Warum haben Ski einen Vorspann?

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Willi1957
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Re: Warum haben Ski einen Vorspann?

Beitrag von Willi1957 » 28.08.2010 14:54

Das mit der Entlastung stimmt so nicht: Vorspannung sorgt dafür, dass der Druck bei Planlage gleichmäßig auf die ganze Belagfläche verteilt wird, obwohl das Gewicht nur auf der Skimitte steht.
Das verstehe ich jetzt leider gar nicht :oops:
Sinn einer Entlastung, egal mit welcher Technik und wie lange, ist es in jedem Fall, das Gewicht und damit die Belastung auf die Ski zu reduzieren oder komplett aufzuheben. Bei kompletter Entlastung des Skis hat hat man dann die "original" Vorspannung. Herkömmliche Ski liegen dann auf keinen Fall plan auf, Ski mit Rocker oder besser inverser Vorspannung sehr wohl, zumindest in der Skimitte.
LG, Willi
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chianti
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Re: Warum haben Ski einen Vorspann?

Beitrag von chianti » 28.08.2010 18:13

Willi1957 hat geschrieben:Bei Entlastung sorgt die Vorspannung dagegen für gutes Drehverhalten, Kontaktfläche wird wieder auf die Punkte vorne und hinten reduziert
eben nicht: wäre das so, dann hätte der Ski nur ganz vorne und ganz hinten Schneekontakt und wäre nicht drehbar, sondern würde sofort verschneiden. Drehbar wären nur Rocker.

Ob eine Entlastung bei Schwungfolgen wie beim Wedeln oder beim Carven wirklich eine Rolle spielt, ist sehr fraglich. Da geht's eher um Auf- und Abbau von Steuerdruck und Umkanten - je schmaler ein Ski, desto schneller ist ein Kantenwechsel möglich (daher schreibt die FIS für Slalom-Rennski neben der Mindestlänge nur eine Mindestbreite von 63mm vor und keine Radien) und je weicher ein Ski, desto stärker kann man den Radius durch Druck und Durchbiegen verkürzen.

Die Vorspannung hat daher nur indirekt auf die Drehbarkeit Einfluss: je stärker die Vorspannung, desto geringer ist das Biegemaximum der Ski. Trotzdem kann ein harter Rocker ein geringeres Biegemaximum haben als ein weicher Ski mit Vorspannung. Die Vorspannung ist sozusagen die Ausgangsposition des Materials, das Biegemaximum wird durch die Eigenschaften des Materials bestimmt. Oder, als Bild: der eine Ski entspricht einer stark vorgebogenen Blattfeder mit nur 2 Lagen, die unter Belastung stark durchgebogen werden kann und der andere Ski einer flachen Feder mit 5 Lagen, die wegen ihrer Härte kaum nachgibt.
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chianti
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Re: Warum haben Ski einen Vorspann?

Beitrag von chianti » 29.08.2010 15:35

Willi1957 hat geschrieben:Sinn einer Entlastung, egal mit welcher Technik und wie lange, ist es in jedem Fall, das Gewicht und damit die Belastung auf die Ski zu reduzieren oder komplett aufzuheben.
Ich hab mir zu dem Thema mal die Veröffentlichung "Schein und Wirklichkeit parallelen Skifahrens" (Münster 1985) von GEORG KASSAT (Professor für Biomechanik und Bewegungslehre) besorgt. Er hat 1981 nach den damaligen Skilehrplänen ausgebildete Sportstudenten über eine Kraftmessplatte schwingen lassen und die Bewegungen mit 2 Kameras gefilmt. Ergebnis: Entlastung (Hoch, oder Tiefschwung) hat keinen Einfluss auf die Drehbeschleunigung der Ski, also die Schwungauslösung.

Die Grafiken habe ich im Bild unten zusammengefasst.

Für die Drehbeschleunigung der Ski (grüne Linie), die wie die Stellung der Ski zur Falllinie (blau) bei allen Schwüngen nahezu gleich war, ist ist es ohne Einfluss, nach welcher "klassischen" Technik der Schwung eingeleitet wurde. Beim Hochschwung (Verlauf des Körperschwerpunkts in dunklem violett) ist es so, dass die Drehung bei 150% Belastung (d.h. das 1,5-fache des Körpergewichts liegt auf dem Ski - Kurve in pink) beginnt (von "Entlastung" also keine Spur) und erst während des Schwungs bis auf Null entlastet wird (es wird praktisch im Schwung gesprungen). Genau den gleichen Verlauf der Skidrehung sieht man beim Tiefschwung (orange), bei dem aber die Entlastung jedoch vor dem Schwung geschieht (braun), die Belastung beim Beginn des Schwungs 100% überschreitet (logisch, weil das Sich-Fallen-Lassen abgebremst wird) und auf 120% steigt. Konstant für alle Schwünge ist dagegen der Verlauf des Umkantens. Dabei erfolgt auch bei "klassischen", also gedrifteten Parallelschwüngen die Schwungeinleitung durch kurzes Aufkanten (leichtes Absinken der roten Kurve), dann erfolgt zeitgleich mit dem Abbau des Kantenwinkels der Drehbeginn der Ski. Mit dem Umkanten vor Erreichen der Fallinie ist die höchste Drehbeschleunigung der Ski erreicht, die Ski werden also auf der Kante gedreht und nicht in Flachstellung.

[ externes Bild ]

Fazit Nummer zwei: die Vertikalbewegung (Hoch- und Tiefgehen des Körperschwerpunkts durch aktives Beugen und Strecken von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk) ist nur zum Ausgleich von Hangunebenheiten notwendig, nicht für die Einleitung oder Steuerung gedrifteter Schwünge. Für einen Not-Halt ist sie sogar gefährlich, wenn man einen Hockey-Stop nicht anders als eingesprungen fahren kann und für das "Ausholen" Zeit braucht, die man nicht hat, um z.B. eine Kollision zu vermeiden. Man sollte also auf jeden Fall über die Technik verfügen, einen Nothalt über Kanten- bzw. Fersendruck ansatzlos einzuleiten.
Abgesehen davon sind (für die Schwungeinleitung offensichtlich) unnötige Vertikalbewegungen unökonomisch und ermüdend und vergrößern dadurch die Verletzungsgefahr. Und Wedeln ist nur ohne "Entlasten" durch Vertikalbewegung denkbar, der Körperschwerpunkt ist dabei stabil:

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