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von Martina » 18.12.2003 10:44
Meiner Meinung nach ist gerade in deiner Situation der Pflug mehr als angebracht.
Der Pflug vermittelt dir doch die Sicherheit, in den allermeisten Situationen bremsen zu können, oder?
Wird es dir ganz plötzlich zu schnell, so ist es koordinativ deutlich schwieriger, seitlich abzuschwingen. Und auch wenn es klappt - du beschreibst es als "bergwärts fahren" - ist es nachher nicht allzu einfach, "wieder in Schwung zu kommen".
Es ist immer extrem schwierig, eine "trockene Ferndiagnose" zu stellen, d.h. dich aufgrund eines schriftlichen Postings zu beraten, aber ich kanns ja versuchen und vielleicht werden noch andere helfen.
Pflug
Wer hat dir in den Kopf gesetzt, dass man nicht pflügen soll? Überleg dir mal: Warum willst du vom Pflug weg?
Ich nehme an, das Problem ist nicht der Pflug an sich, sondern es ist so, dass du, sobald es schwieriger (steiler, eisiger, enger...) wird, den Pflug zu Hilfe nimmst, dich verkrampfst, Angst bekommst.
Stimmt das?
Wenn ja: Das Problem ist nicht der Pflug, sondern dass du Angst bekommst, dich verkrampfst.
Also: Fahr mit Pflug, fahr ohne Pflug. Achte einfach nicht darauf. Die Kurven machst du vermutilch eh nicht anders, ob die Ski nun in Pflugposition sind oder parallel. Der Pflug ist bei dir (und vielen anderen) höchstwahrscheinlich einfach eine Methode, das Tempo zu verringern.
Wird es dir zu schnell, dann: Pflug. Wird es dir nur ein kleines bisschen zu schnell, so reicht auch ein winziger Pflug (kleiner Winkel) - und du fühlst dich sicherer!
Der Pflug verschwindet von selbst, sobald er nicht mehr notwendig ist (insofern du nicht gelernt hast, dass man Kurven im Pflug mit einer anderen Technik auslöst als parallel, aber vergiss das, das machst du ja eh nicht, davon bin ich überzeugt)
Wieder einmal eine Randbemerkung für alle Männer: Für Frauen ist pflügen nicht so ein Murks wie für euch, also schliesst nicht von euch auf die Frauen! Wir können meist sehr entspannt pflügen!
Skilänge
Wie lange sind die Ski, die du normalerweise fährst?
In deiner Situation können sehr kurze Ski (<150cm) eine grosse Hilfe sein, weil du sie einfach sehr viel leichter koordinieren kannst, leichter "um die Kurve bringst" und weil man mit viel weniger Aufwand vom Parallelen in den Pflug und zurück kommt.
Versuchs ruhig mal mit 110cm oder 120cm, wenn du nicht zu gross und schwer bist ausnahmsweise auch mit Jugendskis (weil man Skis in dieser Länge hier sonst schwer kriegt).
Von Blades oder gar Big Foot würde ich - in deinem Fall - eher abraten, da sie unruhig sind und man damit nicht recht pflügen kann, was ich für dich aber hilfreich finde.
Verkrampfung
Hier sind wir wohl beim Hauptproblem: Du bekommst Angst, du verkrampfst dich, du krallst dich mit den Zehen fest.
Dann geht natürlich gar nichts mehr.
Zuerst eine Beruhigung, die dir aber vermutlich nicht viel hilft: Du bist nicht allein damit. Ein sehr grosser Teil der Skifahrer krallt mit den Zehen und du hast den meisten sogar noch voraus, dass du es selbst gemerkt hast.
Das zeigt, dass du eine sehr gute Körperwahrnehmung hast, was sehr hilfreich ist.
Mein üblicher Tip bein "Krallern", nämlich mit offenen Schuhe zu fahren, würde ich dir nicht empfehlen - es würde dich noch unsicherer machen.
Darum für dich: Nach Möglichkeit Stellen, die dir schwierig erscheinen, vermeiden. Leichte, breite, übersichtliche Pisten Pisten wählen, die du kennst. Langsam fahren. Sehr weite Schwünge, d.h. Kurven mit sehr grossen Radien. Wenn eine Stelle kommt, vor der du Angst hast (enger, steiler, viele Leute,...): vorher anhalten. Ruhig durchatmen. Mit jemandem etwas plaudern. Die Stelle genau anschauen: Wo möchte ich die Kurve machen?
Dann losfahren, im Pflug, die Kontrolle behalten. Eine Kurve fahren, anhalten. Durchatmen. Nächste Kurve anschauen, losfahren, Kurve fahren, anhalten. etc.
Piste
Wie bereits geschrieben, wähle breite, flache, übersichtliche Pisten. Du musst keine Heldetaten vollbringen. Du kannst den ganzen Tag die gleiche Piste fahren, das ist egal. Es macht auch nichts ,wenn du den ganzen Tag für zwei Abfahrten brauchst.
Fahr gar nicht erst, wenn es voll ist. Fahre am frühen Morgen, in der Zwischensaison (soweit möglich), unter der Woche.
Lass dir Zeit. Versuche, das Schöne zu sehen: Die klare Luft, der Schnee, vielleicht der blaue Himmel. Du kannst auch mal eine längere Pause am Pistenrand machen, die Ski ausziehen, ausruhen.
Begleitung
Ideal ist es, wenn du den/die ideale Skibegleitung findest. Du brauchst nicht in erster Linie einen Kurs, sondern eine Begleitung, die dir Sicherheit vermittelt. Aber wo diese Person finden? Die gibts leider nicht wie Sand am Meer.
Sie/er muss/sollte:
1. dir sehr sympathisch sein
2. dir Vertrauen vermitteln
3. selber sehr sicher skifahren
4. viel Zeit haben und nicht lieber selber fahren wollen
5. das Gebiet gut kennen inkl. "schwieriger Stellen" für Anfänger auf einfachen Pisten
6. alle möglichen Hilfestellungen kennen
Zu 1.+2.
Das musst du natürlich selber beurteilen. Du kannst mal Glück haben, einen solchen Skilehrer zu finden... es muss nicht zwingend jemand sein, den du gut kennst.
zu 3. + 6.
Nur jemand, der sehr sicher fährt und sich absolut nicht auf sich selber konzentrieren muss, kann sich voll dir widmen.
Die Steigerung davon ist 6. - Es gibt diverse Mittel, dir zu helfen: rückwärts voraus fahren (vermittelt enorme Sicherheit!), an einem Ring festhalten, an zwei parallel gehaltenen Stangen festhalten, die Hand halten, die Skispitzen halten etc.
Um diese Hilfen aber im richtigen Moment sinnvoll einzusetzen braucht man viel Erfahrung und grosse eigene skifahrerische Sicherheit.
zu 4.
Falls du mit Kollegen fahren möchtest: Lass sie selber zuerst sich austoben, also mindestens ein paar Abfahrten fahren. Solange jemand lieber noch selber fahren möchte, kann er dir keine Hilfe sein.
An diesem Punkt scheitert auch meist die Hilfe durch den PArtner... davon würde ich eh eher die Finger lassen!
zu 5.
Wenn jemand jede Bodenwelle einer Piste kennt und schon mit x Anfängern und ängstlichen FahrerInnen dort gefahren ist, weiss er genau, wo die Probleme auftauchen und kann entsprechend reagieren.
Diese Leute sind meistens die Skilehrer, denn wer fährt sonst regelmässgig mit Einsteigern die einfachsten Pisten?
Skikurs
Es ist klar, dass ein gewöhnlicher Skikurs dir nichts hilft. Dort geht es hauptsächlich um die technische Vermittlung des Skifahrens ("böse" gesagt).
Gehst du aber zu einer Skischule und schilderst dein Problem und erklärst genau, was du vom Skilehrer erwartest, dann sollten die dir jemand entsprechendes vermittlen können. Das geht aber fast nur in einer Privatlektion und eben, fürdie Sympathie und das Vertrauen kann keiner garantieren!
Ich kann dir aber sagen, dass du bei weitem nicht die einzige mit diesem Problem bist. In stärkerer oder schwächerer Form trittdas in jeder Einsteigergruppe auf und einige Leute werden es nie los. Die fahren dann entweder jahrelang ängstlich und verkrampft (kein Vergnügen) oder geben das Skifahren wieder auf . Schade, denn mit wenig Aufwand kann ihnen (und dir natürlich auch) meist viel Sicherheit vermittelt werden!
Ich hoffe, das hilft ein bisschen...
Sonst frag ruhig weiter und berichte von deinen Erfahrungen!
Oft kommt die ganze Situation von falschen Bildern oder Ideen, die man im Kopf hat ("Ich kann doch parallel fahren!", "Jetzt fahre ich schon zum dritten Mal diese Piste, jetzt muss es endlich eine schwierigere sein!" "Ich bn doch sonst nicht unsportlich" etc.)
Viel Erfolg und vor allem viel Vergnügen!