Expertenthema Wie kippe ich automatisch in die nächste Kurve

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
KOSTI
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Expertenthema Wie kippe ich automatisch in die nächste Kurve

Beitrag von KOSTI » 07.12.2006 17:31

Aus gegebenem Anlass aus diesem Thread:
viewtopic.php?t=7529&start=120

Es geht um das "automatisch" in 3. und 4.
KOSTI hat geschrieben:
Meine Ansicht (optimal dynamisch):
1) im Kurvenwechsel 100% altes Außenbein = 100% werdendes Innenbein (Kraftvektor sogar innerhalb (bedeutet hier „Talseitig“) des werdenden Innenbeins!!!!)
extremecarver hat geschrieben:Je weiter du rein kippst, desto kleiner wird der Radius und dadurch umso höher der Druck. Es ist ausser man übertreibt es absichtlich fast nicht möglich umzufallen dabei.
2) kurz drauf durch einsetzende Fliehkraft wird das neue Außenbein mit belastet
3) im Kurvenverlauf wandert die Belastung automatisch (Hangabtrieb + Aufkantwinkel -> Radius) bis 100% auf das Außenbein
4) ab 100% Außenbein kippen einen die weiterhin ansteigenden äußeren Kräfte über das noch Außenbein hinweg, dieses wird in diesem Moment (Umkantphase) zum Innenbein und ist zu 100% belastet.
Goto 1.
nicola hat geschrieben:
paul kuhn hat geschrieben: Geht das automatisch?
Ich habe die Wiener Skimodelle bisher nur eine Kurve fahren sehen. Können sie ohne Eingreifen mehrere Schwünge aneinanderreihen, allein aufgrund der äußeren Kräfte? Hat das schon mal jemand von euch gesehen?
ja - hans zehetmayer hat mir ein modell versprochen, sobald ichs habe werde ich einen film ins web stellen!
Was ist mit Herberts Betonklotz auf Ski?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der nur eine Kurve hin bekommt, in den Hang hinein fährt und dann stehen bleibt.
ja klar, es braucht ja irgendein gelenk zum kippen!
Mir geht's also wie Urs, dem „automatisch“ kann ich mich nicht anschließen.
s.o.
Hier wird aber mal wieder ein besonders interessantes Thema tangiert. Walther Kuchler sprach seinerzeit in der ihm ureigenen Sprache von der „Melodie des Bewegens und Bewegtwerdens“. Was geschieht aufgrund der äußeren Kräfte und was geschieht aufgrund körperinterner Kräfte.
wenn wir beim obigen bild bleiben übernimmt der körper viel "haltearbeit" und die steuerung - aufkantwinkel, bzw. das balancieren und austarieren, aber das hat kosti ja schon viel weiter vorne beschrieben - je nach situation von den zehenspitzen bis zu den ohrwascheln.
Viel Spass beim diskutieren
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und den hier http://www.freeride.eu/img/review/large/1005.jpg

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Beitrag von nicola » 07.12.2006 19:14

@kosti- äpfel zu äpfel - birn' zu birn' :wink:
es funktioniert tatsächlich. nur wer will sich schon mit einem starren modell mit zwei gelenken vergleichen. da der schwerpunkt nicht (oder kaum) über die skies hinauswandert und das gelenk links und rechts einen anschlag hat, funktioniert es auch relativ langsam. interessant wäre sicher, die druckverteilung auf den skies zu messen.
das mit der druckverteilungsmessung ist interessant und komplex - vor allem für die skientwicklung!

aber jetzt müssten wir ja schon einen nächsten - zwetschken? - thread aufmachen.

ich finde, dass es äusserst positiv ist, die äusseren kräfte und ski und körper zusammenwirken lassen zu können. im gegensatz zu hans' mandln (skimodelle) können wir ja dadurch erst in den genuss der feinsteuerungsmöglichkeiten kommen! (war das jetzt wieder apfel :wink: )
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Re: Expertenthema Wie kippe ich automatisch in die nächste K

Beitrag von urs » 07.12.2006 20:11

KOSTI hat geschrieben:Es geht um das "automatisch" in 3. und 4.
da ich an dieser "automatik"-diskussion nicht ganz unschuldig bin, wag ich mich mal mit einigen gedankenspielen vor.

zunächst mal: was bedeutet für mich in diesem zusammenhang automatisch?
extremecarver hat geschrieben:Je weiter du rein kippst, desto kleiner wird der Radius und dadurch umso höher der Druck. Es ist ausser man übertreibt es absichtlich fast nicht möglich umzufallen dabei.
snowboard (oder skwal) scheinen mir als modell etwas einfacher. automatisch wäre für mich, wenn ein initiales leichtes kippen genügt und ich mich anschliessend mit einer gleichbleibenden körperspannung "fallen" lasse. bauen sich die kräfte wirklich so auf, dass es mich wieder aufstellt? in diesem fall wäre eine automatik gegeben. funktioniert dies gleichgültig vom initialen aufkantwinkel, von der hangneigung und vom eigenen gewicht?

nehmen wir an, dies würde tatsächlich funktionieren. beim ski kommt erschwerend hinzu, dass ich zwei auflageflächen habe (ausser ich fahre alles auf dem innenski, dann wären wir aber wieder beim skwal / sb). das wandern der belastung vom innen- auf den aussenski geschieht ja nur, wenn der aufkantwinkel nicht entsprechend den auftretenden flieh- und abtriebskräften zunimmt. hier bezweifle ich bereits, dass dies ohne mein zutun geschieht. würde ich z.b. das innenbein vollkommen neutral "einschlafen lassen" (@paul: stammt von sepp bürcher / rtc), müsste m.e. die belastung auf diesem ski gleich bleiben, d.h. sie wandert nicht. oder umgekehrt: beginne ich den schwung mit 100% auf dem aussenski, bleibt die kraft auf dem aussenski, beginne ich ihn auf dem innenski, bleibt sie auf dem innenski.

gruss urs

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Beitrag von Herbert Züst » 08.12.2006 09:39

Unter automatisch verstehe ich: ohne grössere Kraftanwendung meinerseits, also nur unter Ausnutzung der Fliehkraft und der Massenträgheit und nicht durch das von mir schon mehrfach angedeutete strecken des Innenbeines.
Also um das aufrichtende Moment (Fliehkraft mal Abstand Körperschwerpunkt zum Ski) zu vergrössern, habe ich zwei Möglichkeiten, entweder ich erhöhe die Geschwindigkeit oder ich verkleinere den Radius.
Da ich am Ende der Kurve die Geschwindigkeit nicht mehr erhöhen kann, bleibt folglich nur noch die Verkleinerung des Radius und dies geht bei einem Carving Ski nun einmal über stärkeres Aufkanten und stärkeres Durchdrücken. Dies sieht dann so aus, dass ich zuerst eine Verengung der Kurve durch eine Art Einlenken herbeiführe. Dieses Einlenken bewirkt einerseits eine Erhöhunh der Fliekraft (Fz= m x v² / r) durch verkleinern des Radiuses, anderseits aber auch eine plötzliche Richtungsänderung und diese ergibt infolge der Massenträgheit (J= Integral r² dm) ein zusätzliches aufrichtendes Moment. In der Praxis sieht es dann so aus, dass ich den Aufkantwinkel kurz erhöhe um mich so auf die andere Seite kippen zu lassen. Achtung bei höheren Geschwindigkeiten und zu schnellem Aufkanten erhöhen sich die Kräfte wie in einer Kettenreaktion sehr schnell und werden gerne unkontrollierbar, was zu einem katapultartigen aus der Kurve fliegen führt.

Gruss Herbert

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Beitrag von Herbert Züst » 08.12.2006 11:36

Hier noch eine Frage die das oben geschriebene twas verständlicher machen könnte:

Wieso muss ich beim Fahrad- und besonders beim Motorrad -Fahren, nach links lenken, wenn ich eine Kurve nach rechts machen will ?

Gruss Herbert

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Beitrag von Lothar » 08.12.2006 11:56

Herbert Züst hat geschrieben: Wieso muss ich beim Fahrad- und besonders beim Motorrad -Fahren, nach links lenken, wenn ich eine Kurve nach rechts machen will ?
Herbert, ich bin kein Physiker und auch kein Dipl-Ing, allerdings sitze ich häufig oft dem Bike. Also, wenn ich eine Rechtskurve fahren will, lenke ich auch nach rechts bzw. lege mich nach rechts in die Kurve.

Oder meinst du, dass man manchmal KURZ VOR der Kurve in die entgegengesetzte Richtung lenkt um den Kurvenradius zu vergrößern?

EDIT: Ein Missverständnis raus genommen
Zuletzt geändert von Lothar am 08.12.2006 12:22, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von urs » 08.12.2006 12:10

Herbert Züst hat geschrieben:Wieso muss ich beim Fahrad- und besonders beim Motorrad -Fahren, nach links lenken, wenn ich eine Kurve nach rechts machen will ?
salü herbert

ot: ich bin kein physiker, weiss einzig, dass es mit kreiselkräften zu tun hat. mit dem rennrad funktionierts wunderbar. wenn ich den lenker leicht nach links drücke, kippt das rad automatisch nach rechts und ist in der kurve erst noch stabiler. probiers einfach mal aus.

gruss urs

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Beitrag von Hosky » 08.12.2006 12:37

Shit, hier im Stubai ist alles zu wegen Sturm. Nix mit Belastungswechsel, Innenbeineinfahren und Kippen üben :( . Also halt wieder etwas Theorie :wink:

Zum Umkippen habe ich im Belastungswechsel-thread schon geschrieben:
Hosky hat geschrieben:...Am Kurvenende habe ich so oder so eine hauptsächliche Außenbeinbelastung (die Zentrifugalkraft trägt mich ja nach außen, wozu gegenwirken?), egal ob ich die Kurve über den Innenski oder den Aussenski eingefahren bin. Außerdem stehe ich am Schwungende mit dem Schwerpunkt etwas weiter hinten, was zum zusätzlichen Druckaufbau auf dem Außenbein führt, ein leichtes "Zumachen" der Kurve. Das braucht gar nicht extrem gefahren zu sein, um das nötige Moment für das Umkippen zu erzeugen:

Den zusätzlichen Druck beim Zumachen kann man nun entweder mit dem Aussenbein aufnehmen und mit stärkerer Kurvenlage wieder ins Gleichgewicht kommen, dann fährt man die Kurve eben weiter. Oder man korrigiert eben nicht mit zusätzlicher Schräglage, dh der Schwerpunkt wandert automatisch über den Ski nach außen und führt zum Umkippen. Dies kann ich mit Aufstehen über dem (alten) Innenbein am Kurvenende unterstützen (cross over), muß es aber gar nicht unbedingt, da das Zumachen mich automatisch nach außen und damit in Richtung der neuen Kurve trägt. Dann lasse ich die Beine ohne mich aufzurichten unter mir durchwandern (cross under).

In jedem Fall muß ich beim Umkippen meine Lage wieder korrigieren, um von der Fersenbelastung am Kurvenende zu einer Ballenbelastung am Kurvenanfang zu kommen, damit die Schaufel frühzeitig greift. Dies ist mit Aufrichten imho einfacher als beim cross under.
Das "Zumachen" kann man bezüglich der Schwerpunktsverlagerung relativ zur Kippachse mit dem kurzen Gegenlenken vor der Kurve beim Fahrradfahren imho vergleichen. Man erzeugt ein Moment, durch das der Schwerpunkt durch die Trägheit des Körpers auf die "richtige", neue Seite verschoben wird (insofern man es zuläßt und den Druck eben nicht mit dem Aussenbein durch stärkeres Aufkanten abfängt).

Der Hangabtrieb und die wirkenden dynamischen Kräfte in dieser Kurvenphase unterstützen das. IMHO ist das Kippen aber auch ohne dieses Zumachen möglich (kann also "automatisch" nur durch Hangabtrieb und Zentrifugalkraft funktionieren), dann aber weniger dynamisch.

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Beitrag von nicola » 08.12.2006 12:44

hi - imo - die sache (kreiselkräfte) mit dem lenken von zweirädern - umgekehrtes lenkverhalten oder lenkimpuls - hat nichts mit dem in die kurve kippen beim skifahren zu tun.
nicola

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Beitrag von Hosky » 08.12.2006 12:59

Warum nicht? Ich finde insofern schon, daß man durch eine Gegenbewegung einen Impuls erzeugen kann, der bewirkt, daß der Schwerpunkt über die Kippachse wandern kann.

Wenn ich mit dem Bike Slalom fahre und die Kurve gegen Ende zumache ohne mich weiter reinzulehnen, unterstützt das eben auch den Kurvenlagenwechsel durch Erhöhung der Zentrifugalkraft bei kleinerem Radius.

Da beim Skifahren aber der Hangabtrieb hinzukommt und - ich glaube da waren wir uns einig - die Belastung im Kurvenverlauf stärker auf den Aussenski wandert, kommen hier eben noch zusätzliche Aspekte zum tragen.

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