Frage zum Bewegungsspielraum

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
Benutzeravatar
NeusserGletscher
Beiträge: 2102
Registriert: 30.01.2008 15:59
Vorname: Peter
Ski: ein paar zu viel
Ski-Level: 042
Skitage pro Saison: 20
Wohnort: Dorf an einem Bach

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von NeusserGletscher » 12.10.2009 12:53

nicola hat geschrieben:wann, wo, wie in welchem umfang das zweckmässig ist kann aus so einer grafik nicht hervorgehen.
Womit wir wieder bei meiner Frage aus dem Eröffnungsbeitrag sind. Wann macht es Sinn, sich so zu bewegen?

Im steilen Gelände jedenfalls nicht, weil man zu viel Zeit verliert. Vielleicht im Sulz oder im Tiefschnee?

Gruß

Peter
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.

Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Martina » 12.10.2009 13:23

Ich vermute dass dein Eindruck, mehr Druck auf die Schaufeln zu bringen, wenn du die Gelenke beugst daher rührt, dass der Schwerpunkt dabei nach vorne verlagert wird.
Dagegen spricht nichts, es spricht aber auch nichts dagegen, das anders zu machen. Was Sinn macht, kommt auf die Situation an.
Wichtig ist nur: Es ist nicht in jedem Fall so.

Das "wo entsteht Druck bei welcher Bewegung" ist ein Kernpunkt des Skifahrens. Allerdings kann man sehr schlecht darüber diskutieren - je nach Situation ist es völlig anders. Denn der Witz am Skifahren ist ja, dass man gleitet, in Bewegung ist, der Untergrund, die Neigung, der Widerstand usf. immer wieder anders ist.
Man muss es erfühlen und instinktiv darauf reagieren (lernen).
Wirkungsvoll sind hier m.E. oft Übungen, die einem bewusst machen, was man macht (z.B. Wo am Fuss spürt man Druck in welchem Moment der Kurve?) bzw. Übungen, die einem diesbezüglich mal was neues ausprobieren lassen (z.B. "beim beugen versuchen, auf die Fersenballen zu stehen -> was passiert?").

Du könntest z.B. mal versuchen, dich beim Beine strecken mit den Zehenballen "hochzudrücken" - und sehen was passiert.

Das alles ist völlig wertungsfrei - ich sage nicht, es ist gut oder schlecht was du machst! Schliesslich sehe ich dich nicht fahren!
Würde ich sehen und es zeigte sich irgend ein Problem (Ski flattert, Kante greift zu "langsam", Ski drehen ungleich etc.), dann könnte man an solchen Bewegungen herumtüfteln und herausfinden, ob es etwas ändern würde.

Soweit ich sehe, will Uwes Graphik nur zeigen, dass man nicht nur "die Knie beugt", sondern dass beim Beine beugen mehrere Gelenke involviert sind.
Bei Graphiken muss man fast immer von Vereinfachungen ausgehen, weil man etwas bestimmtes deutlich machen möchte. Ich hoffe, niemand erwartet, dass man beim Skifahren genau so eine Bewegung machen muss!

Benutzeravatar
nicola
Beiträge: 3098
Registriert: 07.06.2001 02:00
Vorname: nicola
Ski: edelwiser
Ski-Level: 007
Wohnort: Wien - 48° 23' 95'' N - 16° 38' 41'' E
Kontaktdaten:

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von nicola » 12.10.2009 13:24

NeusserGletscher hat geschrieben:
nicola hat geschrieben:wann, wo, wie in welchem umfang das zweckmässig ist kann aus so einer grafik nicht hervorgehen.
Womit wir wieder bei meiner Frage aus dem Eröffnungsbeitrag sind. Wann macht es Sinn, sich so zu bewegen?
auch wenn es etwas harsch klingt - nie!

die bewegungsdarstellung mittels animiertem gif mit so geringer bilderfolge mag zwar für die darstellung einer technischen bewegung z.b. dem zusammenwirken von kolben und zylindern beim viertaktmotor zweckdienlich sein, für die vermittlung von bewegung des menschen beim skifahren halte ich sie für nicht geeignet. wir können uns bei solchen darstellungen ganz leicht in die betrachtungsweise eines mechanischen gefängnis begeben. der knackpunkt ist das fehlen des bewegungsfluss, der massgeblich durch die wirbelsäule mit ihren mehr oder weniger frei beweglichen 33 oder 34 wirbeln geprägt ist.

ich finde, dass das schematisieren von bewegungsabläufen durch bilderfolgen eine der grössten künste ist, für die man neben gestalterischen fähigkeiten auch ein ziemliches anatomisches wissen mitbringen muss, ganz abgesehen von den kenntnissen der biomechanik. der drang bewegungen so zu reduzieren, dass sie allegemeingültige positionsabfolgen darstellen, ist eine herangehensweise die zwar zulässig ist, ich denke aber, dass sie mehr schaden als nutzen bringt.
nicola

Kunstpiste.com - Das Skimagazin mit Kurvengeist

Benutzeravatar
Uwe
Webmaster
Beiträge: 8387
Registriert: 22.05.2001 02:00
Vorname: Uwe
Ski: Elan SLX - Fischer Progressor 800
Ski-Level: 94
Wohnort: vor'm PC
Kontaktdaten:

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Uwe » 12.10.2009 15:29

Ich habe den Text mal etwas konkretisiert, um klar zu machen, worum es geht:
1. Dass bei Strecken und Beugen mehr als nur 1 Gelenk beteiligt ist
2. Dass man so z.B. üben/erkennen kann, dass ein Strecken nicht zu einer Rücklage führen soll/muss.

Aber Peter, wir hatten letzten Winter schonmal die Diskussion nach einer "kompletten Bewegungsbeschreibung" ... mit dem Ergebnis: Sowas kann man nicht beschreiben, sowas muss man erspüren und erlernen.

Eine Bewegung ist eine intuitives Zusammenspiel hunderter Muskeln ... nicht umsonst ist es sooo schwierig einem Roboter das "Gehen" zu programmieren, obwohl das "jedes Kind kann".
Uwe

Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Martina » 12.10.2009 16:40

Dieser Thread ist eigentlich ein schönes Beispiel dafür, warum ich mich bei der Diskussion letztes Jahr so vehement gegen graphische Bewegungsdarstellungen gewehrt habe: Allzu leicht wird ein Beispiel, das nur für etwas Bestimmtes stehen soll, verallgemeinert.

Um auf Peters Eingangsfrage zurückzukommen:
Wann macht es Sinn, sich so zu bewegen?
Es macht Sinn, sich bewusst zu sein, dass man kaum einmal ein einzelnes Gelenk beugt oder streckt. Meist zieht dies, um das Gleichgewicht zu erhalten, die Bewegung anderer Gelenke nach sich.
Das wollte Uwe zeigen, soweit ich es verstanden habe.

Und "nie" finde ich auch übertrieben - führe ich diese Bewegung in einer Schussfahrt schwungvoll so aus, kann ich z.B. über einen im Weg liegenden kleinen Ast springen. Das schont den Belag ungemein... :wink:

Genausowenig führt die Bewegung unweigerlich zu einer geringeren Belastung der Schaufeln.

Benutzeravatar
Tieflieger
Beiträge: 72
Registriert: 10.10.2005 13:42
Vorname: Anja

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Tieflieger » 12.10.2009 19:31

Martina hat geschrieben:
Wenn man sich ausstreckt, muss man irgendwo "abstossen". Je nachdem, wie man die Streckbewegung ausführt, wo dabei der Schwerpunkt ist, kann man damit irgendwo "drücken". Z.B. sich vom Zehenballen "hochdrücken".
Eine wunderbare Beschreibung von dem, was der Physiker als "actio = reactio" kennt!

Und genau deshalb habe ich auch damit Probleme, mir das Beugen/Strecken/Be-/Entlasten von der Physik her vorzustellen, weil
Martina hat geschrieben:
strecken: Streckbewegung ist erst mal eine Belastung, das Abbremsen derselben eine Entlastung der Ski.
Angenommen ich carve kurz und aggressiv, "cross-under", also mit stark gebeugten Knien beim Kantenwechsel. Heißt das dann, dass das Strecken der Beine vom ersten Schneekontakt der neuen Ski-Innenkanten bis zum Einleiten vom Planstellen der Ski als Beginn des Kantenwechsels so lange erfolgt? Denn so lange muss der Ski belastet sein.

Und anders herum, beim "cross-over" führt das Strecken der Beine am Kurvenende zu einer momentanen verstärkten Belastung und dann erst zu einer Entlastung (um dann die Kante wechseln zu können). Wenn das ganz explosiv erfolgt, müsste doch durch die höhere Belastung der Ski stärker durchgebogen und somit die Kurve enger werden (d.h. bergwärts). Aber im nächsten Moment will ich doch die Ski umlegen und talwärts einkurven... *grübel* Kann das einen Sinn machen?


Anja
juhu, endlich Schnee und diesen Winter mische ich auch endlich wieder mit, das Knie tut wieder :D

Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Martina » 12.10.2009 20:13

Ich bin alles andere als Physikerin und ich tue mich schwer damit, Kräfte etc. richtig zu benennen und in Relation zueinander zu setzen.
Was ich eher kann, ist, das, was abläuft, so beschreiben, dass es nachvollziehbar ist.

Das Beugen und Strecken der Beine bewirkt eine Be- und Entlastung der Ski.
Aber das seitliche und vor-zurückverlagern des Körperschwerpunktes bewirkt ebenfalls eine Be- und Entlastung der Ski (mehr vorn-hinten, bzw auf die Seiten verlagernd).
Das Drehen des Körpers ebenfalls.
Dann wirkt auch noch die Hangneigung. Der Schneewiderstand. Die Fliehkraft. Usw.

Die Kräfte drücken den Ski nach unten, geben Drehimpulse, lassen die Ski auf die Kante kippen, lassen sie gleiten usw.

Deshalb ist es extrem schwierig, genau zu beschreiben, wann beim Skifahren welche Kräfte wie wirken. Es ist immer ein Zusammenspiel.

Zu deinen Fragen:

Cross-under: Das Strecken der Beine beginnt tatsächlich beim ersten Schneekontakt der neuen Ski-Innenkanten. Man kann das vielleicht etwas verzögern, aber an sich beginnt von da an die Kante zu beissen, der Ski dreht und wir reagieren darauf, in dem wir mit der Streckbewegung anfangen.
Das Ende der Streckbewegung leitet das abkanten, d.h. das Planstellen der Ski ein (nicht umgekehrt).
Das Kippen habe ich hier jetzt mal nicht erwähnt. Ohne das geht es natürlich nicht.

Cross-over: Ja, bei der Kurveneinleitung werden die Ski zuerst mehr belastet. U.A. deswegen ist hier das WARTEN so wichtig - warten bis der Ski in die Kurve dreht. Wenn man das nicht macht, muss man den Ski "rumwuchten".
Gleichzeitig mit dem Strecken kippt man aber in die Kurve, somit wird der Ski aufgekantet. Das erfolgt nicht ein Moment später, sondern gleichzeitig. Sonst macht es keinen Sinn. Man nutzt die Streckbewegung für das Kippen, d.h. man stösst sich ab um den KSP ins Kurvenzentrum zu "drücken". Das Kanten des Skis passiert durch das Kippen.

So erkläre ICH mir das Ganze, es ist Halbwissen, eher praktisch beobachtet als physikalisch reflektiert. Aber es gibt einige hier im Forum, die sich mit Physik auskennen und vielleicht noch was schreiben.

Du erwähnst actio-reactio.
Beim Skifahren ist das vieldimensional. Man kann kaum einmal etwas sagen wie: Actio:Beine strecken - Reactio:Ski macht Kurve

Es wäre eher etwas in Richtung:
Voraussetzung: Skis gleiten auf Bergkanten und Teil des Belags auf geneigtem Hang, Schnee gepresst, Beine des Skifahrers gebeugt, Muskeltonus mittel
Actio: Beine werden gestreckt, bergseitiges stärker, Hüfte etwas talwärts gedreht (abstossen an bergseitiger Grosszehe), Oberkörper dreht mit, KSP wird durch Strecken des Bergbeines Richtung werdendes Kurvenzentrum gedrückt, je weiter in der Richtung ist, desto mehr wird die Streckbewegung abgebremst und ...so ...weiter
- kurz: es ist kaum zu beschreiben
(Beispiel hat kein Anspruch auf Korrektheit!)

Benutzeravatar
Tieflieger
Beiträge: 72
Registriert: 10.10.2005 13:42
Vorname: Anja

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Tieflieger » 12.10.2009 23:22

Das mit dem actio/reactio war auch gar nicht auf die komplette Bewegung bezogen (im Sinne von Beine strecken -> Ski macht Kurve), sondern alleine auf meine Hirnverknotung wieso beim Beugen eine Entlastung erfolgen soll, weil eben zunächst eine Belastung stattfindet... :-D
Aber dann scheint ja soweit meine Überlegung ganz ok zu sein.

@Martina
Und auch wenn ich mir ganz gern überlege was ich warum tue, brauche ich auf der Piste keine Formelsammlung :lol: , sondern komm auch ganz gut klar wenn man mir sagt "abkanten, warten, aufkanten, erst wenn Ski greift belasten" - um auf dein Beispiel vom cross over zurückzukommen. Hast du ja schon erlebt :-D .

Anja
Böse Zungen behaupten, Skifahren sei für mich Alles. Stimmt nicht, es ist das Einzige!

Martina
Beiträge: 4659
Registriert: 11.06.2001 02:00
Vorname: Martina
Ski: Elan
Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von Martina » 13.10.2009 11:49

Ich weiss, dass du nicht der Typ "Hirnverknotung" bist - und ich glaub auch nicht, dass du von mir eine Erklärung in Formeln erwartet hast.
Aber es ist sicher nicht dumm, sich "trocken" gelegentlich mal sowas zu überlegen. Insofern man auf der Piste auch wieder ohne grosse Überlegungen fahren kann. Aber auch das ist kaum dein Problem! (Andere haben das Problem durchaus)

Benutzeravatar
nicola
Beiträge: 3098
Registriert: 07.06.2001 02:00
Vorname: nicola
Ski: edelwiser
Ski-Level: 007
Wohnort: Wien - 48° 23' 95'' N - 16° 38' 41'' E
Kontaktdaten:

Re: Frage zum Bewegungsspielraum

Beitrag von nicola » 13.10.2009 12:04

Tieflieger hat geschrieben:Das mit dem actio/reactio war auch gar nicht auf die komplette Bewegung bezogen (im Sinne von Beine strecken -> Ski macht Kurve)
vorsicht, actio/reactio sollte man hier nicht so interpretieren, dass man eine bewegung macht und das gerät (ski) darauf reagiert, das wäre agieren und reagieren. actio/reactio bezieht sich auf das wirken von kräften -> das dritte newtonsche axiom besagt, dass jede aktion (kraft) eine gegenreaktion (kraft) verursacht, die auf den verursacher der aktion rückwirkt. wir müssen bei der beobachtung und beschreibung von bewegung deshalb auch immer die kinematische (erscheinung von bewegung) und die dynamische (ursache von bewegung) sicht unterscheiden. wenn ich meine beine strecke, dann verschiebe ich meinen schwerpunkt (kinematische grössen wären dafür weg, zeit, geschwindigkeit, winkel etc. - dynamische grössen masse, kraft, drehmoment etc.), wie das mit dem druck auf die skis zusammenhängt und ob davon eine kurve zustandekommt hängt von vielen anderen faktoren ab. zum beispiel auch davon wie ich auf die auftretenden kräfte des beine streckens reagiere (gegenbewegung, mitbewegung etc.)
nicola

Kunstpiste.com - Das Skimagazin mit Kurvengeist

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag