. Und alles, was nicht notwendig ist, sollte man meiner Meinung nach am Anfang beiseite lassen, da es die Sache unnötig erschwert.
Aber auch wenn es nun notwendig wäre (was einige Verbände ja behaupten) oder mindestens helfen würde, dann wäre es absolut nicht notwenig und auch nicht sinnvoll, dazu den Oberkörper extrem nach aussen zu kippen, wie es überall gezeigt wird.
Eine Bewegung sollte immer nur so stark ausgeführt werden, wie nötig. Und um das Gewicht bei diesen langsamen Tempi etwas nach aussen zu verlagern reicht es, die Hüfte ganz leicht Richtung Aussenski zu verschieben und "auf diesen Fuss zu stehen")

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In die erste Kategorie würden für mich auch Methoden fallen, die lehren, dass man zuerst "normal skifahren" und dann erst "carven" (gemeint ist hier eine spezielle Technik für Carvingski, also nicht nur auf der Kante fahren) soll.
Aber so weit ich weiss, vertritt das kein Verband mehr offiziell.

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Das "Ergebnis" (d.h. so wie die Könner dann fahren) sieht bei diesen "roter-Faden"-Methoden individueller aus bei Schritt-für-Schritt-Methoden. D.h. nicht alle Könner fahren wie geklont.
Man orientiert sich stärker an den Voraussetzungen (körperlich, Material, Umwelt), bei den Schritt-für-Schritt-Methoden eher an einem Fahrerideal.


Für mich ist es interessant, zu sehen, dass verschiedene Verbände teiweise unabhängig voneinander ein sehr ähnliches System mit "Kernbewegungen" (werden natürlich unterschiedlich genannt), also bestimmten "Bewegungsmodulen" kreiiert haben. Diese "Bewegungsmodule" werden alle (mehr oder weniger) von Anfang an gelehrt und je nach Fahrform unterschiedlich zusammengesetzt.
Das zeigt doch, dass es eine einigermasen zwingende Entwicklung war, wie meiner Meinung nach auch die Entwicklung der Carvingski.

Es war in den 80ern klar, dass etwas gehen musste, ua. um der Snowboardwelle etwas entgegenzusetzen. Die Snowboarder fahren ja auch schon länger mit taillierten Boards. Von dort ist auch viel Input gekommen.
Gleichzeitig haben viele Skifahrer mit stark taillierten Skis getüftelt, so z.B. Ingemar Stenmark.
Allerdings passten damals Material und Skitechnik noch nicht zusammen.

Die sogenannte "Schwungsteuerung 90" (Vorform der "Carvingtechnik") in der Schweiz entstand aufgrund Beobachtung von Kindern und Rennfahrern.

Es war eine sehr spannende Zeit: Überall wurde getüftelt und probiert, bei den Skifirmen, den Rennfahrern und den Unterrichtenden. Die Skilehrer, die (in der Schweiz) Prüfungen machen mussten, jammerten, weil es keine genauen Vorgaben, wie man denn nun fahren oder unterrichten müsse, mehr gab: "alles wechselt ständig".
Irgendwann, gegen Ende der neunziger Jahre, war dann ein bestimmter Standart, sowohl in Technik, Material und Rennfahrerei erreicht. Nicht, dass seither gar nichts mehr geht, aber ich würde sagen, in etwa dann waren sowohl Fahrtechnik wie auch Material "generalüberholt".

Ein sehr ähnliches Unterrichtssystem hat sich in den Grundzügen in der Schweiz, Deutschland (auch wenn im DSV offenbar - sorry - noch viel "alter Mist" unterrichtet wird) und die Canada ergeben.

Italiener und Franzosen eifern in meinen Augen immer noch sehr einem bestimmten "Fahrideal" nach, was es für Menschen mit anderen Voraussetzungen zum Teil sehr schwierig macht.
Japaner stehen grundsätzlich etwas anders auf den Ski (sehr tief, sehr kompakt), was ev. auch mit anderem Körperbau zu tun hat.
Dem Australischen System merkt man meiner Meinung nach an, dass dort Anfänger in Massen unterrichtet werden - es ist sehr auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet, finde ich.
Die Briten habe ein sehr anspruchsvolles (wer hätte es gedacht!) System, aber noch eher in einem Schritt-für-Schritt-Schema aufgebaut.
Ins dänisch System hatte ich bestimmte Einblick, aber das Prinzip hat sich mir nicht wirklich erschlossen.

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Nach wie vor finde ich die Art, die Person des Unterrichtenden wesentlich wichtiger als die Methode.
Die Methode kann noch so fein sein, ist der Unterrichtende ein Macho-Angeber oder sonstwie ungeeignet für seinen Job, so hilft es alles nichts.
Ist der Unterrichtende hingegen einfühlsam und zugewandt und engagiert, kann er auch eine veraltete Methode anwenden und der Gast wird es lernen (obwohl dieser vermutlich eh merken wird, was seinem Gast am meisten bringt).

(Alle Angaben total ohne Gewähr, sie widerspiegeln einfach meinen Eindruck und meine Meinung!)

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