Kursinhalte von Skischulen

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
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nicola
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radikal - skitechnik vom ski her verstehen

Beitrag von nicola » 23.11.2003 17:27

für michael - zu einem ansatz der ueber die unterrichtsmethoden hinausblickt inspiriert mich bernhards frage:
Wirklich? Faehrst du auch mit Anfaengern und Kindern??
Ich finde, zwischen taillierten Skis und "geraden" Skis liegen sehr grosse Unterschiede, auch beim Pflugfahren!! Geringfuegige Vorteile beim Geradeausfahren in Winkelstellung, erhebliche Vorteile beim Kurvenfahren in Winkelstellung.

Kinder bzw. Anfaenger mit wenig taillierten Skis brauchen meiner Erfahrung nach im Durchschnitt erheblich laenger, um aehnliche Fortschritte beim Kurvenfahren zu erzielen, als die Leute mit stark taillierten Skis.
(@bernhard - warum?)

ich sehe den vorteil beim pflug eher in der "kuerze" und in den modernen konstruktionseigenschaften als in der geometrie, also entwicklungen, die vor dem schritt zu taillierten skis immer schon statt gefunden haben und jahr für jahr erleichterungen beim skilaufen brachten. allerdings unterrichte ich den pflug nicht, auch nicht kindern und anfaengern.

damit ich meinen ansatz naeher erlaeutere:
sowohl pflug als auch driften sind zustaende, die im normalfall von selbst zustande kommen. beide beruhen auf stoppreflexen beim gehen. beide bremsformen wurden nicht in biomechanischen laboren entwickelt, sondern in den anfaengen der "skilehre" auf der piste entdeckt und dann als anwendungsmoeglichkeit aufgeschrieben und gelehrt. hier divergierten die meinungen genauso stark wie heute. kommt der pflug, bzw driften zustande ist dies ein zustand, der fuer die bewaeltigung der momentanen situation dient. Beide werden in meinem ansatz weder ausgeschlossen noch in irgendeiner anleitung herbeigefuehrt.

da ich mich seit anfang der achtziger jahre, auch sehr intensiv mit entwicklung von taillierten skis beschäftige, ein kurzer abriss des innovationswegs
schritt 1
aus dem beduerfnis schneller ski zu laufen formte sich eine konkrete bewegungsvorstellung für die sogenannte beschleunigungstechnik für den rennlauf.
schritt 2
dieser anspruch an bewegung konnte nur durch stark taillierte skis realisiert werden
schritt 3
die stark taillierten skis wurden konzipiert und realisiert
schritt 4
der rennlauf für den diese skis gedacht waren akzeptierte diese skis zunaechst gar nicht, die skiindustrie benoetigte einen impuls für den stark stagnierenden markt und brachte diese skis als innovation gross heraus. dabei gab es anfänglich für den „publikumsskilauf“ taugliche und absolut untaugliche konstruktionen. die tauglichen konstruktionen erwiesen sich als so vorteilhaft, dass sie gerne angenommen wurden. die ökonomie für die beschleunigungstechnik erwies sich auch für jeden level als ökonomischer bedienbar.
schritt 5
das lehrwesen erfasste erst relativ spät, den anspruch an eine veränderung der lehrpläne. teilweise wurden in bestehende fassungen noch einzelne kapitel angehaengt. von einer radikalen innovation der lehrpläne kann nirgendwo die rede sein.
schritt 6
der rennlauf „entdeckt“ die carvingskis - doch auch an der weltspitze wurde bisher keine radikale veränderung vorgenommen, sondern eine step by step adaptierung.
schritt 7
durch die schleichende erneuerung der unterrichtsanleitungen tritt momentan eine stagnation in der entwicklung der skitechnik und skitechnologie ein. alte muster, die wegen der vermischung von altem lehrgut und neuem material noch immer vorhanden sind werden als beduerfniss der kunden deklariert und zum credo erhoben.
schritt 8
die skiindustrie passt sich dem scheinbaren beduerfniss an und beginnt teilweise mit einem rueckbau der „carvingeigenschaften“ das hat einen echten dschungel der modelle zur folge.

radikale carving innovation im klartext
carvingskis wurden aus dem beduerfniss eine beschleunigungsbewegung auf skis moeglich zu machen entwickelt, ihr ureigenster ansatz ist weder fuer das bremsen noch fuer richtungsänderungen mittels kraeften, die der flowline entgegenwirken, erdacht. eine geschwindigkeitsverminderung erfolgt mit den ihnen innewohnenden fahrverhalten viel effizienter>>> entlang der flowline geschwindigkeit abzubauen, bedeutet die kurve so lange über die falllinie auszufahren, bis das gewuenschte tempo erreicht ist. wesentlich ist auch der schwungausloespunkt, der im sinne der erfindung an der skispitze der kleinzehenkante des innenskis liegt.

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Re: radikal

Beitrag von urs » 23.11.2003 18:35

ich wage es mal, mich als laie in den spannenden expertInnendisput einzumischen.

ich denke auch, dass grosse "unternehmen" wie skiverbände gezwungenermassen träge sind, ähnlich wie dampfschiffe, die nur langsam eine richtungsänderung vornehmen können. wenn ich z.b. die aktuelle broschüre "schneesport schweiz - lernlehrmittel ski" (ausgabe 2001) studiere, scheint mir die grösste änderung an der grundtechnik, dass die gegenrotation durch das "betonten Orientieren-Drehen des Oberkörpers in die neue Schwungrichtung" ersetzt wurde. auf den carveschwung (geschnittener parallelschwung) wird nur rudimentär eingegangen. ich vermute mal, dass hier die möglichkeiten des neuen materials erst im ansatz ausgereizt werden.

auf der anderen seite glaube ich nicht, dass die grosse masse bereit ist, den "langsamen" weg von nicola mitzugehen. wie nicola selber schreibt, füllt sie eine nische.
nicola hat geschrieben:schritt 8
die skiindustrie passt sich dem scheinbaren beduerfniss an und beginnt teilweise mit einem rueckbau der „carvingeigenschaften“ das hat einen echten dschungel der modelle zur folge.
ich finde die behauptung, dass dieses "bedürfnis" durch die skischulen provoziert wird, gewagt. wenn ich mich auf den pisten umsehe, ist es eher so, dass die wenigsten skifahrerInnen bereit sind, sich vollständig auf das neue material einzulassen, sprich nochmals in skikurse gehen, mühselig erlernte muster ablegen etc.. warum sollten sie auch, wenn das, was sie von skikursen sehen, scheinbar so wenig vom herkömmlichen abweicht.

hier verpassen m.e. viele skischulen eine chance, mittlere und fortgeschrittene fahrerInnen durch neue ansätze anzulocken.

gruss urs

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Beitrag von Bernhard » 23.11.2003 18:52

Nicola hat geschrieben:@bernhard - warum?
Ich nehme an, du beziehst dich darauf, warum ich behaupte, dass das Pflugfahren mit taillierten Skis einfacher ist, als mit geraden?

1.) durch die Taillierung liegt der aufgekantete Ski recht weit vorne und weit hinten auf, bei nicht-taillierten Skis kann es bei Unebenheiten leichter passieren, dass der Ski auf geringerer Kantenlaenge aufliegt.

Um es ein wenig leichter vorstellbar zu machen, ein Beispiel: Angenommen es faehrt jemand Pflug ueber einen kleinen Huegel oder eine kleine "Knolle", etwa 15 cm vor der Bindung. Dann wird bei einem nicht- oder wenig taillierten Ski die gesamte Kante vor dieser Unebenheit den Schnee nicht beruehren. Ein taillierter Ski ist vorne breiter, daher ist die Wahrscheinlichkeit hoeher, dass der Ski den Schnee vorn noch beruehrt. Die Taillierung macht den Ski sozusagen "toleranter" gegenueber Unebenheiten.
Dass hier Flex ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle spielt und obigen Effekt verringern kann, ist wohl klar.

-> ruhigere Skifuehrung durch taillierten Ski

2.) Durch die Skigeometrie sind die Kraefte, die der Fahrer aufbringen muss, um die Ski in Winkelstellung zu halten geringer.
Warum? Durch die Taillierung wirken an der Schaufel groessere Kraefte gegen die Fahrtrichtung, als am Ende der Ski.

-> weniger Kraftaufwand notwendig.

falls unsers Physik-Experten anderer Meinung sind, bitte tut eure Meinung kund :)
Zuletzt geändert von Bernhard am 23.11.2003 18:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von nicola » 23.11.2003 18:57

@urs
ich finde die behauptung, dass dieses "bedürfnis" durch die skischulen provoziert wird, gewagt. wenn ich mich auf den pisten umsehe, ist es eher so, dass die wenigsten skifahrerInnen bereit sind, sich vollständig auf das neue material einzulassen, sprich nochmals in skikurse gehen, mühselig erlernte muster ablegen etc.. warum sollten sie auch, wenn das, was sie von skikursen sehen, scheinbar so wenig vom herkömmlichen abweicht.
da die skiindustrie nicht direkt mit iheren kunden, sondern via experten aus lehrwesen und handel ueber diese kundenbeduerfnisse kommuniziert, spielt die einstellung des lehrwesens eine nicht unwesentliche rolle bei der materialentwicklung.
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Beitrag von Bernhard » 23.11.2003 19:34

urs hat geschrieben:hier verpassen m.e. viele skischulen eine chance, mittlere und fortgeschrittene fahrerInnen durch neue ansätze anzulocken.
100% deiner Meinung. Ich wundere mich auch oft darueber, dass viele (natuerlich nicht alle) Skischulen glauben, "nur" im Kinder- und Anfaengerbereich Kundschaft zu finden und deshalb auch ausschliesslich um diese Zielgruppen werben - falls sie ueberhaupt werben ;). Sicher wird der "Rest" der Skifahrer nie solche Bedeutung haben, wie Kinder/Anfaenger, aber viel mehr als derzeit ausgereizt wird, ist IMO schon drin!
urs hat geschrieben:auf der anderen seite glaube ich nicht, dass die grosse masse bereit ist, den "langsamen" weg von nicola mitzugehen. wie nicola selber schreibt, füllt sie eine nische.
Ich wage mal zu behaupten, sie fuellt eine Nische hauptsaechlich wegen ihres ungewoehnlichen methodischen Ansatzes, nicht deswegen, weil der Ansatz laengere Zeit beanspruecht (@nicola: tut er das? sagst du das deinen Kunden vorher?) Ihr Ansatz erfordert grosses Vertrauen, dass ihr Weg auch sinnvoll ist, das kann man entweder mitbringen, oder auch nicht.
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meinst du das ernst?

Beitrag von Bernhard » 23.11.2003 19:57

nicola hat geschrieben:sowohl pflug als auch driften sind zustaende, die im normalfall von selbst zustande kommen. beide beruhen auf stoppreflexen beim gehen.
hmm, und warum ist es dann so, dass viele Leute nicht instinktiv einen Pflug fahren, wenn es ein Reflex ist, sondern gerade in der Falllinie nach unten fahren, um dann bei fehlendem Gegenhang irgenwo reinzukrachen?
Weil es zwar ein "Reflex" ist, der aber durch das ungewohnte Material behindert wird? Oder haben manche Leute diesen Reflex etwa nicht? :-?
Hmm, hast du dazu naehere Infos, woher diese Theorie stammt?
nicola hat geschrieben:hier divergierten die meinungen genauso stark wie heute. kommt der pflug, bzw driften zustande ist dies ein zustand, der fuer die bewaeltigung der momentanen situation dient
??
Wo divergieren bzw. divergierten die Meinungen?
nicola hat geschrieben:die skiindustrie passt sich dem scheinbaren beduerfniss an und beginnt teilweise mit einem rueckbau der „carvingeigenschaften“ das hat einen echten dschungel der modelle zur folge.
falls das der Fall ist (was ich nicht glaube, bei den meisten Produktgruppen herrscht immer noch ein Trend zu kleineren Radien vor), dann liegt das wohl eher an den Aktivitaeten der FIS, als an Haendlern oder Skilehrwesen, die zwar recht spaet aber doch begriffen haben, dass taillierte Ski enorme Vorteile besitzen. Wer ist es denn, der die "Gefahr" durch "zu kurze" oder "zu stark taillierte" Skis, oder durch "zu hohe Platten" meint schueren zu muessen?
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Beitrag von Martina » 23.11.2003 20:31

@Urs
Bei deiner Einschätzung, dass im Schweizer Skilehrwesen beim Lehr/Lernmittel 2001 "die Möglichkeiten des neuen Material nur in Ansätzen ausgereizt werden" (Zitat), muss ich dich korrigieren.
Für dieses Lehr-/Lernmittel ist der geschnittene Parallelschwung zwar relativ zentral, aber nicht das einzig beim Skifahren. Und eben, die Möglichkeiten des neuen Material beschränken sich nicht darauf, geschnittene Schwünge zu fahren! Es erleichtert auch die Kurven im Pflug, Parallelschwünge zu steuern, wenn man sie noch nicht schneiden kann, runde Kurven beim Kurzschwingen zu fahren etc., etc.

Der Aufbau dieses Lehrmittels ist grundlegend total anders als sein Vorgänger, weil es nicht darauf aufbaut, wenn man skifahren lernt, lernt man 1.gehen, 2. aufsteigen, 3. grad runterfahren etc,
sondern
Skifahren (Schneesport) besteht aus bestimmten "Bewegungsmodulen" (Kernbewegungen: drehen, kippen, be/entlasten) aus denen alle Formen (das bedeutet alles, was man mit Ski und auch den anderen Schneesportgeräte) machen kann, zusammengesetzt sind.
Je nachdem, was du nun unter den Füssen hast (taillierte Ski, nicht taillierte Ski, Snowboard, Telemarkski, Skwal, Blades, Skatingski,...), wie dein Körper und Geist zusammengesetzt ist, wie die Verhältnisse sind und was du mache möchtest (Kurve, Sprung, gehen,....) setzt du die Kernbewegungen anders zusammen.
Das ist das sogenannte Kernlehrmittel, das wie gesagt für alle Schneesportaarten gilt (in der CH).
Das Speziallehrmittel Ski fasst dann mehr oder weniger zusammen, was 2000 in etwa Stand der Dinge ist, d.h. wie man nach Vorstellung des Ski(lehrer)verbandes funktionel fährt.
Dabei (und das hat positive und negativ Seiten) gibt es nicht mehr einfach richtig/falsch, sondern eine Form wird definiert (z.B. Kurzschwingen in etwa: kurze, regelmässige Schwünge mit paralleler Skistellung und kontrollierter Geschwindigkeit). Dann wird beschrieben, was eine bewährte Art ist, wie man dies Fahren kann. Findest du für dich aber eine andere Lösung, so kann sie den Definitionsvorgaben trotzdem entsprechen.
Als Freizeitfahrer kann dir jede Definition eh völlig egal sein, aber das ist das Prinzip, mit welchem die Skilehrerprüfungen abgeommen werden (sollten): Fährst du Kurzschwingen, so müssen die oben beschriebenen Kriterien erfüllt sein. Was du sonst machst, ist im Grunde völlig egal. Es ist aber nun mal erfahrungsgemäss so, dass z.B. ein Pendeln des Oberkörpers bewirkt, dass man aus dem Gleichgewicht kommt und so aus dem Rhythmus fällt oder die Kontrolle über die Geschwindigkeit verliert usw.

Der geschnittene (gecarvte) Schwung ist so definiert, dass er von Anfang bis Schluss immer nur auf den Kanten gefahren wird.
Damit fällt das Umsteigen auf den Ski (das im alten Lehrmittel zentral war) schon mal mehr oder weniger weg. Ob du es nun stärker über Drehen fährst oder mit ausgeprägtem Kippen, ist an und für sich egal.

Neu ist in diesem Lehrmittel wirklich die Art, das Skifahren zu beschreiben! Ausserdem wurde das Skifahren auch nicht neu erfunden, gute Fahrer konnten ja schon immer auf der Kante fahren, nur brauchten sie dazu viel Platz und Tempo.
Es sind einige Bewegungen der "Umsteigetechnik" überflüssig geworden, man kann sie weglassen. Einige kann man reduzieren. Einiges anderes kommt dazu.

Noch ein Wort zur Entstehung des Lehrmittels:
Angefangen hat es mit der "Schwungsteuerung 90", das war, wer hätte es gedacht 1990. Man merkte, dass Kinder und Rennfahrer irgendwie anders fahren, als man es in der Skischule lernt. Die ersten stark taillierten Ski tauchten auf (bei uns Elan Parabolic, Snowrider, Kneissl Ergo) und irgendwie merkte man, dass da etwas neues kommt.
Es zeigte sich bald, dass die Schwungsteuerung 90 nicht in die ganz richtige Richtung führt, pröblete aber weiter. Es wurde ein Konzept für ein neues Lehrmittel entworfen. Es war aber in den frühen 90ern allen klar, dass die Skitechnik und das Material im Umbruch war. Man wollte die Entwicklung mitmachen, alles ausprobieren, versuchen festzuhalten, mit einem neuen Lehrmittel aber erst kommen, wenn die Sache einigermassen ruhiger wurde. Die Skilehrerkandidaten dieser Zeit litten zum Teil ziemlich (ich auch!), weil oft alles in der Schwebe war undman nicht wusste, wie man die Formen trainieren sollte. Das Credo, das wir immer wieder hörten, war: Macht genau das, was es braucht und nichts mehr! Klar, das war für uns sehr schwammig, aber im Grunde war die Zeit sehr spannend. Anstatt einfach die Formen zu "büffeln" d.h. zu üben, sie genau wie de rExperte zu fahren, mussten wir selber probieren und uns darüber austauschen, was mit den neuen Ski nun wie funktionierte.
Jedes Jahr erschienen neue Provisorien und Blätter. Die Skischulleiter verzweifelten fast, weil sie nicht recht wussten, was ihre Lehrer jetzt unterrichten sollten. Die Gäste fragten langsam nach Carvingunterricht.
Es war eine spannende, etwas chaotische Zeit, in der die Schweiz meiner Meinung nach sehr davon profitierte, dass einige sehr innovative Köpfe im Demoteam (die entwickeln das LEhrmittel) waren - ua. die hier im Forum auch immer wieder gelobten Sepp Bürcher und Simon Jacomet. Dank diesen Menschen wurden wohl einige "Betonköpfe" einfach irgendwie ausgebremst und wir hingen zwar einige Jahre in der Luft, aber es steuerte auf ein gutes Ziel hin.
Als wir dann das Kernlehrmittel in der Hand hatten, war es für uns, die in dieser unruhigen Zeit die Ausbildung gemacht hatten, alles ganz logisch: Kernbewegungen, nach Bedarf zusammengestellt, so dass es funktioniert (zumindest nannte man uns jetzt ja die Kernbewegungen!) - wunderbar!
Für Leute, die stets mit dem alten "Ski Schweiz" gearbeitet hatten, war es aber sehr fremd und löste auch viel Abneigung aus.
Inzwischen ist das "neue" Lehrmittel einigermassen etabliert, wenn ihm auch vorgehalten wird, dass es dem Skilehrerneuling zu wenig Halt gibt. Das stimmt wahrscheinlich sogar.
Es fordert den Lehrer aber ständig, weil es nicht vorgibt, du hast 1.2.3 dies und das zu tun, sondern du musst den Schüler immer beobachten, was macht er, beurteilen, ob es Sinn macht und ihn entsprechend Beraten.

Übrigens, Urs, wenn du die Bilder darin anschaust: Was siehst du? Eine aktuelle Skitechnik oder ein veraltete? WEnn du sie als veraltet empfindest, dann näme mich wunder, warum!

Trotz meiner Begeisterung, die vielleicht aus diesem Beitrag spricht, muss ich sagen, dass ich in dem Schweizer Lehr-/Lernmittel auch nicht alles 100% super finde.... aber dann wirds spitzfindig!

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Beitrag von urs » 23.11.2003 22:47

Martina hat geschrieben:@Urs
Bei deiner Einschätzung, dass im Schweizer Skilehrwesen beim Lehr/Lernmittel 2001 "die Möglichkeiten des neuen Material nur in Ansätzen ausgereizt werden" (Zitat), muss ich dich korrigieren.
Für dieses Lehr-/Lernmittel ist der geschnittene Parallelschwung zwar relativ zentral, aber nicht das einzig beim Skifahren. Und eben, die Möglichkeiten des neuen Material beschränken sich nicht darauf, geschnittene Schwünge zu fahren! Es erleichtert auch die Kurven im Pflug, Parallelschwünge zu steuern, wenn man sie noch nicht schneiden kann, runde Kurven beim Kurzschwingen zu fahren etc., etc.
salü martina

besten dank für deine ausführungen. wie gesagt, ich verstehe mich wirklich als laie. vergleiche ich das lehrmittel mit den jugend- und sport (1)-ordnern aus den 80-ern, so ist es tatsächlich viel offener geworden. es fällt mir jedoch auf, dass sich ein grossteil mit gerutschten schwüngen befasst. ob es in der praxis bessere wege gibt, kann ich nicht beurteilen. dass die schweizer schulen schon weit fortgeschritten sind, glaub ich dir gerne, besonders wenn ich es mit dem vergleiche, was ich im tirol so sehe. trotzdem wage ich die prognose, dass die carvingtechnik noch lange nicht ausgereizt ist.
Martina hat geschrieben:Übrigens, Urs, wenn du die Bilder darin anschaust: Was siehst du? Eine aktuelle Skitechnik oder ein veraltete?
ich werde mich hüten, die bilder zu kritisieren, sonst wirds in saas fee peinlich :oops:. (einzig mvg macht meines erachtens eine zu starke gegenrotation :wink:.)

trotzdem bleibt die frage, wieso der carving-boom angeblich bereits wieder stagniert. die taillierten skis wurden vom publikum zwar dankend angenommen. es ist aber m.e. weder der industrie noch den skischulen gelungen, grossen teilen der bestehenden skifahrerInnen die neue technik wirklich schmackhaft zu machen. mit der werbemässigen fixierung des carvens auf bodycarve legen sie ev. sogar einen mythos um das carven und schrecken otto- und anna-normalskifahrerIn davon ab. und mit dem starken bewerben der moderateren crosscarver macht die industrie wirklich einen schritt zurück.

gruss urs

(1) j+s=eine stark vereinfachte ausbildung für hilfssheriffs :wink:. wird in den verschiedensten sportarten angeboten

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Beitrag von Bernhard » 23.11.2003 23:32

urs hat geschrieben:trotzdem bleibt die frage, wieso der carving-boom angeblich bereits wieder stagniert.
Hat vermutlich den Grund, dass der Markt zum Grossteil gesaettigt ist: Jeder Skifahrer, der fuer die Industrie bedeutend ist (und nicht nur alle 10 Jahre mal Ski fahren geht) besitzt bereits irgend eine Art von "Carvingski". Ob diese Ski alle diese Bezeichnung verdienen, sei mal dahingestellt, aber tailliert sind sie wenigstens. Das ist zumindest meine Beobachtung auf der Piste bzw. wird indirekt auch durch Martinas Aussage weiter oben im Thread bestaetigt, dass sie in letzter Zeit kaum mehr Gaeste mit nicht taillierten Ski unterrichtet hat.

Ich wuerde dem Skilehrwesen keine all zu grosse Bedeutung beimessen, was den Einfluss von Skilaengen und Taillierung auf den Skikauf des Durchschnittsfahrers betrifft. Dazu sieht ein Grossteil der Leute viel zu selten - wenn ueberhaupt - einen Skilehrer. Der groessere Einfluss auf Kunden scheint mir beim Sportfachhandel zu liegen, und dieser ist ja von der Industrie steuerbar. Hier nach "Motiven" fuer (fehlende) Entwicklungen zu suchen, scheint mir erfolgversprechender ;) Vielleicht stecken ja auch langfristige Ziele der Skiindustrie dahinter, nicht bloss die im Auftrag der Firmen arbeitenden "Experten"...
Zuletzt geändert von Bernhard am 23.11.2003 23:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von nicola » 23.11.2003 23:33

::bernhard::
hmm, und warum ist es dann so, dass viele Leute nicht instinktiv einen Pflug fahren, wenn es ein Reflex ist, sondern gerade in der Falllinie nach unten fahren, um dann bei fehlendem Gegenhang irgenwo reinzukrachen?
Weil es zwar ein "Reflex" ist, der aber durch das ungewohnte Material behindert wird? Oder haben manche Leute diesen Reflex etwa nicht?
Hmm, hast du dazu naehere Infos, woher diese Theorie stammt?
die theorie, dass menschen zum stoppen die zehenspitzen zusammenführen oder ängstliche menschen generell mit mehr oder weniger einwärts gedrehten zehenspitzen stehen und gehen stammt von den bioenergetikern (reich, lowen etc.) – keyword: koerperausdruck und persönlichkeit in der modernen psychoanalyse. mir wurde sie erstmals beim skifahren richtig augenscheinlich, als mich vor rund zwanzig jahren eine frau aufsuchte, die nach einem autounfall stark traumatisiert war und sich wieder skifahren "getrauen" wollte. sensibilisiert dafür, beobachtete ich dieses phänomen in abgeschwächterer form seither bei hunderten von kunden, besonders bei anfängern und fand auch im gedankenaustausch mit kollegen genügend bestätigung, dass ich persönlich nicht mehr daran zweifle und es in meinen unterricht miteinbeziehe. natuerlich nicht in einem gelaende wo menschen gegen irgendein hindernis krachen koennten, sondern dort wo dies problemlos moeglich ist. - wenn das "ungewohnte material" in ungeeignetem gelaende diesen reflex nicht zulaesst, kann man sehr oft beobachten, wie die arme und handflaechen nach hinten und aussen gedreht werden, praktisch das tun was beine und fuesse nicht koennen. wenn’s dann immer noch nicht klappt, was bestimmt der fall ist – das arme ausdrehen heisst alarmstufe rot - erfolgt der naechste stoppreflex – nach hinten setzen.
??
Wo divergieren bzw. divergierten die Meinungen?
zwischen den befürwortern des pflug lehrens und jenen die dagegen waren/sind. Z.b. bilgeri/zdarsky, zehetmayer/hoppichler etc. und uns die wir hier unterschiedlich denken :wink:

die fis habe ich vergessen, die hat bestimmt auch einen loewenanteil an verzögerung (das system der systeme :D ), man sollte aber nicht vergessen, dass in grossen betrieben sehr oft die interessen der entwickler, der marketing abteilung und des verkaufs divergieren. top skikonstrukteuere sind emotional oft sehr betroffen.
ich wage mal zu behaupten, sie fuellt eine Nische hauptsaechlich wegen ihres ungewoehnlichen methodischen Ansatzes, nicht deswegen, weil der Ansatz laengere Zeit beanspruecht (@nicola: tut er das? sagst du das deinen Kunden vorher?) Ihr Ansatz erfordert grosses Vertrauen, dass ihr Weg auch sinnvoll ist, das kann man entweder mitbringen, oder auch nicht.
mein ansatz braucht nicht mehr zeit, sondern ich verbringe nur mehr zeit mit den basics. in vielen anderen unterrrichtsphilosophien gilt das motto "vom leichten zum schweren". dabei wird die bewaeltigung des schweren sehr oft zum angestrebten ziel. (@martina - deinen ansatz verstehe ich nicht so :wink:) ich beginne zwar im einfachen gelaende, konzentriere mich aber am anfang auf jene dinge die defintiv schwer fallen und auch durch fortschreitende fertigkeiten auf skis nicht leichter werden. dabei geht es um grundmuster und verhalten, die dem skifahren moeglicherweise nicht momentan sondern irgendwann einmal spaeter hinderlich sein koennten. das kann sogar eine verspannte kiefermuskulatur sein, eine nicht erkannte orientierungslegasthenie, angsterlebnisse die nicht im zusammenhang mit dem skifahren stehen... sind diese probleme verarbeitet, steht einem sehr raschen lernen nichts mehr im weg. es gab auch schon menschen, die mich aufsuchten um sehr schnell zu lernen. der dialog der vor dem kurs stattfindet dauert meistens etwas laenger als bei einer normalen skikursbuchung, da die gefragten informationen auf beiden seiten etwas mehr aufwand bedeuten. nicht zuletzt deshalb gibt es meine kunstpiste. ich habe auch schon menschen abgeraten, weil ich keine falschen hoffnungen machen will und die verantwortung manchmal sehr gross ist.

wie gesagt, ich arbeite in einer nische, die etwas konventionelleres unterrichten nie tangieren wird aber durch eine konventionelle skilehrerausbildung wahrscheinlich auch nicht ausgefuellt werden kann. meine arbeit ist eine verknuepfung von sensiblen erfahrungen im spitzenrennlauf, mit einer fundierten skilehrerausbildung und bioenergetischer koerperarbeit und natürlich wie bei jedem anderen, mit persönlichen interessen und erfahrungen. ich erhebe nicht den anspruch, dass meine art zu unterrichten in irgendeiner form besser als eine andere sein koennte, es ist nur mein individueller weg auf dem ich bisher sehr glücklich bin.

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ps. bernhard ich hoffe du betrachtest das nicht als werbung :-?
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