Gegenrotation im alpinen Ski-/Rennlauf

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
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LincolnLoop
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Beitrag von LincolnLoop » 10.01.2008 23:48

kartnerbua hat geschrieben:Wir reden hier von Rennlauf, du von Schischule, das sind doch ein bißchen unterschiedliche Dinge. Mit der Mitrotation des Beckens lernt er zwar vielleicht einfach und rasch einen Parallelschwung, das ist legitim, aber es ist weit weg von einem technisch in jedem Gelände, mit jeder Geschwindigkeit, in jeder Situation anwendbaren Schwung.
That's the dark side of the moon...
1. IMO ist es ein riesiges Problem, wenn man denkt, es gibt "einen Schwung", der in jedem Gelände, mit jeder Geschwindigkeit, in jeder Situation anzuwenden ist. Den gibt es nämlich nicht (oder willst Du mir sagen, dass Du im RS genauso wie in der Buckelpiste fährst...?). Es gibt maximal den "einen Schwung", der - wenn man ihn noch zu +-5% variieren kann - in jedem Rennen funktiniert. Das sind dann aber die 80% der Rennläufer, die - wenn sie mal keine Stangen vor sich haben - das Leiden Christi auf zwei Ski sind (und das ist in A nicht anders als in D). Nicht umsonst können die "wirklich" guten Rennläufer eigentlich alles (mehr oder weniger gut) fahren.
2. Ist es einfach engstirnig zu denken "Mir san Rennlauf, der Rest is mir wurscht". Wenn Du einen geschnittenen Schwung (bzw. einen Schwung mit sehr starkem Aufkantwinkel) siehst, so unterscheidet sich der im Rennlauf nicht groß vom Carven/Extremcarven oder Freeriden. Nur weil jemand ein Skilehrer-Wapperl anstatt einem Rennanzug hat, ändert sich seine Anatomie nicht grundlegend.

Gruß, Chris
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Moorkuh
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Beitrag von Moorkuh » 11.01.2008 00:49

urs hat geschrieben:@martin + karntnerbua: ihr schreibt vollkommen an der praxis vorbei. (...)
jetzt sag ich, gemäss eurer definition, einem gast (...)
Wir haben hier verschiedene Dinge, die wir unterscheiden sollten:
1) Wir unterhalten uns hier über Skiunterricht
2) Wir unterhalten uns hier über Skitechnik allgemein oder speziell
3) Jemand von uns hier unterrichtet auf der Piste

Wir haben uns bei Punkt 2 bewegt.
Du hast das gerade mit Punkt 3 verwechselt.

In der Sache des Mitdrehens geb ich dir allerdings Recht.

Martin

karntnerbua
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Beitrag von karntnerbua » 11.01.2008 09:16

LincolnLoop hat geschrieben:2. Ist es einfach engstirnig zu denken "Mir san Rennlauf, der Rest is mir wurscht". Wenn Du einen geschnittenen Schwung (bzw. einen Schwung mit sehr starkem Aufkantwinkel) siehst, so unterscheidet sich der im Rennlauf nicht groß vom Carven/Extremcarven oder Freeriden. Nur weil jemand ein Skilehrer-Wapperl anstatt einem Rennanzug hat, ändert sich seine Anatomie nicht grundlegend.

Gruß, Chris
Arbeite bitte nicht mit persönlichen Unterstellungen und Untergriffen ... :(
Ich sehe das einfach als Diskussion um alle Aspekte kennenzulernen und abzugleichen; ist doch spannend über die verschiedenen Schwungarten, ihre Anwendung und die Vor- und Nachteile zu diskutieren? :wink:

Auch das Abgleichen der Begrifflichkeit finde ich sehr wichtig, da man oft dabei selbst sehr ungenau ist .... :wink:

Ich sehe schon gravierende Unterschiede in der Bewegung des Beckens zwischen einem Rennlaufschwung, einem Carving-Schwung wie Nicola gezeigt hat und einen Schwung mit Mitrotation des Beckens. Wie ich schon geschrieben habe, haben alle ihren Platz und ihre Anwendung und sind deshalb nicht richtiger oder falscher!

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LincolnLoop
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Beitrag von LincolnLoop » 11.01.2008 12:05

Das war ja keine persönliche Unterstellung, oder...!?
Es ist nur so: Jetzt wurde hier seitenlang diskutiert - und dann kommt ein absolutes Totschlagargument. So nach dem Motto: eigentlich habt Ihr Recht, aber der Rennlauf funktioniert anders.
Da bekomm ich dann immer einen kleinen Augenverdreher (ich kenne genug Leute, die so denken. Nicht nur Rennlauf -> Lehrwesen, sondern auch umgekehrt), da das einfach so nicht richtig ist. In der Verbindungslinie Rennlauf-Carving-Freeriding wirst Du von Bewegungsmustern her einfach wahnsinnig viele Gemeinsamkeiten finden.
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karntnerbua
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Beitrag von karntnerbua » 11.01.2008 14:53

LincolnLoop hat geschrieben:In der Verbindungslinie Rennlauf-Carving-Freeriding wirst Du von Bewegungsmustern her einfach wahnsinnig viele Gemeinsamkeiten finden.
... in jedem Fall die Schi ... :lol:
kleiner Scherz beiseite, selbstverständlich gibt es viele Gemeinsamkeiten, ich habe dieses Forum aber so verstanden, die heutige Bedeutung der "Gegenrotation" herauszuarbeiten.

Ich versuchs mal:

Gegendrehen / Gegenrotation: wurde früher stark verwendet (Stenmark ...), bedeutet (bewußte) Gegenbewegung des Beckens zu den Schi; wird im Rennlauf auch heute tw. verwendet, z.B. nach dem Andriften des Schwungs um Druck aufzubauen und um Linien- und Positionsfehler auszugleichen.

Taloffen: Becken und Oberkörper schauen unverdreht mehr oder weniger ins Tal und nicht in Richtung Skispitzen; ist die Regel im Rennlauf, kombiniert mit Hüftknick, um immer mehr Druck auf den Außenschi zu haben.

Mitdrehen / Mitrotation: Becken rotiert im Schwung mit (Becken folgt der Schibewegung), ist für den Rennlauf nicht geeignet, wird jedoch (bewußt oder unbewußt) dort verwendet, wenn es gilt auf Grund eines Fehlers doch noch das Tor irgendwie zu umrunden. Super für Kantenfeeling im Fun-Carving, bequeme Schwünge ohne großen Krafteinsatz und wie ich gelernt habe auch bewußt eingesetzt um Schifahren beizubringen.

Zwischen all diesen möglichen Techniken gibt es natürlich alle erdenklichen Übergänge. Entscheidend ist es für die jeweilige Situation das Richtige abrufen zu können.

Vielleicht hilft das in der Diskussion, um mehr Klarheit zu bekommen.

schisepp
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Gegendrehen-Taloffen

Beitrag von schisepp » 11.01.2008 15:28

Ich habe nun ungefähr 2 Stunden damit verwendet, eure zum Teil sehr interessanten Beiträge zu diesem Thema zu lesen und zu verdauen. Leider kann ich eine gewisse Deutsch- Österreichische Rivalität in den Artikeln herauslesen- was dem Thema sicher nicht zuträglich ist!
Es ist ja klar, dass jeder seinen Standpunkt vertreten möchte, jedoch glaube ich, dass dabei schon darauf geachtet werden muss, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Ich glaube, und da mus ich den Artikeln des "kärntnerbua`s" Recht geben, unterscheidet sich der sog. "Rennschwung" schon etwas vom "normalen" Carvingschwung!
Ich bin selbst Rennläufer und hatte heuer die Gelegenheit bei Trainings der Weltcupläufer in Sölden z.B. beizuwohnen. Und da ging es vor allem um folgende wesentliche Dinge:
1. es wird nach wie vor extrem Wert auf die Belastung des Außenschis im Schwung gelegt
2. die sog. "Taloffene Stellung" oder wie auch immer sie von euch bezeichnet wird, ist eher als Vorspannung zu betrachten, um den nächsten Schwung mit Hilfe der Fliehkräfte schneller einzuleiten
3. weiters bewirkt gerade diese Vorspannung, dass der Oberkörper richtiggehend schwerelos in den nächsten Schwung übergleitet
4. allerdings zeigen uns die Schweizer in Perfektion, dass der Schwung neuerdings mit Hilfe eines dosierten, frühen Einsatzes des Innenbeines immer früher abgekürzt wird

Weiters ist mir aufgefallen, dass die Rennläufer schon bereits in leicht versetzten Toren die Schi extrem anstellen( ganz leicht anspringen) um so noch schneller in die neue Richtung zu gelangen- das sogenannte "umlegen" der Schi ( fahren auf der Taillierung) konnte ich wirklich nur in schnellen Toren erkennen!

Sviel voresrt mal zu diesem Thema!
Freu mich auf Rückmeldungen!!

schisepp

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Hosky
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Beitrag von Hosky » 11.01.2008 16:49

Leider kann ich eine gewisse Deutsch- Österreichische Rivalität in den Artikeln herauslesen- was dem Thema sicher nicht zuträglich ist!


Würde ich nicht pauschalieren, denn der DVS liegt in dieser Sache auf ähnlicher Linie, wie es die beiden sich an der Diskussion beteiligenden Österreicher hier vertreten.

Chris als Deutscher interpretiert den DVS- Lehrplan eher offen (was ich grundsätzlich sehr gut finde!).

Martina ist Schweizerin und scheint in vielen Technikfragen mit der dortigen Verbandsrichtlinie d'accord zu gehen.

Nationalität des Diskussionsteilnehmers kann, muß aber nicht zwangsläufig mit den Ansichten des jeweiligen Verbandes übereinstimmen.

Ansonsten fällt in dieser - übrigens angenehm sachlich und kompetent geführten - Diskussion mal wieder auf, daß Begriffe am besten erstmal eindeutig definiert werden sollten, damit alle vom Gleichen sprechen - hatten wir doch inzwischen schon in soooo vielen Technikdiskussionen :wink:

@karntnerbua: gute Definition, würde ich unterschreiben

Beim Übertragen dieser Technikdiskussionen in den Skischulalltag gebe ich noch zu Bedenken, daß der Stand des Schülers entscheidend ist - einem old-School-Fahrer mit ausgeprägter Vor-Seit-Beute und Gegenrotieren würde man zB "Mitdrehen" empfehlen, um ihn zu einer taloffenen Haltung zu bringen. Einem stark mitdrehenden Skifahrer, den das zB im Kurzschwung behindert, würde man "Gegendrehen" empfehlen - nicht, weil er das tatsächlich fahren soll, sondern weil Übertreibung ein probates methodisches Mittel ist, um ihn in diesem Fall zu einer taloffenen Haltung zu führen.

Und: Verbände müssen in ihren Lehrplänen irgendwie normieren - jeder Skifahrer bringt aber andere Voraussetzungen mit. Man sollte diese definierten Normen niemals zum Credo für alle Skifahrer in allen Situationen erheben.

Sorry für OT-Einschub- schisepp hat wie ich finde recht interessante Beobachtungen beim WC-Training gemacht, werde die Diskussion gerne weiterverfolgen

Yeti
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Beitrag von Yeti » 11.01.2008 17:48

Die Diskussion gefällt mir richtig gut :P !

Ich muss leider gleich weg und bin den ganzen Abend nicht da,
aber einen Input möchte ich in die Diskussion noch schnell einbringen.

Wir betrachten im Moment ja das "Mitdrehen" etwas genauer. In den
letzten Beiträgen haben wir ja meistens davon geredet, dass die
Aussenhüfte zurückversetzt ist (entsprechend der Schrittstellung taloffen).
Diese Aussage ist leider etwas "negativ" besetzt...

Wenn man sich mal wirklich auf die reine Funktion der eigentlichen
Bewegung konzentriert, stellt man folgendes fest:
"Um einen neuen Schritt/Schwung zu machen, muss die entsprechende
(Innen) Hüfte nach vorn gebracht werden." Die Aussenhüfte bleibt somit
zwangsläufig dann "hinten".

Viel Spass beim Diskutieren... ;-)
Yeti

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Beitrag von urs » 12.01.2008 18:08

karntnerbua hat geschrieben:.... die heutige Bedeutung der "Gegenrotation" herauszuarbeiten.

Ich versuchs mal:

Gegendrehen / Gegenrotation: wurde früher stark verwendet (Stenmark ...), bedeutet (bewußte) Gegenbewegung des Beckens zu den Schi; wird im Rennlauf auch heute tw. verwendet, z.B. nach dem Andriften des Schwungs um Druck aufzubauen und um Linien- und Positionsfehler auszugleichen.
soweit einverstanden. wurde im rs in adelboden sehr schön von albrecht demonstriert, nachdem er bei einem tor zu spät dran war und voll reindriften musste.
karntnerbua hat geschrieben:Taloffen: Becken und Oberkörper schauen unverdreht mehr oder weniger ins Tal und nicht in Richtung Skispitzen; ist die Regel im Rennlauf, kombiniert mit Hüftknick, um immer mehr Druck auf den Außenschi zu haben.

Mitdrehen / Mitrotation: Becken rotiert im Schwung mit (Becken folgt der Schibewegung), ist für den Rennlauf nicht geeignet, wird jedoch (bewußt oder unbewußt) dort verwendet, wenn es gilt auf Grund eines Fehlers doch noch das Tor irgendwie zu umrunden. Super für Kantenfeeling im Fun-Carving, bequeme Schwünge ohne großen Krafteinsatz und wie ich gelernt habe auch bewußt eingesetzt um Schifahren beizubringen.
das sehe ich nicht so. das becken bleibt nur dann unverdreht, wenn es in der kurve mitdreht, ansonsten wandert es nach hinten. vielleicht verwechselst du mitdrehen mit vor- oder überdrehen. ich bin ja alles andere als ein stangen-crack. aber wir hatten immerhin kurs bei einem top-ausbildner von swiss snowsports (skischulverband), die seit einigen jahren intensiv mit swiss ski (rennsport verband) zusammenarbeiten. eines der häufigsten fehlerbilder war, dass die hüfte zuweit hinten blieb. aber vielleicht müssen wir noch den begriff "mitdrehen" definieren :roll:.

gruss urs

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Moorkuh
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Beitrag von Moorkuh » 12.01.2008 21:18

urs hat geschrieben:
karntnerbua hat geschrieben:Mitdrehen / Mitrotation: Becken rotiert im Schwung mit (Becken folgt der Schibewegung), ist für den Rennlauf nicht geeignet
das sehe ich nicht so. das becken bleibt nur dann unverdreht, wenn es in der kurve mitdreht

Und hier würde ich dich bitten, das genauer auszuführen.
Meinst du damit "vollkommen mitnehmen" (=Hüfte schaut sehr genau in die Richtung der Ski) oder "einigermaßen mitnehmen" im Sinne von "etwas mitdrehen, aber nicht ganz so weit wie die Ski selbst"?
vielleicht verwechselst du mitdrehen mit vor- oder überdrehen
Überdrehen hieße für mich: Die Hüfte über die Skirichtung bergwärts drehen (wie im Demo-Pflug von Martina gezeigt).
Vordrehen hieße für mich etwas ähnliches. Über- und Vordrehen haben für mich gemein, dass man bergwärts "schaut", wohingegen mitdrehen immer talwärts bis maximal in Skirichtung schauen meint.
Vollkommenes mitdrehen wäre hier das Maximum des Mitdrehens.

Martin

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