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Bitte um Analyse

Verfasst: 30.03.2011 15:45
von Schwede
Hallo,

ich bin vom 6. bis 18. Lebensjahr jedes Jahr ca. 10 Tage Ski gefahren. Danach folgten 9 Jahre Pause. Nun stand ich den 2. Winter hintereinander wieder auf den Brettern und habe versucht mir die Carvingtechnik (das gabs ja damals noch nicht so) autodidaktisch anzueignen.

Das erste Video ist auf einer blauen Piste, das zweite auf einer roten.

Über eine Analyse und Tipps zur Verbesserung würde ich mich freuen.
Außerdem die Frage: Wieviel Fortschritt könnte ich erwarten, wenn ich 1-2 Einzelstunden Unterricht nehmen würde?

MfG Jonas




Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 30.03.2011 16:57
von beate
Wieviel Fortschritt könnte ich erwarten, wenn ich 1-2 Einzelstunden Unterricht nehmen würde
WELCHE Fortschritte erwartest du denn bzw WAS möchtest du denn verbessern?
Definiere das bitte mal genau!

Zu den Videos:
Das zweite Video schaue ich mir bei zeiten in Ruhe an. Auf dem ersten kann ich nichts analysieren, sorry!
Beate

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 31.03.2011 12:53
von gernstl2
Beim zweiten Video mein ich daß deine Hüfte über dem Außenski zuweit hinten hängt. Dadurch ergibt sich auch die für meinen Geschmack zu extreme Schrittstellung und eine etwas verdrehte Position.
Versuch mal deine Hüfte über dem Außenski weiter nach vorne zu nehmen, so daß deine Ski und deine Hüfte (bzw. die imaginäre Linie die deine beiden Hüftgelenke verbindet) ungefähr einen rechten Winkel bilden.

Ansonsten gut gefahren (wobei die Verhältnisse schonmal schlechter sein können 8) )

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 31.03.2011 17:29
von beate
zum 2ten Video:
Ski laufen gut auf der Kante, schöne runde Kurven, gute Tempokontrolle.
Du fährst mit einem ausgeprägten Hüftknick, verdrehst den Oberkörper dabei aber leicht in die Kurven äussere Richtung (0:11, 0:14)
Du sitzt zu weit nach hinten ab (besonders deutl. 0:12, 0:13)
Das resultiert mE nach an der gebückten Oberkörperhaltung und der daraus entstehenden Ausgleichsbewegung deines "Hinterteils". Daher hat man auch den Eindruck, dass deine Hüfte zu weit hinten ist. Wo anders kann sie aber bei dem Knick, den du in Oberkörper und Hüfte hast, gar nicht hin :wink: ! Die Schultern müssen dabei etwas Gegendrehen, damit du die Balance halten kannst
Ich würde dir empfehlen, bewusst den Oberkörper aufzurichten. Die Hüfte dürfte dann automatisch weiter vorn sein.
Beate

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 31.03.2011 20:13
von Martina
lange Kurven:
Hier stimmt schon einiges, das Gleichgewicht ist gegeben, du hast ein Gefühl dafür, wie die Ski laufen und was du für Bewegungen ganz gut funktionieren. Allerdings ist deine Haltung blockiert und der Mittelteil der Kurve ist nicht gleichmässig/nicht gecarvt. Dort verlierst du auch manchmal das Gleichgewicht, das ist vermutlich in schwierigerem Gelände noch ausgeprägter.

Aufrichten würde ich auch als erste Massnahme empfehlen. Dein Oberkörper ist "dauervorgeklappt", was bewirkt, dass du das Becken weit hinten haben musst, damit das Gleichgewicht stimmt. Dadurch ist deine Haltung blockiert.
Und unbedingt Rucksack ausziehen, der unterstützt noch deine nach vorne gekippte Haltung.

Dann müsste man mal sehen, was sich dadurch schon ändert.

Was im Moment nicht richtig funktioniert, ist der Moment nach der eigentlichen Auslösung, aber vor/während der Fallinie und ganz kurz danach (ich glaub, in der CH "Steuerphase 1" genannt). Es ist schwierig zu erkennen, das wäre mal ein Fall, wo SloMo sehr hilfreich wäre (liegt aber nicht an der Aufnahme).
Die Auslösung selber ist, soweit ich sehe, ganz ok. Eine etwas stärkere Streckung der Beine beim Kippen würde den Ski einen Tick mehr Zeit geben beim Umkanten. Das würde aber vermutlich aber nur funktionieren, wenn der Oberkörper etwas mehr aufgerichtet wäre.
Anschliessend "lässt du die Hüfte stehen". D.h. die Ski wollen um die Kurve drehen, deine Hüfte zeigt aber talwärts. Ich nehme an, auch deine Beine, Knie und Füsse zeigen recht stark talwärts anstatt in die Kurve mitzudrehen. Denn ich haben dein Eindruck, die Ski wollen mehr drehen, aber mit deiner Position verhinderst du es.
Erst deutlich später in der Kurve (Steuerphase 2?) gehst du mit dem Körper mit und die Ski können weiter-/fertigdrehen.
Du löst die nächste Kurve jeweils recht früh aus (liegt vermutlich auch am nicht so steilen Hang), deshalb ist der Carvanteil der Kurve recht kurz. In steilerem Gelände müsstest du die Kurve unbedint mehr "zumachen"/"fertig fahren" (machst du vielleicht auch).

Im steileren Gelände könnte das dazu führen, dass du manchmal sehr schnell wirst und die Kurven zu gross. Allerdings kannst du das wohl meist wieder auffangen, vermutlich aber irgendwann nicht mehr mit einer geschnittenen Kurve.

Da du gegen Ende der Kurve meist - vom vorgekippten Oberkörper abgesehen - noch ein gute Haltung erreichst, denke ich, dass du unbewusst Mitte Kurve nicht mitdrehst.
Grundsätzlich stimmt hier schon viel. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dein "Problem" schwierig zu beheben ist, da bei dir einerseits die Auslösung etwas mehr Zeit brauchen würde, anschliessend aber sofort "mehr in die Kurve gedreht" werden sollte. Das ist koordinativ eine recht Herausforderung.

Ich würde
1. Oberkörper grundsätzlich etwas mehr aufrichten
2. Bei der Auslösung Beine ganz ausstrecken und gleichzeitig Oberkörper ganz aufrichten. Für den Anfang durchaus übertreiben, Bewegung langsam und extrem ausführen.
3. Wenn das funktioniert, wenn du spürst, dass der Ski mehr "von selber" in die Kurve dreht -> in dem Moment, wo die Ski zu drehen beginnen, äussere Hüfte und Schulter leicht in Fahrtrichtung mitdrehen.
Normalerweise würde ich hier übungshalber und als Übertreibung ein Vordrehen ausprobieren, aber da bei dir die Auslösung zu rasch und mit zu wenig strecken passiert, könnte das Kontraproduktiv sein.

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 04.04.2011 18:32
von Schwede
Hallo,
erstmal vielen Dank für Eure Antworten!
beate hat geschrieben: WELCHE Fortschritte erwartest du denn bzw WAS möchtest du denn verbessern?
Definiere das bitte mal genau!
Tja, das kann ich so genau nicht definieren. Ich möchte halt in allen Bereichen besser werden: dynamischer und technisch sauberer fahren; auch im Steileren so fahren können, wie im flacheren Gelände. Letztendlich möchte ich sowohl einen (modernen) Kurzschwung als auch länger gecarvte Schwünge bestmöglich - im Rahmen meiner Möglichkeiten - erlernen.

Insgesamt sind Eure Tips schon mal super und ich werde versuchen die Vorschläge umzusetzen.

Rucksack ab, Oberkörper aufrechter und äußere Hüfte weiter nach vorne bringen müsste ich ja eigentlich hinbekommen. Ausgestreckte Beine bei der Auslösung werde ich auch probieren.

Ich werde dann (leider erst nächsten Winter) Berichten bzw. per Video dokumentieren, was sich geändert hat.

Jonas

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 25.06.2011 19:26
von pulber
Hallo Jonas,

mal nur zum zweiten Video (generell ist das Filmen mit Vorbeifahren immer am besten; Videoposition ideal nach 2/3 des Hanges): Es wurde ja schon gesagt, daß Du grundsätzlich sicher auf den Ski stehst und definitiv zu den Fortgeschrittenen gehörst. Kritisiert wurde eine gewisse Verdrehung im Oberkörper und das übertriebene Absitzen.

Ich beschränke mich mal auf den Kurvenwechsel, denn meist passieren bereits da die kleinen "Fehler". Hier könntest Du etwas mehr arbeiten und die neue Kurve aktiv vorbereiten. Wir konzentrieren uns dabei darauf, den neuen Schwung sauber auf dem Außenski mit Belastung zentral bis leicht auf der Schaufel einzufahren. Typische Kontrolle (Belastung auf dem Ballen des neuen Außenskis). Drei nette Übungen sind folgende im flachen bis mittelsteilen Gelände:

1. Wir fahren mittlere Radien in langsamem Tempo. Stell Dir vor, beim Kurvenwechsel zieht Dich einer mit dem Gummiband an der Hüfte langsam aber bestimmt nach vorn auf den Fußballen. Dabei richtest Du Dich auf (Bewegung nach vorn oben), bis Deine Beine (übertrieben) fast ganz gestreckt sind. In dieser recht instabilen Position fährst Du "wie auf rohen Eiern" über den Ballen des neuen Außenskis in die neue Kurve. Wichtig: Laß Dir dabei viel Zeit, bis der Ski in die Fallinie dreht. Erst dann beginnst Du mit der Schwungsteuerung.

2. Stöcke weglassen und Übergang zu mittlerem Tempo. Arme locker nach vorne wie ein Klavierspieler. Hände zur lockeren Faust und kleinen und Zeigefinder ausgestreckt. Beim Kurvenwechsel "blinkst" Du quasi und zeigst die gewünschte Belastung an, und zwar so: Wir starten mit einer Linkskurve. Am Ende der Linkskurve sollten wir mehrheitlich auf dem rechten Außenski stehen. Zum Kurvenwechsel in die Rechtskurve sprichst Du laut zuerst "Großer Zeh" und "blinkst" mit dem linken Zeigefinder zum Anzeigen des Drucks auf dem Großen Zeh des neuen linken Außenskis. Spüre den Druck am Zeh und Ballen. Wenn Du das Widerlager beginnst aufzubauen, blinkst Du mit dem rechten kleinen Finger und sprichst "kleiner Zeh", um anzuzeigen, daß Du jetzt den neuen Innenski umlegst. Andere Kurve umgekehrt.

3. Mit der Übung eben haben wir spielerisch den A-Frame eingeführt. Das kann man jetzt mit Stöcken und sportlichem Tempo nochmal bewußt vertiefen. Wir starten wieder mit einer Linkskurve. Im Kurvenwechsel zur neuen Rechtskurve kippst Du bewußt zuerst den neuen Außenski (linker Ski) auf die Kante (großer Zeh des linken Fußes). Jetzt bist Du quasi in einer Art A- oder X-Bein-Stellung. Erst danach kippst Du den neuen Innenski (rechter Ski) auf die Kante (kleiner Zeh des rechten Fußes). Andere Kurve genau umgekehrt.

Was die Hüfte angeht: Generell wird die Bewegung aus dem Sprunggelenk initiiert, dann kippen zuerst die Knie und im Kurvenverlauf die Hüfte zur Kurvenmitte (je nachdem, wie stark man die Kurve zumachen will). Wichtig ist ein kontinuierlicher Druckaufbau. Nicht gleich mit der Hüfte nach innen kippen, dann hast Du Deine Bewegungsspielräume "verspielt". Du kannst dann nicht mehr reagieren und hast eine lange Plateau-Phase. Ziel ist aber eine fließende Fahrweise in Form einer Welle etwa. Zum Kurvenwechsel langsam nach vorn oben, dann sukzessive Druck aufbauen und tiefgehen. Noch ein Bild "Wir fahren die Kurve erst auf und dann zu" und nicht umgekehrt.

Zur Frage wegen Einzelunterrichts: Das kommt sehr auf den Skilehrer an. Ich würde mich wie gesagt in den 1-2 Stunden z.B. nur auf die mittleren Radien konzentrieren und hier speziell auf die Grundmerkmale beim Kurvenwechsel. Ziel wäre eine Sensibilisierung auch gut mit Video. Letztlich geht's ja darum, daß Du Situationen souverän und mit Spaß meistern kannst :)

So, das reicht ja erstmal :D

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 26.06.2011 14:37
von racecarver
Hallo Jonas

Es ist schon alles gesagt was zu sagen ist. Ich kann mir schon noch vorstellen, dass du im Steilen vielleicht etwas mehr Mühe hast. Bei deinem Niveau kannst du dich mit Tips wie aus diesen Thread oder von Kollegen auch gut weiterbringen. Skiunterricht zu nehmen ist sicher auch nicht schlecht aber da musst du schon gute Skilehrer erwischen und die sind nicht immer vorhanden. Also schau den Skilehrer vorerst mal gut an bevor du diesen buchst und bei einem Fall wie bei dir ist Unterricht mit Videoanalyse unumgänglich.

Gruss, Nardi

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 26.06.2011 19:33
von beate
pulber hat geschrieben:Was die Hüfte angeht: Generell wird die Bewegung aus dem Sprunggelenk initiiert, dann kippen zuerst die Knie.....
Wer initiert hier wo und wann GENERELL einen Schwung/ die Bewegung aus dem Sprunggelenk?
Wir Schweizer Skilehrer tun dies generell nicht, ich tue dies generell auch nicht aber wenn wir/ich das täten, würde ich es so formulieren. So hört es sich für mich eher nach einer Doktrin an und daran störe ich mich.
Beate

Re: Bitte um Analyse

Verfasst: 26.06.2011 22:19
von pulber
Hallo Beate,

danke für den Hinweis. Da hab ich mich verschrieben ... war mit den Gedanken schon weiter. Wollte sagen: "aus den Beinen initiiert". Das mit dem Sprunggelenk hatte ich nur im Hinterkopf. Es ist so gemeint: Bewegungen im Sprunggelenk übertragen sich direkt auf den Ski und insofern ich hier Übungen zum Kurvenwechsel für die Grundmerkmale (laut DSV/DSLV; ist ja an sich wurscht, wie man das nennt) "KSP bewegt sich nach vorn" und "Druckaufbau Außenski" beschrieben habe, spielt das Sprunggelenk eine wichtige Rolle. Bei der ersten Übung wollen wir ja auf den Ballen in die Kurven fahren, dann großer Zeh / kleiner Zeh. Aber das soll keine Doktrin sein. "Bewegungen aus den Beinen initiieren" ist bei uns im DSLV/DSV lediglich ein Grundmerkmal.

Beste Grüße und nochmal danke für den Hinweis,
Peter