Beratungsdiebstahl, Webforen und der clevere Kunde

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ivan
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Beratungsdiebstahl, Webforen und der clevere Kunde

Beitrag von ivan » 04.03.2005 11:49

am anfang war meine antwort im aktuellen thread "wo bekomm ich skischuhe günstig her?"
dann wurde aber ein neues thema draus - die des cleveren kunden, des fachhandels und schliesslich auch der internet-beratung
ich finde das thema interessant

was macht ein cleverer kunde:
1. er lässt sich im fachhandel und evtl. im forum wie hier beraten
2. er probiert im fachhandel die schuhe aus: schön die empfohlenen 20 minuten, "skibewegungen", schnallen auf und zu, fester, den innenschuh ausziehen, usw.
3. er entscheidet sich für ein modell und bestellt ihn online oder kauft in einem billigeren laden, der an der aus- und weiterbildung des personals spart, keinen service bietet und deshalb günstigere preise anbieten kann

- der kunde verhält sich ökonomisch und nützt (warum denn auch nicht - was nicht verboten ist, ist ja erlaubt) einfach die möglichkeiten aus
- der händler hat einfach dieses risiko zu tragen

richtig? falsch? ja? nein? jein?

und welche rolle spielt eigentlich die internet-beratung:
- sie hilft da, wo der "fach"handel nicht kann
- sie schützt den kunden vor den tricks der industrie und des handels
- sie stellt spontane und freiwillige konsumentenberatung und -schutz
- sie unterstützt "beratungsdiebstahl" (s. weiter unten) und beschädigt damit verantwortungslos den fachhandel
- sie wird für einen cleveren kunden zum "nützlichen idioten", der umsonst wertvolle informationen freistellt
- ...???

es gibt sogar den begriff "beratungsdiebstahl" - vgl. ZIT:
"Als Fachhandel fragen wir uns, ob Verbraucher denn bereit wären, für diese Beratung, die bisher immer im Preis inbegriffen war, auch im Sinne fairen Angebots extra zu bezahlen..."
(Fedas und VDS-Präsident Werner Haizmann, Presseinfo ISPO, 2. februar 2005)

auch ein bekannter von mir, der ein spezialisiertes skigeschäft in Prag besitzt (und von dem leute wissen, dass sie da gute beratung bekommen) überlegt eine "schuprobegebühr", um die zahl der leute zu reduzieren, die bei ihm schuhe nur ausprobieren, ohne absicht sie dost auch zu kaufen

da wir wissen, wie unterschiedlich das fachniveau in den shops ist, finde ich das problem um so interessanter

eure erfahrungen und meinungen?

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Uwe
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Beitrag von Uwe » 04.03.2005 12:26

Interessantes Thema ;-)

Ich vergleiche es mit der Thematik der verödenden Innenstädte, weil jeder lieber billiger auf der Grünen Wiese käuft, wobei dort - z.B. MediaMarkt - die Beratung teilweise besser, als beim "alteingesessenen" Fachhandel ist.

Hierzu wurde vor kurzen ein Leserbrief von mir in der regionalen Tageszeitung veröffentlich. Hier ein Auszug:
"Ich" bin "König Kunde" und finde "GEIZ ist GEIL"!
"Ich" fahre meilenweit für das billigste "Schnitzel-Grüne-Wiese-Sonderangebot", denn meine Frau kennt sich aus; sie hatte bis vor kurzen noch hier beim örtlichen Metzger gearbeitet, aber nun leider Ihren Teilzeitjob wegen Umsatzeinbruch verloren.
"Ich" bin auch so ein Clerverle, dass ich mit meinen ganzen Versicherungen nun zu einer der billigsten Online-Versicherung gewechselt bin, denn meine Tochter kennt sich da aus; sie hat bis vor kurzem noch hier beim örtlichen Versicherungsvertreter gearbeitet. Der hat aber nun Pleite gemacht, weil er viele seiner Kunden verloren hat. Aus der zugesagten Ausbildungsstelle für meinen Sohn wird nun wohl nix mehr.
Gestern habe "Ich" noch ein super Möbel-Schnäppchen gemacht. Bis auf den Abdruck einer Kinderhand im Lack ist die Qualität ganz ok. "Ich" kenn mich da aus, denn ich bin Möbelschreiner. Zumindest noch, denn unser Betrieb wird wahrscheinlich bald schließen ... aber was soll´s? Beim Umbau meines Hauses helfen mir meine arbeitslosen Freunde.
Das Thema "Billiger Kaufen" oder "Geiz ist geil" ist nicht zu verhindern.
Was der Fachhandel machen kann ist:
- BESSER sein (was aber im Verhältnis zu den Spezialisten HIER im Forum sicherlich schwierig ist) :D
- Zumindest die Beratungskompetenz erhöhen, denn vielfach ist es auch nur ein "Wollen"
- Service bieten; auch mal einen Handgriff machen, ohne dafür gleich 20 EUR zu kassieren
- Den Kunden zufrieden stellen WOLLEN; in vielen Geschäften fehlt die Motivation

Der HANDEL ist im WANDEL! Letztens kam ein Bericht über einen ebay-Powerseller (Sportgeschäft). Der macht 2 Mio EUR Umsatz NUR über ebay!

Ich kann mir - leider - gut vorstellen, dass in x Jahren der reine Warenkauf (Ski, Handy, Digicam, Bücher, CDs) sehr stark über virtuelle Geschäfte laufen wird.

Was bleibt dem stationären Fachhandel?
Ich weiß es nicht! Ski mit minimalem Gewinn zu verkaufen? ... dann können sie es auch gleich sein lassen.
Ich schätze mal, dass bei den Skishops in den Skigebieten MEHR Gewinn durch Skiverleih und Service gemacht wird, als durch Verkauf.

Zu Deinem Bekannten mit den Skischuhen:
Er könnte eine Art "Leitner" werden; da ist die manuelle Dienstleistung etwas, was kein Internetshop machen kann. Ggf. mit einem regionalen Orthopäden zusammenarbeiten. Dann gibt´s für DORT gekaufte Skischuhe eine individuelle Einlage zum halben Preis dazu ... oder so.

Schuhtestgebühr, Beratungsgebühr? Kostenvoranschläge in einer KFZ-Werkstatt müssen oft auch bezahlt werden ... ich weiß nicht, wo der Weg hin geht ...
Uwe

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rolf
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Beitrag von rolf » 04.03.2005 12:29

Liebe Skifreunde

ich werde mich hier nicht zu ethischen/moralischen Aspekten dieses Themas äussern.

Für mich ist der Fall rein vom skitechnischen klar. Da ja gerade der Skischuh das wichtigste Teil für die Abstimmung des Material ist, könnte ich mir in keiner Weise vorstellen die Skischuhe über das Internet zu bestellen. Es gibt ja (je nach Preissegment) keine schlechten Skischuhe. Aber da die Füsse dermassen individuel verschieden sind, kommt man meiner Meinung nach nicht um eine gute und seriöse Beratung in einem Fachgeschäft herum. Der Schuhändler sollte auch eine orthopädische Ausbildung haben. Für mich gehört in jeden Skischuh als Minimum eine spezielle, dem Fuss angepasste Sohle. Dies bringt eine viel bessere und homogenere Kraftübertragung und der Fuss dankts auch. Sobald dann doch weitere Probleme auftauchen (z.B. Druckstellen) so kann dies eine seriöser Boot-Fitter immer zur vollsten Zufriedenheit lösen. Ob man dann sich auch noch einen geschäumten Innenschuh zulegen will, muss dividuell entschieden werden.
Es geht aber nichts über Skifahren mit passenden, gut sitzenden Skischuhen. Solange die Schuhe nicht passen, kann man sich jeden Gedanken über das restliche Material ersparen. Deshalb beziehe ich meine Skischuhe immer in meinem Fachgeschäft in welches ich volles Vertrauen habe und auch immer sehr gute Erfahrungen gemacht habe.

vlg rolf

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Skiameise
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Beitrag von Skiameise » 04.03.2005 14:10

Hallo,

ich zumindest wäre bereit eine Beratungsgebühr zu bezahlen wenn ich aufwändige Beratung in Anspruch nehme...wie zum Beispiel beim Skischuhkauf. Ich bin ja auch genauso bereit, Leihgebühr zu bezahlen um Skier vorher zu testen, Zeitschriften zu kaufen, um mir Infos zu holen, etc.

Allerdings wird durch eine Beratungsgebühr natürlich die Hemmschwelle höher und wenn ich kein Vertrauen habe, daß die Beratung gut sein wird, laß ich es vielleicht gleich ganz bleiben. Insgesamt ist mein Vertrauen da sowieso eher gering und ich gehe nur ganz selten unvorbereitet ins Fachgeschäft.

Und da sind wir schon bei der Kernfrage: Wo kann ich hingehen und wirklich sicher sein, daß ich kompetente Beratung kriege. In einem großen Teil der Fälle habe ich auch im Fachgeschäft das Gefühl, für dumm verkauft zu werden. Wenn ich mich für ein Paar Skiier interessiere und das einzige Merkmal, das der Verkäufer hervorhebt ist das Design, dann ist das Vertrauen halt ziemlich schnell weg (passiert im kleinen Fachgeschäft im Skigebiet)... und wenn mir die Verkäuferin (in dem Laden der Beratungstechnisch bei mir in der Nähe zu den eher besseren gehört) beim Helmkauf nur sagen kann, daß die drei Helmvarianten eines Herstellers zu drei deutlich unterschiedlichen Preisen sich in der 'Qualität' unterscheiden und wie das mit der Lüftung ist wüßte sie auch nicht ... na dann informier ich mich lieber im Internet und probier im Geschäft nur noch, ob die Dinger auch auf meine Rübe passen. Und bevor ich mir den Helm dann im teuren Fachgeschäft umständlich in der richtigen Farbe bestellen lassen (nochmal Parkplatz suchen, Parkgebühren zahlen, warten bis ein Verkäufer Zeit hat,...) bestell ich ihn mir im Internet. Aber vielleicht würde ich sogar hier ein paar Euros 'Aufprobier'-Gebühr bezahlen - wenn dann auch viele Modelle in allen Größen zur Verfügung stehen.


Oft habe ich eher den Eindruck, daß ich mich im Internet informiere und dann damit ins Fachgeschäft gehe um mir die Dinge mal 'aus der Nähe' anzusehen. Wo kaufe ich dann 'korrekterweise'?

beate
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Beitrag von beate » 04.03.2005 14:52

Meine Erfahrung:
Ich werde oft auf Fachgeschäfte angesprochen,insbesondere für Schuhe.Empfehle ich den Leuten dann lang und ausführlich etwas,kommt als nächstes die Frage nach dem Preis,bzw wo es diese Leistung evtl billiger gibt.Auf ca 50 Anfragen die ich allein hier im Forum per pn beantwortet habe,gab es m.W. nach nur einen,der sich entschlossen hat,das empfohlene Geschäft zumindest aufzusuchen.
Man kann im Leben niemals Alles haben (=meine Einsicht nach 40 Lebenjahren) und somit bleibt es eine individuelle Entscheidung,inwieweit ich bereit bin Kompromisse in Bezug auf Preis/Leistung/Beratung bei Skischuhen zu machen.
Dieser Skischuhthread ist meines Erachtens nach völlig überflüssig.Er provoziert geradezu solche Fragen,die Ivan inspiriert haben,diesen Beitrag zu schreiben und die einfach nicht seriös beantwortbar sind.
Auf Anfragen bzgl Schuhgeschäfte werde ich übrigens nicht mehr antworten.Das ist einfach verschwendete Zeit.
Beate

manfred7
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Beitrag von manfred7 » 04.03.2005 15:14

1. qualifizierte Beratung durch einen Fachhändler kostet logischerweise.
Für so eine Beratung wäre ich durchaus bereit, auch extra zu bezahlen, wenn ich sie brauche - notabene: für qualifizierte Beratung, NICHT für das Verbreiten von Gemeinplätzen und das Nachbeten von Werbeprospekten !

2. "Beratung" in Internetforen läuft für mich unter Erfahrungsberichte und Mundpropaganda.
Irgendeinen "Beratungsdiebstahl" kann ich nicht erkennen.

3. Ich kann mir vorstellen, Wachs und ähnliches Kleinzeug online zu bestellen, aber sicher keine essentiellen Dinge wie Ski oder Schuhe.
(überhaupt, wenn ich die Bindung selbst montieren müßte :oops: )

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ivan
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Beitrag von ivan » 04.03.2005 15:40

manfred7 hat geschrieben:3. Ich kann mir vorstellen, Wachs und ähnliches Kleinzeug online zu bestellen, aber sicher keine essentiellen Dinge wie Ski oder Schuhe.
ich beziehe mich nur kurz auf dieses nebenthema:

komischerweise tut eben das über 90% der race-community
eine sehr begrenzte zahl von rennläufern hat eine direkte auswahl
der rest muss rechtzeitig bestellen nd abwarten, was kommt
wenn ich zB den neuen Lange Worldcup 150 möchte, ist es fast zu spät (bis ende februar war´s letztes jahr)
sicher, einige kaufen sie bei spezialisten, bestellen bei Bilek...
aber die vereine?
man mus aber genau wissen, was er will, was bei verschiedenen härten (sowohl ski als auch schuhe) nicht so einfach ist

handelsübliche modelle (ski) gibt es eigentlich nur in einer härte (eine andere härte wird aus marketinggründen als ein anderer ski verkauft) und deshalb ist (sollte?) ihr erwerb via internet eigentlich nichts schlimmes

schuhe: s. den "initiator"-schuh-thread, da sind wir uns fast einig

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ivan
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Beitrag von ivan » 04.03.2005 15:48

Uwe hat geschrieben:Zu Deinem Bekannten mit den Skischuhen:
Er könnte eine Art "Leitner" werden; da ist die manuelle Dienstleistung etwas, was kein Internetshop machen kann. Ggf. mit einem regionalen Orthopäden zusammenarbeiten. Dann gibt´s für DORT gekaufte Skischuhe eine individuelle Einlage zum halben Preis dazu ... oder so.
sicher eine gute idee, auch deshalb möchte ich im frühjahr einen "grundkurs schuhanpassung" für unsere interessenten mit Leitner organisieren :D
die machen einlagen schon seit jahren
das alles aber kann die "ausprobierer" nicht fernhalten - wenn, wie Beate schreibt (und wenn´s so im "reichen" D funktioniert, dann um so mehr im armen CZ), die meisten leute einfach einen besseren preis wählen

Tigger76

Meine Handhabung des Themas "Billigeinkauf im Netz"

Beitrag von Tigger76 » 04.03.2005 16:02

Ich handhabe das ganz wie folgt:

In Bereichen, wo ich persönlich keinerlei Beratung benötige, da es sich entweder im Standardartikel oder im produkte handelt, wo ich eh mehr KnowHow aufbringe als der Verkäufer :D kaufe ich dann im Internet, wenn ich einen Preisvorteil erzielen kann, der groß genug ist, im einen evetuellen Servicenachteil im Schadensfall zu kompensieren.

Sämtliche Produkte, bei denen ich mich habe individuell beraten lassen, habe ich auch in entsprechendem Geschäft erworben. Das gehört einfach zu einem guten Geschäftsverhalten und ist das einzige, was für die Zukunft das Erheben einer Beratungspauschale seitens der Fachleute verhindern wird.
In den Fachgeschäften ist das Produkt ja schließlich nicht nur teurer, weil der Händler weniger Produkte absetzt als der Internetversender, sondern gerade weil die Beratung und damit das Fachpersonal refinanziert werden will.

Ein richtungsweisender Ansatz ist im allgemeinen ist der Fachhandel mit lokaler Niederlassung und angeschlossenem Onlineshop :-D

Just my 2 cents...

Martina
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Wohnort: St. Moritz / Regensburg D

Beitrag von Martina » 04.03.2005 19:44

Ich habe mir, als ich den Skischuhbeitrag gelesen habe, genau das gedacht, was Ivan eingangs geschrieben hat - aber darauf verzichtet, es zu schreiben.

Was mich betrifft:
Ich zahle gerne etwas mehr, wenn ich eine gute Beratung bekomme. Leider ist die Beratung nicht immer gut (auch nicht in sogenannten Fachgeschäften, gerade, was Ski und Schuhe betrifft).
Deswegen ist Mundpropaganda grad beim Thema "Wo gibt es gute Beratung" enorm wichtig.

Drum erwähne ich es hier mal wieder, auch wenn es nicht ganz zum Thema gehört:
Wollt ihr super passende Schuhe, dann geht zu Heierling in Davos!!!

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