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von Martina » 14.11.2011 09:14
Das ist an sich ein tolles Video. Mich hat einiges erstaunt: Der Italiener ohne "hochgeklappte Flügelchen"? Das entspricht nicht dem, was die normalerweise lehren. Obwohl unten im Kommentar steht "too much steering", das war für einen Italiener extrem locker und wild.
Den Kommentar kann ich nicht in allem bestätigen. Der eine Japaner dreht extrem mit. Aber ich meine, das ist gewollt, es hat nicht mit "undiciplined arms" zu tun, wie kommentiert. Man darf nicht vergessen, dass der Kommentator wohl auch "Vorurteile" hat (d.h. dass sein Sichtweise von der Schule eines Landes geprägt ist. Die Fahrt des ersten Deutschen finde ich ausgeprägt auf dem Innenski, obwohl doch die Deutsche Schule extrem auf "Druck möglichst früh und rasch auf den Aussenski" geprägt ist? Bei den Schweizern sieht man, dass im Vergleich zu vielen anderen Ländern mehr mitgedreht wird, mit allen Vor- und Nachteilen. Alles in allem sieht man auch, dass die Fahrweise der Demonstratoren nicht immer genau mit dem übereinstimmt, was in den Büchern steht...
Aber darum geht es ja nicht.
Ich bin Schweizer Skilehrerin und habe auch in Canada gearbeitet.
Der grosse Unterschied ist, dass in Canada die "Zieltechnik" von vielen Skifahrern das Buckelpistenfahren ist, während man in Europa eher auf lange gecarvte Schwünge zielt. Teilweise ist das in der Tradition begründet. Es ist auch laienhaft ausgedrückt, allerdings in der Technik spürbar.
In Europa versucht man von Anfang an, die "Eigensteuerkräfte" der Ski zu entdecken und zu nutzen. In Canada ist das "Pivoting" zentral. Darunter versteht man ein Drehen der Füsse, das bewirkt, dass die Ski drehen. Natürlich ist die Idee dahinter,d ass man das nur soweitgehend macht, dass der Ski selber mit Hilfe der Taillierung dreht. In der Realität hat das jedoch untergeordnete Bedeutung. "Ski herumdrücken" aus den Füssen ist für mittlere Fahrer üblich und wird auch nicht stark kritisiert. Hier nur soviel zu machen dass der Ski selber arbeitet hat untergeordnete Bedeutung.
Fährt man stark mit dieser Bewegung, dann braucht man den Oberkörper (bzw. alles oberhalb der Knie) weniger. Es wird schon bei längeren Kurven auf die "Oberkörperstabilisation" geachtet, Oberkörper wird mehr talwärts gelassen (geht ja auch, wenn man mehr "aus den Füssen" dreht.
Eine Begründung für dieses Pivoting ist, dass die Leute mehr Kontrolle behalten würden als wenn sie die Ski selber steuern lassen. Das ist nicht völlig unberechtigt. Allerdings brauchen die Leute (die nicht so super fahren) deutlich mehr Kraft. Und m.E. ist dieses "loslassen" ein wichtiger und sehr schöner Bestandteil des Skifahrens, das Gleiten, das "leichte".
Allerdings muss man auch wissen, dass z.B. in Canada nicht imme ralle Pisten geräumt und glattgebügelt werden. Es schneit auch mehr. Man hat also viel mehr "zerfahrene" Pisten als hier. Und - wie die meisten wohl wissen - ist dort das "Ski laufen lassen" noch schwieriger. Auf der anderen Seite ist das "Ski herumdrücken" noch viel anstrengender und m.E. nicht so zielführend.
Die Leute in Canada fangen normalerweise schon viel früher als in Europa mit Kurzschwingen an, es ist ihnen wichtiger. Es wird auch mehr gefahren. Da kommt das Pivoting dann zu Hilfe, es geht leichter, während bei uns dieses "mehr Drehen als der Ski eigentlich will" weitgehend neu gelernt werden muss.
Das ist jetzt alles nur sehr grob und oberflächlich ausgedrückt. Natürlich können gute Skifahrer da wie dort carven und auch in zerfahrenem Schnee kurzschwingen. Man kann vermutlich auch über jeden einzelnen Satz, den ich oben geschrieben habe, mehrere Stunden diskutieren (und glaub mir, das haben wir in Canada nächtelang gemacht - wir waren Skilehrer aus der ganzen Welt).
Wo du diese Fahrweise in Europa lernen kannst? Das wird schwierig. Es wird nicht funktionieren, einem Lehrer das zu erklären. Du hast es jetzt hier aus xter Hand gelesen. Ein Skilehrer, der sich nicht ziemlich tiefgründig mit dem auseinandergesetzt hat, wird es dir nicht beibringen können, ebensowenig, wie er "einfach so" anders fahren kann.
Du müsstest einen Skilehrer aus Canada oder USA finden. Australien ist schon sehr heikel. Dort sind viele Skischulen in Österreichischer Hand und - soweit ich gehört habe - wird dort extrem drauf geachtet, dass "österreichisch" gefahren wird.
Du könntest in diversen Skischulen herumtelefonieren und fragen, ob sie US- oder Canadische Skilehrer haben. Oder - und das währe wohl das zielführendste - du machst einen Skiurlaub in Canada. Dort ist die Technik logisch (Treeruns, Buckelpisten, non-groomed runs) und es gibt an den meisten Orten guten, unkomplizierten Gruppenunterricht.
Ich kenne einen Canadischen Skilehrer, der diesen Winter ev. in Europa unterrichtet. Allerdings ist es noch nicht sicher wg. Arbeitsbewilligung, ausserdem haben die drüben schon viel Schnee und wir noch keinen. Falls das zustande kommt, könnte ich ihn dir angeben.