Kurzschwung und Wedeln

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
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Moorkuh
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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Moorkuh » 15.11.2008 00:11

tpo hat geschrieben:Natürlich erfordert so manches Gelände kürzere Schwünge, abgesehen davon, dass das mit langen Ski und spitzwinkligen Kanten ziemlich unangenehm ist und daher von mir persönlich meist gemieden wird.
"Kürzere Schwünge" und "Kurzschwünge" sind für mich zwei paar Schuhe.
Worin besteht in Wahrheit denn die Kunst des Carvens?
Einfach nur von Kante auf Kante fahren, ohne Rutschphase, in normalsteilem Gelände bei guten Verhältnissen mit heutigem Material ist primitiv und einfach. Das kann bald jemand. (Bei schlechteren Verhältnissen wirds freilich schwieriger.)
Ist das die große Kunst? IMO nicht. Die Kunst ist, den Kurvenradius variieren zu können, Herr (oder natürlich auch Frau ;) ) über den Radius zu sein. Wenn du stur genau den Radius fährst, der jetzt genau, für diese Geschwindigkeit und für dieses Gefälle determiniert ist, bist du ein technisch armer Skifahrer, würde ich sagen. Die Kunst besteht also darin, genau NICHT diesen Radius zu fahren, sondern zu sagen: Dieser Schwung wird etwas enger. (zB. im RTL: Ich will den Schwung genau hier mit genau diesem Radius setzen!) Das funktioniert *nur* über einen dosierten Driftanteil, idealerweise am Kurvenanfang, dh durch Einwärtsdriften. Das ist für mich die Kunst des Skifahrens: Genau selbst zu bestimmen, wie stark, wo, wann wie, wieviel Driftanteil ich habe. Bei jedem Schwung möglichst bewußt gefahren.
Und jetzt kommt die Kunst in der Kunst, das in jeder nur möglichen Situation, auch in den Buckeln, auch im Powder, auch im Sulz, auch auf Eis oder auch im Bruchharsch zu fahren. Wer das alles kann, ist der Meister.
Und hier kommt der Kurzschwung ins Spiel: Er stellt eine extreme Möglichkeit dar, das zu tun (wenn ich "der Kurzschwung" sage, ist das natürlich lächerlich, es gibt nicht "einen" Kurzschwung, sondern eine Vielzahl, die sich durch Skiführung, Frequenz, Geschwindigkeit, Oberkörperbewegung (sowohl Rotation als auch Vertikalbewegung) etc. unterscheiden) und dabei einen Effekt zu nutzen, der durch die extreme Durchbiegung der Skier entsteht, die du in der Ausprägung selbst bei nur halb gecarvten, längeren Schwüngen nie erreichen kannst. (Ich hätte hier ja einige wirklich gute Aufnahmen, die ich aber aus Copyrightgründen nicht ins Netz stellen kann...)
Wedeln, als "alte" Form des KS, konnte, korrekt ("schulisch") ausgeführt, nie in der Geschwindigkeit durchgeführt werden wie ein moderner KS, weil das Material anders ist. Ich gehe soweit zu behaupten, dass ein moderner KS das moderne Material wesentlich stärker ausnutzt als (fast) jede andere Schwungform, und deshalb denke ich, die Behauptung, KS wäre "Steinzeit", ist unsinnig.

Eine ganz intime Frage: Hast du irgendeine Ausbildung gemacht? Weißt du vielleicht nur einfach nicht so genau, was ein moderner KS ist? (ich muß nämlich zugeben, dass man nur wirklich selten einen guten KS auf einer Piste zu sehen bekommt)
Nur weil ich mich gegen das ulkige generelle Wedeln auf breiter Piste ausspreche, da sich das für mich als Jugendlicher Skifahrer automatisch ins klassische schwarz-weiß-Regal einordnet, heißt das ja nicht, dass ich auf Biegen und Brechen empfehle eine Buckelpiste runterzubügeln.
Ein solider KS auf der Piste ist die grundlegendste Grundlage zur (halbwegs stilvollen ;) ) Bewältigung einer Buckelpiste, würde ich sagen.
Richtungswechsel auf dem Buckel und schnell auf die flache Piste :roll:
?
Zugegeben fahren die alten Wedelhasen eine Buckelpiste wesentlich zügiger als die Buckeltalquerrutschenden 0815 Fahrer, aber wenn sie dann auf der geräumigsten Piste mit zappelndem Bommel an der Mütze mit dem Hintern wackeln amüsiert mich das einfach.
Nehmen wir doch einmal das folgende Video, das ich kürzlich auf den Epicski-Foren gefunden habe:
http://www.youtube.com/watch?v=fwvSfitjG9w
Ich kenne einige der dort Fahrenden und kenne deren Kurzschwünge auf der Piste und deren sonstigen Fahrstile ganz gut.
Würde ich einem davon sagen "du wackelst mit dem Arsch", würde das wohl gesundheitsgefähredend sein. ;)
Und modernes Skifahren, wie von den heutzutage erhältlichen Ski impliziert, ist nunmal carven, ob kleine oder große Radien, hauptsache wenig Driftanteil und schöne Fliehkraft.
Mein Verdacht bestätigt sich ;)
Das sehe ich ganz anders. "Wenig Driftanteil" kann so nicht für sich stehen bleiben, wenns nach mir geht. "Möglichst wenig Driftanteil für den bewußt gewünschten Radius", das würde ich sofort unterschreiben. "Wenig Driftanteil" heißt, immer von Kante auf Kante zu fahren. Langweilig, unpraktisch, gefährlich, tw. unfahrbar.
Die Pisten sind nie wirklich zu voll für lange Schwünge, und wenn, dann wartet man eben bis sich ein wenig Platz aufgetan hat.
Ich schätze, dann bin ich meistens zur falschen Zeit am falschen Ort.

Martin

Tom
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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Tom » 15.11.2008 00:15

AAAAhhhh, das Video!

Angekündigt, widerrufen und jetzt das: :cry:
wenn ich denn da auch nur ansatzweise eine kurve gesehen hätte,
mehr noch, da war außer einem sehr mäßigen Stoppschwung gar nichts zu erahnen, was die Bezeichnung "Skifahren" auch nur ansatzweise verdient hätte. Jammerschade.

Zum "Kurzschwung" haben (die, die sich halt auskennen :D ) Beate, Martina, Uwe und Urs und Martin... schon so viel Richtiges geschrieben...eine kleine Anmerkung dazu noch: Es gibt m.E. wirklich kaum eine anspruchsvollere Art, Ski zu fahren als einen sauber "gecarvten Kurzschwung". Ein Hoch auf die, die den vom klassischen "Wedeln" unterscheiden können, was hier einigen noch nicht so recht gelingt.
ich befürchte wirklich, du weisst nicht, wovon du sprichst
:zs:

Quantität der Beiträge macht auch in diesem Fall die Qualität nicht wett.

LG
Tom

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von urs » 15.11.2008 00:26

Moorkuh hat geschrieben:Eine ganz intime Frage: Hast du irgendeine Ausbildung gemacht?
martin, gegenfrage: kennst du eine grundausbildung, in der man keinen ks halbwegs können muss? (wobei dieser angeblich bei der ch-prüfung für kids-instructors abgeschaft wurde :oops:. wohl ein resultat der zunehmenden spezies der "von-einer-kante-auf-die-andere-kippender" :D.)

gruss urs

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von tpo » 15.11.2008 00:30

um Qualität zu erreichen, muss man sich damit ausseinandersetzen, da bin ich doch über jede Berichtigung froh. Das auf dem Video nichts zu sehen ist liegt zum einen daran, dass ich das Zeug aufm PC gefunden habe und darauf weder Fahrweise noch sonstwas zu sehen ist oder sein sollte und die Einstellung eine kleine wohl unverstandene Ironie meinerseits ist (sollte man mitbekommen, wenn man sich den beistehenden Text durchliest). Ein von einer anderen Person aufgenommenes Fahrtechnikvideo wirds von mir nicht geben, weil ich 1. keins auf dem PC habe und 2. nicht vor habe eines zu machen.

@Moorkuh
Eine ganz intime Frage: Hast du irgendeine Ausbildung gemacht? Weißt du vielleicht nur einfach nicht so genau, was ein moderner KS ist? (ich muß nämlich zugeben, dass man nur wirklich selten einen guten KS auf einer Piste zu sehen bekommt)
Nein, früher im Verein gefahren und mein Bild vom Ks maßgeblich von da übernommen. Auf der Piste sieht man generell wenig, in Italien wurde ich mal staunender Zeuge von ein paar richtig exzellenten Fahrern, ähnlich wie in dem Buckelpistenvideo (was du dort in extremer Ausführung siehst ist das, was ich mit Richtungswechsel auf dem Buckel gemeint habe, "schnell auf die flache Piste" ist meine Flucht aus solchem Terrain, das mir nur für eine Abfahrt was taugt). Vielleicht google ich bei Zeit mal geeignete Veranschaulichungsvideos.

der Unterschied von "wenig Driftanteil" zu "möglichst wenig Driftanteil..." ist nun wirklich ein rein sprachlicher, gemeint war so viel wie nötig und so wenig wie möglich.
Ich schätze, dann bin ich meistens zur falschen Zeit am falschen Ort.
Nunja, in großen Skigebieten in Ö und CH finden sich doch immer wieder leere Flecken abseits der Talstationen und Restaurants, ansonsten probiere mal die rote Piste mit der treffenden Nummer "1a" unter dem Ice Flyer Lift am Titlis. Menschenleer, sehr gut zum herumprobieren und der Lift selbst kaum benutzt.

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Patrick01 » 15.11.2008 00:34

Eigentlich muss man das gar nicht diskutieren; Kurzschwingen gehört zum Skifahren wie dribbeln (schreibt man das so?) zum Fußball. Es gibt eindeutig Situationen, in denen man ohne kurze, schnell aneinander gesetzte Schwünge gar nicht klar kommt und es gibt Situationen, in denen es einfach auch Spaß macht auf einer ach so breiten Piste nur einen Meter Fünfzig zu benötigen.
Zudem ist es die, wie ich finde, deutlich anspruchsvollere Technik, an der es immer noch was zu feilen gibt. Man kann den Rhythmus schön variieren, die Einleitung ändern und was weiß ich noch alles und man kann noch viel mehr mit dem Gelände spielen wie mit langen Schwüngen. Ich kann dieselbe Piste zigmal fahren und immer wieder versuchen, für das Gelände und den Schnee „den“ optimalen Schwung zu finden. Mir jedenfalls geht das so.

Ganz zu schweigen von der Tatsache, wie hier auch schon erwähnt, dass es die Grundlage für alle weiterführenden Techniken ist.

Ich jedenfalls bin aus dem Alter raus, in dem ich aus gewissen Situationen die Rettung in einer „Schussfahrt“ suche…

Gruß
Patrick

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Moorkuh » 15.11.2008 00:47

urs hat geschrieben:
Moorkuh hat geschrieben:Eine ganz intime Frage: Hast du irgendeine Ausbildung gemacht?
martin, gegenfrage: kennst du eine grundausbildung, in der man keinen ks halbwegs können muss?
Beim Skilehrer-Anwärter in Österreich wird "nur" das "parallele Skisteuern (kurz)" geprüft, das eine Vorform des Kurzschwunges darstellt. Dabei wird nur gerutscht, dh. es beinhaltet keine gecarvte Phase und wird mit ausgeprägterer Vertikalbewegung gefahren. Allerdings wird meines Wissens nach in der Ausbildung auch der korrekte Kurzschwung (eine korrekte Form des...) geübt. (Bei meiner LS2-Prüfung wurden sogar im Grunde 3-4 verschiedene Arten des KS geprüft, wieviele es tatsächlich waren ist wohl Auslegungs- und Definitionssache ;) )

Martin

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Schneefrau » 15.11.2008 08:53

danke für die wirklich guten beiträge von martin und und auch patrick!
interessant auch, die sehr anschauliche beschreibung für die unterschiedlichen qualitätsansprüche des carvens!

:zs: - vor allem auch zu den aussagen bzgl. eines "kompletten" (und damit auch in meinen augen wirklich guten) skifahrers!

zu der frage, ob KS Bestandteil der Ausbildung ist können sicher "Betroffene" noch genauer etwas dazu sagen.
Ich habe im Oktober 2006 oder 2007 in Stubai einer gerade laufende praktische Ausbildung / Prüfung zum DSV Basis Instructor (nagelt mich jetzt nicht auf die genauen Begriffe fest) zugeschaut und mich auch mit den leuten unterhalten.
dort war genau DAS gerade Thema:
der moderne (weitesgehend gecarvte) Kurzschwung mit gleichbleibenden Tempo.

... so lautete die aufgabenstellung des ausbilders ...
Ute

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Moorkuh » 15.11.2008 12:50

So, ich hab jetzt doch noch etwas gefunden, was ich als modernen Kurzschwung (eine relativ fortgeschrittene Technik allerdings) empfinde:
http://www.skichannel.ne.jp/ugokusj/0412/index.html
2te Zeile, 1ter, 2ter und 3ter von links.

Das hat mit Wedeln meiner Meinung nach nichts zu tun. Hier wird der Radius des Skis extrem ausgenutzt.

Martin

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Martina » 15.11.2008 14:59

Natürlich hat das mit Wedeln nicht zu tun und die fahren auch wirklich gut, nutzen den Ski so, wie du es beschreibst.

Allerdings unterscheidet sich die japanische Technik ziemlich deutlich von der hier üblichen - was natürlich nicht bedeutet, dass sie schlechter ist! "Die" Japaner fahren sehr kompakt, mit wenig beugen/strecken. Und damit meine ich nicht hoch/tief. Ich finde, es ist enorm, mit wie wenig Streckanteil die diese kurzen Kurven so enorm ausfahren können.
Auch haben sie oft eine sehr "zusammengeklappte" Haltung, die sie jedoch stabil hinkriegen (ich würde so das Gleichgewicht verlieren).

Ich habe in meiner Canadasaison mit einigen Japanern zusammengearbeitet. Soweit ich es beurteilen kann, ist ihre Technik mehr auf ihren Körperbau abgestimmt als den unseren. Das ist irgendwie anders. Sehr interessant.

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Re: Kurzschwung und Wedeln

Beitrag von Moorkuh » 15.11.2008 17:54

Naja, ich empfinde es nicht als so anders als das, was hier gefahren wird (oder werden sollte) bzw. bei uns (=.at) gelehrt wird.
Wie gesagt, es ist eine Art des KS, es gibt aber noch mehrere andere (ganz nett wird das in Richard Bergers "6 Gänge des Kurzschwungs" dokumentiert -- nicht zuletzt verbringt der allerdings sehr viel Zeit in Japan, sodass sicherlich einerseits die Japaner von ihm viel übernommen haben, andererseits er wiederum manches von ihnen übernommen hat).

Allerdings ist das unerheblich, ich wollte einzig zeigen, dass der KS an sich sicher keine Steinzeitfahrform ist -- worüber abe die meisten hier wohl eh einig sind. ;)

Martin

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