Ted Ligety

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urs
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Ted Ligety

Beitrag von urs » 13.02.2013 08:05

nachfolgend das transkript eines Interviews, welches marco büchel mit ted ligety durchführte, erschienen im zürcher tages-anzeiger von heute:

Ted, gratuliere zur zweiten Goldmedaille hier in Schladming. War der Titel in der Superkombi für dich noch überraschender als derjenige im Super-G?
Das kann ich dir nicht sagen. Laut Weltrangliste hätte ich in den letzten sieben Jahren öfters auf einem Podest in der Superkombi stehen sollen. Aber leider hat das nach meinem Olympiasieg 2006 nie mehr geklappt. Aber nach dieser langen Zeit bei der WM hier zuoberst auf dem Treppchen zu stehen, ist eine gute Bestätigung.

Du hast die Gunst der Stunde für den zweiten WM-Titel optimal genutzt.
Genau. Mir gelang eine der besten Abfahrten meiner Karriere. Im Slalom bin ich dann sehr solid gefahren, und es war gut genug im Vergleich zu den Slalomspezialisten.

Wirst du am Ende der grosse Star dieser WM sein?
Das weiss ich nicht. Es liegt nicht an mir, dies zu beurteilen.

Was ist für dich der perfekte Ausgleich zu den Rennen?
Wenn ich zu Hause bin, verbringe ich meine Freizeit am liebsten mit Tiefschneefahren. Das ist für mich fast gleichbedeutend mit einem Weltcupsieg.

Was gibt dir das Tiefschneefahren?
Wenn du richtig Gas gibst, das Limit suchst und dir selber auch etwas Angst einjagst, ist das Gefühl ziemlich ähnlich wie beim Rennenfahren.

Du hast manchmal Angst?
Definitiv! Du kannst es dir ungefähr so vorstellen: Du stehst auf einem Tisch und siehst runter auf den Boden. Aber du weisst nicht, was sich zwischen Tisch und Boden befindet. Du kannst nur hoffen, dass du dir von unten die Linie mit allen Hindernissen gut eingeprägt hast. Das ist krass!

Besichtigst du deine Linie ähnlich wie im Skiweltcup?
Genau. Du siehst dir die Hindernisse von unten an und denkst: «Ich springe dort über diese kleine Klippe.» Von unten gesehen sieht es aus wie ein 3-Meter-Sprung. Aber wenn du später drüberspringst, merkst du, dass der Sprung locker viermal so weit geht.

Das erinnert mich irgendwie an Kitzbühel.
In Kitzbühel kannst du die Strecke genau besichtigen. Aber wenn du in Alaska oben auf dem Berg stehst, dann denkst du: «Das sieht überhaupt nicht so aus, wie ich mir das vorgestellt habe.» Du stehst mitten im Hang und kannst diesen seitlich mit der Hand berühren. So enorm steil ist das.

Im Riesenslalom nimmst du deinen Konkurrenten enorm viel Zeit ab. Wie machst du das?
Die neuen Skimodelle erlauben solche Zeitunterschiede. Mit den alten hast du bei einem kleinen Fehler vielleicht eine Zehntelsekunde verloren. Jetzt kann dich ein kleiner Fehler leicht eine halbe Sekunde kosten. Früher konntest du nach einem Quersteher gleich wieder auf Zug fahren. Heute hast du erst nach zwei bis drei Toren wieder dasselbe Tempo wie vor dem Fehler.

Also machst du weniger Fehler?
Sieht so aus. Ausserdem fahre ich eine längere, aber auch sauberere Linie. Mit diesem «sauberen» Bogen kann ich mehr Power aus dem Schwung mitnehmen. Im Gegensatz zu einigen Fahrern, die Rutschphasen in den Kurven haben.

Warum machen die anderen das nicht auch so?
Das ist einfacher gesagt als getan. Ich bin früher schon mit dieser Technik gefahren. Meiner Ansicht nach war ich damals schon der schnellste Riesenslalomfahrer. Nur hat meine Technik noch öfter zu Fehlern geführt. Ein Beispiel: Marcel Hirscher hat mich nie um zwei Sekunden geschlagen in den vergangenen Jahren. Ich ihn hingegen schon oft in dieser Saison. Mein Stil ist riskant. Aber anders geht es heute nicht mehr.

Das neue Material scheint dir zu liegen. Allerdings warst du einer der lautesten Gegner.
Ich würde gerne in einer Skiwelt leben, in der es materialtechnisch keine Vorschriften gibt.

Wie meinst du das?
Jeder Riesenslalomfahrer hat einen anderen Körperbau und eine andere Fahrtechnik. Wenn du alle auf ein Skimass einschränkst, bestimmst du schon im Vornherein Gewinner und Verlierer. Aber es geht doch darum, zu zeigen, wer am schnellsten vom Start bis ins Ziel fahren kann. Es sollte nicht darum gehen, wer die richtigen Körpermasse für ein bestimmtes Skimass mitbringt. Spezielle Ski sind gemacht für spezielle Körper.

Du findest solche Regeln unfair?
Im Prinzip ja. Der Ansatz dieser Materialdiskussion ist falsch. Als das Reglement noch den 27-m-Radius vorschrieb, hatte kein einziger Fahrer das Limit ausgereizt. Auch nicht bei der Höhe der Bindungsplatte. Mit dem neuen Reglement sucht jeder das Limit. Das führt dazu, dass jeder, der ein bisschen kreativ ist, schummeln kann. Wenn man hingegen kein Reglement macht, fährt jeder mit dem Ski, mit dem er sich am wohlsten fühlt. Und wer sich auf dem Ski wohlfühlt, hat die sicherere Körperposition und dadurch ein besseres Gefühl.

Hast du besonderen Respekt vor Fahrern, die alle fünf Disziplinen bestreiten, wie Ivica Kostelic oder Benjamin Raich?
Ich habe mehr Respekt vor Bode Miller. Er hat in allen fünf Disziplinen gewonnen – innert einer Saison. Das ist crazy. Es gibt nur eine Handvoll Athleten, die überall punkten. Das ist schwierig. Und in allen Disziplinen auf dem Podest zu stehen, das ist unglaublich schwierig.

War Miller ein Vorbild für dich?
Klar. Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, war er eine grosse Inspiration. Wir alle haben damals probiert, so zu fahren wie er. Selbstverständlich ging das immer in die Hose (lacht).

Ich probierte damals auch, seinen Stil zu imitieren. Aber nur, wenn mich kein Mensch beobachtete . . .
. . . es ist gut, Bode im Team zu haben, ihm zuzuhören. Man muss seine Worte mit einer gewissen Vorsicht geniessen, aber er ist immer offen, seine Ansichten zu teilen. Bode ist ein Teamplayer.

Amerikaner haben die spezielle Gabe, an Grossanlässen über sich hinauszuwachsen. Warum ist das so?
Ich glaube, dass wir uns vor solchen Momenten nicht fürchten. Dass wir an diesem einen Tag bereit sind, das zusätzliche Risiko auf uns zu nehmen. Nicht alle Athleten sind dazu bereit.

Was sonst macht das US-Ski-Team derzeit besser als die Schweizer?
Ich weiss nicht genau, was bei den Schweizern passiert. Aber es ist verrückt, zu sehen, welche Höhenflüge und Abstürze sie haben. Sie haben viele Fahrer, die in einem Jahr Rennen gewinnen, im folgenden Winter aber nirgends mehr zu finden sind. Wenn das einem Einzigen passiert, ist das erklärbar. Aber wenn es mehrere sind, ist das krass. Das wichtigste für einen Fahrer ist, zu verstehen, warum du schnell bist. Aber du musst auch verstehen, warum du langsam bist.

Kannst du das erklären?
Wenn einer den Gesamtweltcup holt, mehrere Medaillen und Weltcuprennen gewinnt und plötzlich in einem einzigen Lauf über sieben Sekunden verliert, dann sollte er sich zuerst einmal fragen, warum er überhaupt einmal schnell war. Ich meine damit aber nicht explizit Carlo Janka, das gilt für jeden Rennfahrer.

Wer wird im Riesenslalom in Schladming auf dem Podest stehen?
Selbstverständlich hoffe ich, dass ich gewinne. Marcel Hirscher wird die grösste Herausforderung darstellen. Dann haben wir die Franzosen Fanara und Pinturault. Sie sind nach uns die schnellsten in dieser Disziplin. Auch Moelgg hat diesen Winter sehr schnelle Läufe gezeigt, wie Neureuther.

Hat dich Neureuther überrascht im Riesenslalom?
Nein, das habe ich schon im Training im August beobachtet. Aber Hirscher und ich sind definitiv die Favoriten. Wir beide haben die vergangenen zwei Jahre mit wenigen Ausnahmen fast jeden Riesenslalom gewonnen.

Spürst du Druck?
Sogar tonnenweise.

Wie gehst du damit um?
Ich kenne diese Situation bereits. Denselben Druck spürte ich vor den Weltmeisterschaften vor zwei Jahren, ich hatte die letzten drei Rennen davor gewonnen. Aber ich wurde auch damals Weltmeister (lacht).

Was sagen eigentlich deine Teamkameraden über dich?
Da musst du sie selber fragen. Ich kann schwierig sein, manchmal. Hin und wieder bin ich auch etwas aggressiv, vor allem wenn Mitmenschen mir gegenüber aggressiv sind. Aber mehrheitlich geht es im US-Team humorvoll zu, und wir nehmen uns gegenseitig hoch. Ich bin sehr entspannt, immerhin bin ich Skifahrer. Da gibt es nicht viel, worüber man sich beklagen kann (lacht).

Und wie sehen deine ganz privaten Glücksmomente aus?
Wenn du Rennen fährst und sehr erfolgreich bist, ist das emotional sehr erschöpfend. Du bist wie gefangen in einer Zelle und die ganze Zeit über enorm fokussiert. Wenn du dann im Zimmer bist, ganz allein, weicht diese Anspannung. Ich springe aber nicht auf und ab wie ein Verrückter, sondern atme einfach ganz lange und tief aus.

Wie viele Wochen verbringst du daheim in Park City?
Weniger als 60 Tage pro Jahr. Ansonsten bin ich unterwegs für das Training und die Rennen. Hinzu kommen Sponsorenverpflichtungen. Im Winter bin ich – abgesehen von Weihnachten – die ganze Zeit in Europa. Im Sommer ausserdem je einen Monat in Neuseeland und Chile. Nur im Juli bin ich wirklich zu Hause.

Verrückt. Ich war während der Saison fast jeden Sonntag zu Hause.
Das ist die meist unterschätzte Komponente für uns Nordamerikaner. Wenn du im Starthaus stehst, ist das Gefühl für jeden dasselbe. Aber wenn du dauernd unterwegs bist, in Hotels wohnst, und du hast zwei schlechte Rennen, dann gerät das schnell ausser Kontrolle. Wenn du zwischendurch immer wieder nach Hause kannst, ist es viel einfacher, dich wieder zu «erden» und die richtige Einstellung zu finden. Wir aber sind mit den schlechten Gedanken gefangen im Hotelzimmer. Das wird von aussen zu wenig beachtet. Klar, wenn du gewinnst, kannst du ewig «on tour» bleiben.

Kannst du daheim überhaupt noch Freundschaften pflegen?
Das ist nicht einfach. Ich vermisse meine Freunde daheim. Aber zum Glück halten Männerfreundschaften auch, wenn man sich mal fünf Monate nicht sieht (lacht).

Realisieren die Menschen in deiner Heimat überhaupt, was du als Skiprofi erreicht hast?
Ich glaube, dass sie meinen Erfolg sehr schätzen. Aber ich denke nicht, dass sie vollumfänglich verstehen, was hier in Europa passiert.

In Schladming sind dagegen Tausende Skifans vor Ort.
Es ist verrückt. Hier geht man mit uns so um, wie daheim mit American Footballern. Weil wir beim Rennen Skibrille, Helm und Rennanzug tragen, werde ich nicht sofort erkannt, wenn ich mich in Zivil unter die Leute mische. Aber sobald jemand meinen Namen ruft, drehen sich sofort alle nach mir um, wollen Fotos, Autogramme, Interviews.

Magst du es, wenn dich die Menschen erkennen und dich feiern?
Klar. Die meiste Zeit ist es sehr cool! Es ist genial, zu wissen, dass du gut in etwas bist, das die Menschen wirklich interessiert und begeistert

Der Daus
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Re: Ted Ligety

Beitrag von Der Daus » 13.02.2013 13:38

Ted wird nicht sofort erkannt wenn er sich unter Leute mischt? In einem Skistadion? Naja....also wenn man jetzt sagt D. Paris oder L. Sejersted werden hin und wieder nicht erkannt kann ich das verstehen. Aber jemand der dauernd in der Leader-Box steht.....

Top Interview. Den Büchel kennt doch im übrigen auch jeder. Oder?
Hier kommt normalerweise ein schlauer Spruch hin, was?

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Re: Ted Ligety

Beitrag von Th3oran » 13.02.2013 14:04

Gibt auch ein schoenes Interview von Buechel mit Hirrscher im Red Bulletin: Klick. Leider ist nur der erste Teil online. Buechel macht das wirklich gut aus meiner Sicht.
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Re: Ted Ligety

Beitrag von Uwe » 13.02.2013 16:18

Interessantes Interview; mal nicht die Standard-Fragen und -Antworten.
Der Daus hat geschrieben:Ted wird nicht sofort erkannt ... jemand der dauernd in der Leader-Box steht.....
Kleine Anekdote:
WorldSkitest 2010 in Heiligenbluth, Anreisetag, ich bin gerade auf den Parkplatz des Hotels gefahren, da kommt ein weiterer Teilnehmer in einem blauen Audi RS4 mit Fischer-Schriftzügen an. Da ich damals den "kleinen Bruder" des RS4 hatte (S2), kamen wir ins Gespräch und haben bischen über die Autos geplaudert.
Am nächsten Morgen beim Frühstück sagte ich ihm, dass ich ja hin und wieder mit dem Einen oder Anderen bei Fischer Kontakt hätte, vielleicht auch mit ihm, wie denn sein Name wäre?
Seine Antwort: Hans Knauß ... :oops:

... zum Glück werden heute bei den Rennen Bilder von den Rennläufern ohne Helm und Brille eingeblendet ... dann kann man die auch beim Frühstück erkennen :D
Uwe

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