Ist driften "böse"....?

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
Martina
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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Martina » 02.12.2011 12:28

Herbert Züst hat geschrieben:Hallo Martina
Wann gehen wir einmal geräteadäquat Bruchharschfahren, oder der Mesmer Kamin mit über 100 % Gefälle wäre doch auch einmal etwas für geräteadäquates Skifahren. :-D :-D

Gruss Herbert
Dass es ausser "geräteadäquat" (also: dem Gerät angepasst) auch noch "der Situation angepasst" gibt, habe ich als selbstverständlich vorausgesetzt.
Trotzdem fährt man mit einem heutigen Ski auch die oben genannten Situation sinnvollerweise nicht mit einer Technik aus den 60er, 70er oder 80er Jahren.

Dass es keine Weltcupfahrer gibt, die mit über 8jährige skifahren angefangen haben, hat verschiedene Gründe:
- Um regelmässig skifahren trainieren zu können, muss man fast in der Nähe von Skigebieten wohnen (es gibt Ausnahmen, aber die kommen meist aus skiverrückten Familien). Und Kinder, die in solchen Gegenden wohnen, lernen normalerweise alle früh skifahren. Es ist so normal wie radfahren.
- Das ganze Skirennwesen ist so aufgebaut, dass es fast nicht anders geht als dass man schon als Kind in Rennkadern fahren muss, wenn man sich "nach oben arbeiten" will. Auch Spätzünder haben wenig Chancen, sich noch etablieren zu können. (auch hier gibt es wenige Ausnahmen)
- Leider ist es meist so, dass ein erfolgreicher Skirennfahrer eine auch Ski-affine Familie im Hintergrund haben muss. Es müssen Ski gekauft, präpariert und das Kind zu den Rennen gefahren werden. Und Kinder aus solchen Familien lernen nun mal normalerweise früh skifahren.

Es gibt aber gerade in der Schweiz gar nicht so selten das umgekehrte: Kinder, die früh gut ski gefahren sind, sich dann aber mit "über 8 Jahren" einer anderen Sportart zugewandt haben und dort sehr erfolgreich geworden sind. Eine ist die Anita Weyerman (Schweizer Mittelstreckenläuferin), ein anderer C.Micheli, ein Eishockeyspieler. Es gibt noch etliche mehr, die mir natürlich im Moment nicht einfallen.

Es gibt in der Entwicklung des kindlichen Bewegungslernens sogenannte "Fenster", in denen bestimmte Bewegungsarten besonders gut gelernt werden. Wenn diese gut genutzt werden, dann kann das dort gelernte auch übersetzt werden. Allerdings ist es notwendig, sehr genau zu wissen, was ein Skifahrer können muss, damit die nötigen Voraussetzungen wo anders als beim skifahren gelernt werden können. Und gerade Skifahren ist sehr spezifisch, deswegen kann man ja auch als Freizeitskifahren nicht bsonders gut spezifisch auf 'S skifahren vorbereiten. Ausserdem muss ein guter Skifahrer (und besonders ein guter Rennfahrer) noch etliche andere Voraussetzungen mitbringen als ein gutes Bewegungsrepertoire (z.B. Mut, intuitive Reaktion, Nutzung aller Sinnesorgane, bestimmte anatomische Voraussetzungen etc.)

Und ja, selbstverständlich ist es viel schwieriger, Skifahren als Erwachsener zu lernen als als Kind! Aber es ist nicht so, dass man nicht noch "sehr gut" werden kann, wenn man "über 8 Jahre" beginnt. Bei einem über 40jährigen, der ansonsten 1x/Woche joggen geht, ist es natürlich schwieriger...

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von ImpCaligula » 02.12.2011 12:59

Ich freue mich, dass der Thread euch so gefällt und eine rege Beteiligung hier statt findet. Aber verzeiht :D ... es geht gerade in eine Richtung, welche eigentlich nicht die Ausgangslage war / ist für mich. Die Frage ist - ist driften "böse" oder anders gesagt, ist "driften" (oder andere eigene Techniken" so verpönt, dass man diese Skifahrer "abwertend" betrachtet und missionieren "muss".

Eines vorweg. Natürlich nehme ich beate, martina urs und Co ab - dass wenn sie auf nicht so technisch sichere Fahrer treffen, hier Hilfestellungen gegeben werden, weil man helfen will. Und mitnichten glaube ich, dass solche Leute sich über Andere "lustig" machen! Also - beate, urs, martina und die "Anderen" - fühlt Euch nicht gleich angesprochen von den folgenden Zeilen.

Ausgangsfrage ist für mich - wieso werden Fahrer/inen mit alter Technik, oder Drifttechnik oder sonst etwas als Fahrer/inen 2ter Klasse angesehen. Mag sein, wenn jemand diese Zeilen liest, nicht von sich aus... aber ich erlebe eben dies sehr oft. Um nur ein paar Beispiele zu erwähnen.

Ein Skilehrer hat mal in der Auffahrt zum Berg in der Gondel zu mir gesagt... "jetzt schau Dir die mal alle an, meinen sie würden carven und dabei können die gar nix...!" Während dem Kurs hat er mir noch den einen oder anderen Skifahrer gezeigt auf der Piste und weitere abwertende Bemerkungen zu dessen Technik mitgeteilt... kann er nicht mir einfach zeigen wie es geht und andere Fahrer aus dem Spiel lassen? Was wenn die gezeigten Fahrer mit dem was sie können und fahren zufrieden sind? Und das war bis dato nicht der einzige Skilehrer, der sich mehr oder weniger abwertend verhalten hat.

Ich gehe ja oft in Skiausflüge mit Gruppen. Ich war also letztes Jahr übers WE mit dem Bus und einer Gruppe weg, wo auch Skilehrer dabei waren. Ich hatte einen klasse Tag. War sehr zufrieden mit mir. Bin alleine gefahren. Aber einer der Lehrer muss mich auf der Piste gesehen haben. Abends kam er unaufgefordert / ungefragt zu mir und die ersten Sätze waren "... also Jörg, wenn Du richtig fahren willst, dann musst Du....!" ... Was muss ich? Muss ich wirklich? Muss ich ungefragt missioniert werden? Darf ich nicht so fahren, wie ich gerade will?

In einer Gruppe in einer Skihütte war ein Kumpel von mir dabei. Der rutscht und driftet durch das Gelände. Fährt aber sicher und kennt seine Grenzen. aus meiner Sicht alles ok. Der Kerl hat sich einfach gefreut endlich mal wieder Urlaub zu haben und ein WE einfach nur Ski zu fahren. Aber auf der Piste sind alle paar Stunden aus der Gruppe die "stärkeren" Skifahrer zu ihm gekommen - wenn er mal angehalten ht - und versuchte ihm zu erklären, was er falsch mache und wie es besser geht. Wohlgemerkt - er hatte keine Probleme mit den Pisten, er hat um keine Meinung gefragt, er wollte einfach nur in seiner Freizeit Skifahren. Und alle paar Augenblicke meinte einer der Mitfahrer ihm erklären zu müssen, was er da alles falsch mache. Er beugte sich den Druck, verbog sich und versuchte während dem ganzen WE irgendwelche Tipps nach zu machen. Was am Ende zu einer etwas unwilligen Laune führte - so kann man jemanden auch das WE verderben... wieso muss man den mann missionieren? Wieso fühlen sich vermeintlich "stärkere" Skifahrer dazu auserkoren mit ihrem "Können" andere zu beurteilen oder zu missionieren?

Auch hier im Forum habe ich mal zu einem Ski einen Kommentar über einen Ski losgelassen a la - dass ich den "in der Kurve" super finde - wobei ich mir gleich einen Rüffel abholte, dass ich das als Anfänger gefälligst nicht beurteilen kann und eh die meisten sowieso so eine Beurteilung über einen Ski sich schenken könnten, denn die Masse driftet eh mehr als dass sie auf der Kante carvt - und hat damit sich bei solchen Beurteilungen zurück zu halten - so was bitte den "richtigen Skifahrer" überlassen...

Ich könnte meine Liste fortführen...


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Natürlich ist dieses Forum carving-lastig. Heißt ja auch Carving-Ski... ich beschwere mich in einem Friesen Pferdeforum ja auch nicht, dass es nur um Friesen geht und Oldenburger zu wenig Beachtung finden. Und wenn jemand ein Video rein stellt und seine Carving Technik zur "Beurteilung" frei gibt - ist es klar - dass andere sich objektiv kritisch dazu äußern...

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Aber wieso ist es so verpönt so zu fahren wie man will? Wieso wird missioniert? Wieso darf man sich dann nicht als "richtiger" Skifahrer fühlen?
Streut Kaviar unters Volk, damit der Pöbel ausrutscht... !

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Dani67 » 02.12.2011 13:00

NeusserGletscher hat geschrieben:
Dani67 hat geschrieben:Diese angesprochene Feinmotorik ist eigentlich nicht mehr lernbar im fortgeschrittenen Alter.
Das sehe ich anders. Vor ein paar Jahren habe ich mir zu Trainingszwecken einen Sportkreisel gekauft. Anfangs war ich darauf ziemlich unsicher. Mittlerweile mache ich darauf sogar Kniebeugen.
Glaub ich Dir gerne, der letzte Zacken Feinmotorik und die höchst möglichste Selbstverständlichkeit ist aber nicht mehr möglich. Oder anders gesagt die volle Ausnützung deiner persönlichen Möglichkeiten kannst Du nur erreichen wenn Du von jung an dran bist.

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von NeusserGletscher » 02.12.2011 13:09

Dani67 hat geschrieben:der letzte Zacken Feinmotorik und die höchst möglichste Selbstverständlichkeit ist aber nicht mehr möglich
... wie für abertausend andere auch, die früh von Kindesbeinen an beispielsweise Skifahren oder Golfen gelernt haben und trotzdem nie über ein bestimmtess Mittelmaß hinauskommen, weil es ihnen an Zeit, Gelegenheit, Talent, Förderung oder was auch immer fehlte.

Wenn wir einmal von diesen Ausnahmetalenten absehen dann werden die Unterschiede zwischen Früh- und Späteinsteigern doch sehr klein, oder?
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Dani67 » 02.12.2011 13:37

@ NeusserGletscher

Ja und Nein

Wenn Du eine blaue Piste nimmst dann sind mindestens für normale Augen sehr viele Skifahrer auf einem guten Level unterwegs, hier kann zumindest ich nicht auf die schnelle beurteilen wer seit Kind und wer erst später begann.

Es gibt aber Situationen Pisten und/oder Verhältnisse oder auch Off-Piste wo ich mir erlaube zu sagen, dass die Leute welche locker drauf sind fast ausschliesslich seit Kindstagen fahren. Es ist aber auch richtig, dass nicht alle welche seit Kindstagen fahren auch zu dieser Gruppe gehört.

Aber wie bereits erwähnt, fahren kann jeder so wie es ihm Spass macht

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von skifossil » 02.12.2011 13:55

Martina hat geschrieben: Bei meinen Kindern ist mir deshalb wichtig, dass sie eine Sportart betreiben, die vielseitiges Bewegungslernen ermöglicht. Ich halte das für gesund und für alles weitere im Leben eine solide Grundlage.
Das ist mittlerweile auch sportwissenschafliche Lehrmeinung. Kinder/Jugendliche, die auf den Leistungssport vorbereitet werden oder diesen betreiben, werden "ganzheitlich" ausgebildet. Eine zu frühe Fokussierung auf eine Disziplin führt zu suboptimalen Ergebnissen.

Deshalb ist es auch möglich, im "Alter" noch neue Sportarten auf hohem Niveau zu erlernen. Wer als Kind jedoch keinen Sport getrieben hat und bewegungsfaul war, der wird Schwierigkeiten haben.

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Martina » 02.12.2011 14:09

ImpCaligula hat geschrieben:Ein Skilehrer hat mal in der Auffahrt zum Berg in der Gondel zu mir gesagt... "jetzt schau Dir die mal alle an, meinen sie würden carven und dabei können die gar nix...!" Während dem Kurs hat er mir noch den einen oder anderen Skifahrer gezeigt auf der Piste und weitere abwertende Bemerkungen zu dessen Technik mitgeteilt... kann er nicht mir einfach zeigen wie es geht und andere Fahrer aus dem Spiel lassen? Was wenn die gezeigten Fahrer mit dem was sie können und fahren zufrieden sind? Und das war bis dato nicht der einzige Skilehrer, der sich mehr oder weniger abwertend verhalten hat.
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach:
Skilehrer sind nicht immer die hellsten!

Etwas komplizierter: Einerseits wird man in den Ausbildungskursen darauf getrimmt, Fehlerbilder zu erkennen. Danach kennen viele nur richtig/falsch. Dass man auch über den Tellerrand hinausschauen kann (= dass es verschiedene "richtig" und auch "ist mir nicht wichtig" gibt), lernt man eher durch (Lebens-)erfahrung und Austausch.
Andererseits wird man als Skilehrer immer wieder mit Möchtegerncracks konfrontiert. Dh. Leute, die sich selber ganz toll finden, es eher nicht sind, dies aber von einem Skilehrer hören wollen - am liebsten kumpelhaft bei einem Bier, eher nicht in einer bezahlten Stunde.

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Dani67 » 02.12.2011 14:11

im "Alter" so mit 10-12 Jahren? Wenn ja, dann bin ich ganz bei Dir

Niveau - da kann man wieder ohne Ende diskutieren ab wann ist das Niveau gut, ist es überhaupt erstrebenswert gut zu sein

Es gibt auch etliche Sportarten wo ein frühes Einsteigen keinen Sinn macht, zum Bsp. Marathonlauf

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Herbert Züst » 02.12.2011 14:24

Dass man auch über den Tellerrand hinausschauen kann (= dass es verschiedene "richtig" und auch "ist mir nicht wichtig" gibt),
Und was lernen die in Stufe III ?

Gruss Herbert

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Re: Ist driften "böse"....?

Beitrag von Bodo » 02.12.2011 14:35

Hallo Jörg,
da ist dir aber ne Laus über die Leber gelaufen. Am Skihang gibt es eine Möglichkeit, einem Kommentar aus dem Weg zu gehen, fährst einfach los. Dass ein Skilehrer auch mal einen anderen Skifahrer als gutes oder schlechtes Beispiel benutzt, finde ich nicht ehrenrührig sondern total i.O. Wenn du keinen Privat- sondern Gruppenunterricht nimmst, kannste nicht verlangen, dass der Lehrer deine Fehler hinter vorgehaltener Hand mitteilt. Im übrigen hindert dich ja sicher niemand so zu fahren, wie du es für richtig hältst. Ich bin immer an Tipps von guten Skifahrern oder Skilehrern interessiert.

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