Gleichgewichtsdiskrepanzen

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Herbert Züst
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von Herbert Züst » 25.08.2008 12:40

rätsein drastisches lehrmittel, zu welcher art messer, bzw. brechmittel t du.
Das eine war eine Brennholzfräse und das Brechmittel des Oberschenkels kenne ich bis heute noch nicht so genau, entweder war es ein Arzt oder wirklich ein Sturz beim Skifahren. Beides ist ja nicht zur Nachahmung empfohlen, man soll aber aus jeder Sache das Beste machen.
Die 'statischen' sind meist wesentlich schwieriger als die 'dynamischen'.
Ich finde die Statischen nicht unbedingt schwieriger, das ist eher eine Konzentrationssache. Beim Motorrad fahren, ist dies z.B. die Konzentration der Augen auf einen fernen Punkt, die einem hilft beim langsamen Fahren das Gleichgewicht zu behalten.

Gruss Herbert.
Herbert

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nicola
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von nicola » 25.08.2008 14:10

MartinFarrent hat geschrieben:
Herbert Züst hat geschrieben:Ich denke man sollte auch unterscheiden zwischen statischem und dynamischem Gleichgewicht, da beim dynamischen Gleichgewicht vielfach äussere Kräfte einwirken...
Einverstanden, Herbert - aber nur was die Intensität der äußeren Kräfte betrifft. Ansonsten ist Gleichgewicht ja auch im Stehen ein Prozess und kein einfrierbarer Zustand.

Interessant sind die Übungen, die ich überall im Netz gefunden habe. Die 'statischen' sind meist wesentlich schwieriger als die 'dynamischen'.
bitte allgemein vorsicht mit dem wort gleichgewicht - gehen beispielsweise können wir nur, wenn wir unseren schwerpunkt so weit nach vorne verlagern, bis sich unser körper nicht mehr im gleichgewicht befindet. ich finde die unterscheidung zwischen stabilität, balance und gleichgewicht nicht nur wegen der korrektheit im physikalischen sinn wichtig, sondern vor allem um in uns ein bild entstehen zu lassen. es gibt ausser liegen keine haltung, bei der wir ohne muskeln auskommen. man könnte also sagen, dass wir ständig balancieren müssen.

was nun das statische gleichgewicht betrifft, liesse sich in punkto biomechanik mit "halten einer bestimmten position" definieren. um dieses halten einer position so einfach wie möglich zu machen ist es wichtig, dass einerseits das skelett möglichst viel tragende, stützende rolle übernehmen kann und andererseits die muskelgruppen optimal zusammenspielen. ist man nun bewegungsmässig einseitig angelegt ist das halten einer position immens schwierig. am leichtesten fällt einem das entdecken von zusammenhängen im liegen am rücken oder wenn man eine sichere standposition einnimmt. in allen kampfkünsten beginnt man mit dem entdecken einer sicheren standform. imho ein sehr gutes mittel um darauf balancierte bewegung aufzubauen.
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von MartinFarrent » 25.08.2008 15:11

Herbert Züst hat geschrieben:Ich finde die Statischen nicht unbedingt schwieriger, das ist eher eine Konzentrationssache. Beim Motorrad fahren, ist dies z.B. die Konzentration der Augen auf einen fernen Punkt, die einem hilft beim langsamen Fahren das Gleichgewicht zu behalten.
Oder ist es unter anderem einfach die Konzentration auf etwas anderes - z.B. die Vorwärtsbewegung oder die Unebenheiten im Schnee?

Will sagen: Funktioniert Balance am besten, wenn wir nicht darauf fokussiert sind?

Probiere 'mal: Auf dem Fußballen eines Beines stehen. 30 Sekunden. a) Beim Fernsehen; b) mit offenen Augen in einem stillen Raum; c) mit geschlossenen Augen in einem stillen Raum.

Am schwierigsten scheint mir das Balancieren immer dann, wenn es keine Ablenkung vom Balancieren gibt.

Gruß

Martin

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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von Herbert Züst » 25.08.2008 15:24

Am schwierigsten scheint mir das Balancieren immer dann, wenn es keine Ablenkung vom Balancieren gibt.
Das würde ich so nicht sagen, vielmehr braucht man einen ruhenden Punkt auf den man sich konzentrieren kann. Wenn sich etwas bewegt und man zB. keinen Horizont hat, wird die Sache enorm schwierig. So gibt es,oder gab es, bei der Prüfung zum Bergführer in der Schweiz folgende Aufgabe: Stehe 2 Minuten einbeinig auf einem Steinblock und schaue den bewegten Wolken am Himmel zu. Dies ist fast unmöglich, ich finde aber, es kommt nicht darauf an, ob man auf dem linken oder rechten Bein steht, sondern viel mehr auf die innere, mentale Konzentration.

Gruss Herbert
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von nicola » 25.08.2008 18:03

martin hat geschrieben:Am schwierigsten scheint mir das Balancieren immer dann, wenn es keine Ablenkung vom Balancieren gibt.
Herbert Züst hat geschrieben: Das würde ich so nicht sagen, vielmehr braucht man einen ruhenden Punkt auf den man sich konzentrieren kann.[...] folgende Aufgabe: Stehe 2 Minuten einbeinig auf einem Steinblock und schaue den bewegten Wolken am Himmel zu. Dies ist fast unmöglich, ich finde aber, es kommt nicht darauf an, ob man auf dem linken oder rechten Bein steht, sondern viel mehr auf die innere, mentale Konzentration.
das eine schliesst ja das andere nicht aus - es geht besonders beim statischen balancieren viel mehr um die tiefenwahrnehmung oder propriozeption, also um informationen die der körper bereitstellt und nicht um sinneswahrnehmungen von aussen. wenn martin meint, dass ihm das balancieren schwer fällt wenn er sich darauf konzentriert, dann bedeutet das, dass er sich auf sinneseindrücke konzentriert, die signale von aussen zutragen. das ist in der tat viel schwieriger als auf automatismen der tiefenwahrnehmung zurückzugreifen. herbert macht das indem er sich auf das "innere" konzentriert, also auf das was ihm seine propriorezeptoren mitteilen. martin machts unbewusst, herbert bewusster.
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von MartinFarrent » 25.08.2008 21:34

Nicola,

interessant wäre die Frage, ob es für das praktische Skifahren etwas bringt, in Laborsituationen (Übungen) bewusst balancieren zu können. Ich vermute, dass die Antwort "ja" lautet, - allein wegen der generierten Selbstsicherheit. Mich würde deine Meinung dazu sehr interessieren, da du dich offenkundig sehr intensiv mit solchen Themen auseinandersetzt.

Mir gelingt das bewusste Balancieren nur mit Hilfskonstruktionen gut. Ich muss meine Gedanken einerseits in der Körpermitte verankern, mit meinen Augen aber einen äußeren Anker fixieren (etwa einen Punkt in der Ferne, wie von Herbert beschrieben).

Viele Grüße

Martin

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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von Herbert Züst » 26.08.2008 07:23

allein wegen der generierten Selbstsicherheit
Ich bin überzeugt, dass dies der springende Punkt ist. Genau diese Selbstsicherheit kann man trainieren oder sich sogar einsugerieren, in dem man sich vorstellt, dass man am Boden problemlos 10 km auf einem 20 cm breiten Brett gehen kann ohne daneben zu treten, also sollte dies doch auch auf dem 1m breiten Biancograt gehen obwohl es da beidseitig 800 m senkrecht hinunter geht.

Gruss Herbert
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von nicola » 27.08.2008 14:49

MartinFarrent hat geschrieben:Nicola,

interessant wäre die Frage, ob es für das praktische Skifahren etwas bringt, in Laborsituationen (Übungen) bewusst balancieren zu können. Ich vermute, dass die Antwort "ja" lautet
ja klar - diese "laborsituationen" findets du aber praktisch überall in deiner alltagsumgebung. und noch etwas, je älter man wird, desto wichtiger ist es sein balancegefühl zu erhalten, denn das nimmt mit zunehmenden alter sowieso automatisch ab.
Mir gelingt das bewusste Balancieren nur mit Hilfskonstruktionen gut. Ich muss meine Gedanken einerseits in der Körpermitte verankern, mit meinen Augen aber einen äußeren Anker fixieren (etwa einen Punkt in der Ferne, wie von Herbert beschrieben).
ich halte es für ausgesprochen wichtig das gleichgewichtsgefühl auch von den augen abzukoppeln. wir tun ohnehin permanent etwas mit den augen in unserer stark visuell geprägten kultur und deshalb oft viel zuwenig mit dem tiefensinn. beim skifahren ist dieser tiefensinn aber besonders wichtig, beispielsweise bei schlechter sicht. es gibt leute, die ihr gleichgewichtsempfinden so an die augen gekoppelt haben, dass sie bei dichtem nebel im stand umfallen, manche haben sogar ähnliche symptome wie bei seekrankheit.

wenn du sagst, du musst deine gedanken in der körpermitte verankern und für die augen einen externen anker benutzen, würde ich dir folgendes experiment vorschlagen: stell dich auf ein bein, schliess deine augen und konzentriere dich darauf was du in dir selbst wahrnimmst...
Herbert Züst hat geschrieben:Genau diese Selbstsicherheit kann man trainieren oder sich sogar einsugerieren
autosuggestion oder affirmative praktiken zur steigerung von selbstvertrauen halte ich bei sportarten mit gefahrenpotential für verfänglich. mit (auto)suggestion löst man keine probleme, sondern verdrängt sie, spätestens wenn angst auf taucht kehren die probleme meistens mit gesteigerter wucht zurück. ich spreche aus erfahrung, wir hatten im skiteam sehr viel damit experimentiert, letztendlich führte die sache aber eher zu mehr problemen als vorteilen.
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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von Mixery » 28.08.2008 22:41

nicola hat geschrieben: beim skifahren ist dieser tiefensinn aber besonders wichtig, beispielsweise bei schlechter sicht. es gibt leute, die ihr gleichgewichtsempfinden so an die augen gekoppelt haben, dass sie bei dichtem nebel im stand umfallen, manche haben sogar ähnliche symptome wie bei seekrankheit.
:o :o
Ich hab den Thread bisher nur oberflächlich verfolgt, aber jetzt wurde ich gerade hell wach. Bei mir ist das so!!! Wenn ich beim Skifahren nur durch kurze Nebelphasen muss wird mir sofort schwindelig und ich verliere ziemlich die Orientierung. Diesen "Umfalleffekt" habe ich dann auch öfter. Ist zwar noch nie wirklich passiert. Aber oft stehe ich dann und nach einigen Sekunden habe ich noch das Gefühl, dass ich aufpassen muss, dass ich nicht doch noch umfalle. Einmal musste ich eine längere Abfahrt im Nebel zurücklegen, unten endlich angekommen war es mir total übel. Den gleichen Effekt habe ich, wenn ich längere Zeit auf einem Boot bin.

Und so etwas kann man weg trainieren? Das würde mich sehr interessieren. Habe schon in die teuersten "Zauber"-Skibrillen investiert ;) (wegen besseren Kontrasten und so) aber so richtig in den Griff bekommen, habe ich das noch nie...

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Re: Gleichgewichtsdiskrepanzen

Beitrag von MartinFarrent » 29.08.2008 08:34

Das, was Herbert beschreibt, ist vielleicht nicht nur (Auto-)Suggestion.

Im Umgang mit Kindern spürt man einen feinen Unterschied:

"Du kannst, weil du es schon mal gemacht hast", ist als Ermutigung erstaunlich wirkungslos. Das ist der Versuch, den Erfolg rational zu einem Sicherheitsgefühl zu verarbeiten. Ich glaube nicht, dass dies die Funktion der Vernunft ist. Diese ist stark darin, uns beim Erlernen und Üben erfolgreicher Muster zu unterstützen. Deren Eingang in das automatische Fühlen und Verhalten erfolgt aber m.E. nicht mehr rational, sondern nur durch das wiederholte Erleben.

Allerdings glaube ich, dass Herbert diese gesteigerte Sicherheit durch Erleben auch meinte. Indem er das Prinzip verbalisierte, klang's nach Autosuggestion. Aber er legte den Finger dabei ja genau auf den wunden Punkt: Dass man etwas in einer bestimmten Situation mühelos kann, das Selbstvertrauen dazu (und damit die Fähigkeit) in einer anderen Lage aber weitgehend verliert. Nicht die rationale Übertragung bringt dann den gewünschten Effekt, sondern das konkrete Erleben, dass die Ratio nicht irrt.

Doch genau dieses Erleben kann ausbleiben, wenn man nicht alle Variablen kennt bzw. erarbeitet hat (sowohl rational als auch 'unterbewusst'). Beim Bogenschießen ist es z.B. so, dass viele Menschen bis zu einer bestimmten Distanz sehr präzise sind, darüber hinaus aber maßlos versagen - will sagen: überproportional das Ziel verfehlen. Was hier tatsächlich meist geschieht, ist eine subtile Veränderung der Form bei einem als schwierig empfundenen Schuss. Bei 30 Metern wird alles fein dosiert und abgestimmt. Bei 60 Metern ändert sich aber ungewollt die Technik. Sie entspricht nicht mehr dem Gelernten und Geübten, wird durch Stress korrumpiert. Dem wirkt man durch Analyse einerseits und durch Training und Wiederholung andererseits entgegen. Das ist ein 'geführtes Erleben', ähnlich den Balanceübungen.

Gruß

Martin

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