Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

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plateaucarver
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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von plateaucarver » 19.09.2012 12:55

TOM_NRW hat geschrieben:Nehmen wir einmal folgendes Beispiel:
...
Nun werde ich in einen Unfall auf der linken Spur verwickelt. Eine 80jährige Frau, Fahrleistung 2.000 Km per anno, ist mit Tempo 80, ohne zu blinken auf die linke Spur gezogen, um ein anderes Auto auf die Autobahn zu lassen, obwohl die Auffahrt erst in mehreren hundert Meter beginnt. Leider konnte ich nicht mehr bremsen und pralle auf das Heck des Kleinwagens, der anschließend in die Leitplanke fährt.

Warum bekomme ich nun ohne jede weitere Betrachtung der Fakten eine Mitschuld nur weil ich mit 150 Km/h und somit schneller als die Richtgeschwindigkeit von 130 Km/h unterwegs war. Ich betone nochmals "linke Spur, keine Geschwindigkeitsbegrenzung, freie Sicht, Fahrfehler des Unfallverursachers, keine Möglichkeit anders zu reagieren ...".
Betrachten wir doch einmal die Fakten: bei 130 km/h legst du in der Reaktionssekunde 36 Meter zurück, bei 150 km/h 41 Meter - also fünf Meter ungebremste Fahrt mehr. Haust du dann die Vollbremsung rein und verzögerst mit ca. -8m/s², bist du bei Tempo 130 nach eindreiviertel Sekunden herunter auf Tempo 80 und brauchst dafür ca. 50 Meter (1,74s bei durchschnittlich 105 km/h, dem Mittelwert zwischen 130 und 80), bei Tempo 150 brauchst du dafür 2,4 Sekunden und 75 (!) Meter. Du brauchst bei Tempo 150 also 30 Meter mehr (116 statt 86, also ein Drittel mehr!), um hinter der ausscherenden Oma auf deren Tempo herunterzubremsen, müsstest also über eine Sekunde früher reagieren. Schaffst du das nicht, knallst du ihr mit knapp 100 km/h hintenrein (18 km/h Tempodifferenz).

Die Richtgeschwindigkeit ist vom Gesetzgeber empfohlen - das bedeutet: wer die Empfehlung überschreitet, tut dies auf eigenes Risiko in dem Sinne, dass ein durch das eigene Risikoverhalten entstandener und ansonsten vermeidbarer Schaden selbst getragen werden muss. Wenn also (gutachterlich) festgestellt wird, dass es genau wegen der zusätzlich erforderlichen 30 Meter gekracht hat, dann musst du selbst einen Anteil tragen, weil der Unfall bei "Idealverhalten", also Einhaltung der empfohlenen 130 km/h vermeidbar gewesen wäre - aber nur dann.

Dies und nichts anderes hat z.B. das OLG Nürnberg 2010 entschieden: "Die Nichteinhaltung der Richtgeschwindigkeit war vorliegend unfallursächlich. Der vorliegende Fall liefert geradezu ein Schulbeispiel dafür, wie massiv sich die Gefahr eines Unfalls durch die Missachtung der Richtgeschwindigkeit erhöht. Weil die Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h gefahren ist, genügte nicht einmal mehr eine Vollbremsung, um den trotz dieser Bremsung noch mit erheblicher Wucht erfolgenden Zusammenprall (etwa 43 km/h Differenzgeschwindigkeit) zu verhindern. Wäre die Beklagte zu 1) dagegen mit 130 km/h gefahren, hätte sie die Kollision mühelos vermeiden können."

Wenn du aber ein Gerichtsurteil weißt, wo "ohne Betrachtung der Fakten" so geurteilt wurde - bitte her mit der Fundstelle. Wird aber vermutlich schwierig werden, da der BGH allerdings schon 1992 den Gerichten vorgeschrieben hat festzustellen, "ob es zu dem Unfall mit vergleichbar schwerwiegenden Folgen auch gekommen wäre, wenn der Erstbeklagte die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingehalten hätte. Verbleibt es danach bei einer Haftung der Beklagten, so hat das Berufungsgericht eine erneute Abwägung der Verursachungsbeiträge vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung erweist sich, wovon das Berufungsgericht auch ausgeht, die Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten als wichtiger Faktor."

Noch ein wichtiger Satz aus diesem BGH-Urteil: "Das Fehlen unmittelbarer Sanktionen (hier: in der Autobahn-Richtgeschwindigkeitsverordnung) bedeutet indes nicht absolute rechtliche Irrelevanz auch für das Haftungsrecht."

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TOM_NRW
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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von TOM_NRW » 19.09.2012 20:19

Hi,

Nein, ich kenne keine anderen Urteile, ich Zweifel nur auch in dieser Stelle die sinnhaftigkeit der deutschen Rechtsprechung an. Sicherlich wäre der Unfall (bei Deiner Berechnung) vermeidbar gewesen, aber wer fragt den warum es überhaupt zum Aufprall kam? Dazu kommt, dass ich als geübter Autofahrer (Reaktionszeit weit unter der Sekunde) mit diversen Assistenzsystemen ab Board besser verzögere als die 15 Jahre alte Studentenkarre mit runtergefahrenen Bremsen. Wenn dieses Auto 130 fährt, fragt niemand nach der Vermeidbarkeit des Unfalls, obwohl er auch den Aufprall mit einem moderneren Bremssystem geschafft hätte. Oder liege ich hier falsch?

Da ganze geht durch die gesamte Rechtsprechung. Wenn mir im August bei 35 Grad Aussentemperatur die Firma Sixt einen Mietwagen mit Winterreifen gibt, ist das OK? Laut Rechtsprechung ja, anders sieht es jedoch aus, wenn bei der ersten Schneeflocke (bleibt nicht liegen, keine Glätte, ...) die niegelnagelneuen Sommerreifen montiert sind.

Sorry, wir brauchen nur soviel Gerichte und Juristen, weil unsere Politik nicht in der Lage ist, klare Gesetze zu schaffen. Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen. Meiner Meinung nach sollte es eine Helmpflicht geben, wenn der Gesetzgeber der Meinung ist, dass dies notwendig ist, Wenn nicht, darf man per se auch keine Mitschuld bekommen, wenn man keinen trägt. Dies ganz unabhängig von meiner Meinung zu Helmen oder der Diskussion der Wirksamkeit.

LG Thomas

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plateaucarver
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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von plateaucarver » 19.09.2012 22:04

TOM_NRW hat geschrieben:wer fragt denn warum es überhaupt zum Aufprall kam?
Das Gericht - wenn es feststellt, dass der Unfall auch bei 130 km/h nicht zu vermeiden gewesen wäre (wenn die Oma also z.B. 30 Meter vor dir ausschert, ohne zu blinken), dann musst du auch bei Tempo 150 keinen Eigenanteil tragen. Schert sie aber 90 Meter vor dir aus, kommt es nur dann zum "Aufprall", wenn du 150 statt 130 fährst -> vermeidbarer Unfall, Eigenanteil.
TOM_NRW hat geschrieben:Dazu kommt, dass ich als geübter Autofahrer (Reaktionszeit weit unter der Sekunde) mit diversen Assistenzsystemen ab Board besser verzögere als die 15 Jahre alte Studentenkarre mit runtergefahrenen Bremsen.
Selbst wenn du nur eine halbe Sekunde schaffen würdest (was ich bezweifle): der Reaktionsweg ist das kleinste Problem, der Bremsweg unterliegt keinen menschlichen Einflüssen mehr, sondern den Gesetzen der Physik - und die bestimmen, dass man bei Tempo 185 statt 130 einen doppelt so langen Bremsweg braucht.
TOM_NRW hat geschrieben:Wenn dieses Auto 130 fährt, fragt niemand nach der Vermeidbarkeit des Unfalls, obwohl er auch den Aufprall mit einem moderneren Bremssystem geschafft hätte.
Wenn mir eine Rostlaube hinten rein rauschte wenn ich beim Ausscheren den Blinker vergessen haben sollte, würde ich die Bremsen der Studentenkarre überprüfen lassen, ob sie noch so verzögern wie sie der TÜV vorschreibt und ob der Auffahrende auch wirklich voll gebremst hat. Falls nicht, hätte ich wohl eine gute Chance, nicht alles selbst zahlen zu müssen.
TOM_NRW hat geschrieben:anders sieht es jedoch aus, wenn bei der ersten Schneeflocke (bleibt nicht liegen, keine Glätte, ...) die niegelnagelneuen Sommerreifen montiert sind.
Wenn nur die Straße nass wird, traue ich einem Richter sogar zu, dass er erkennt, dass mit den "Wetterverhältnissen" in §2 StVO in Bezug auf die Bereifung die Straßenverhältnisse gemeint sind (sonst könnte man ja bei Glatteis und strahlendem Sonnenschein mit Sommerreifen fahren - es ist ja bestes Wetter ;-) )
Dazu noch ein interessantes Urteil: Kein Selbstbehalt, wenn die Autovermietung im Winter Sommerreifen aufzieht
TOM_NRW hat geschrieben: Meiner Meinung nach sollte es eine Helmpflicht geben, wenn der Gesetzgeber der Meinung ist, dass dies notwendig ist, Wenn nicht, darf man per se auch keine Mitschuld bekommen, wenn man keinen trägt.
Nimm doch mal das oben aufgeführte Gedankenexperiment mit den Glasvasen im Kofferraum und lies diese Sätze noch einmal. Soll der Gesetzgeber jeden Fitzelkram vorschreiben? Verpackungspflicht für zerbrechliche Güter bei privatem Transport? Eierkartonpflicht für rohe Eier? Natürlich wären dann DIN-Normen mit Dämpfungstests notwendig und es dürften nur zugelassenen Eierkartons verwendet werden ...

Oder ist es nicht vielleicht doch die bessere Lösung, es jedem freizustellen, ob er die üblichen, zumutbaren, dem "Hausverstand" entspringenden Vorkehrungen trifft - und wenn er darauf verzichtet, das auf eigenes Risiko tut? Diese Vorstellung ist mir weitaus lieber als ein Gebots- und Verbotsstaat.

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von TOM_NRW » 19.09.2012 23:42

Oder ist es nicht vielleicht doch die bessere Lösung, es jedem freizustellen, ob er die üblichen, zumutbaren, dem "Hausverstand" entspringenden Vorkehrungen trifft - und wenn er darauf verzichtet, das auf eigenes Risiko tut? Diese Vorstellung ist mir weitaus lieber als ein Gebots- und Verbotsstaat.
An dieser Stelle sind wir gar nicht weit auseinander. Jedoch haben wir so etwas ja bereits - nur nicht per Gesetz sondern per Rechtsprechung.

Problematisch wird es m.M.n., wenn Versicherungen Lösungsansätze suchen um sich vor Zahlungen zu drücken. Eines ist klar, Unfälle wird es immer geben und gerade dafür gibt es z.B. Haftpflichtversicherungen. Wenn Versicherer jedoch auf Basis solcher Urteile zum Ergebnis kommen am Ende nicht zahlen zu müssen, dann wird das Leben unberechenbar.

LG Thomas

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von NeusserGletscher » 22.09.2012 07:18

TOM_NRW hat geschrieben:Wenn Versicherer jedoch auf Basis solcher Urteile zum Ergebnis kommen am Ende nicht zahlen zu müssen, dann wird das Leben unberechenbar.
Gegen die Unberechenbarkeit des Lebens kann man sich extra versichern :D :D :D

Leider ist es so, daß Gerichte bereits mehrfach unabhängig von der Rechtslage ihre eigene Rechtsauffassung vertreten und diese getreu dem Motto "der Reichsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 11.11.1936 bereits entschieden" konsequent immer fortführen, bis eine höhere Instanz dann doch mal etwas anderes entscheidet.

Beispiel Autobahn: Offiziell gilt 130 als Richtgeschwindigkeit. Wer jedoch schneller unterwes ist und "unschuldig" in einen Unfall verwickelt wird, weil ein Traumtänzer bei Einfahren auf die leere Autobahn vorsorglich gleich schon mal auf die linke Spur zieht, dann wird dem Vorfahrtsberechtigten eine Mitschuld angedichtet. Weil er ja schneller unterwegs war als 130 und den Unfall bei 130 hätte vermeiden können.

Gleiches gilt für Radfahrer, bei denen die geltende Rechtsprechung meint, die überlicherweise zu erwartende maximale Geschindigkeit betrage bei ihnen 20 km/h! :evil: Selbst mit meinem MTB erreiche ich mit Stollenreifen auch über längere Distanzen 30 km/h und im Spurt sogar über 40 km/h. Dort ist auch nur das Ende, weil die Übersetzung nicht mehr hergibt.

Unte den Talaren der Mief von 1000 Jahren. Vor Deutschen Gerichten und auf hoher See kann einem halt nur noch der liebe Gott helfen.
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von maestro70 » 22.09.2012 09:52

Anordnung des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preussen im Jahr 1726:

Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäss zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt. :D :D :D

Heinrich Heine:
"Advokaten, die Bratenwender der Gesetze, die so lange die Gesetze wenden und anwenden, bis ein Braten für sie dabei abfällt."

Goethe:
"Einem Bauer dessen neuer Pfarrer Schnecken aß (Feinschmecker) begegnet ein Amtmann, und fragte wie stehts. Der Bauer sprach: ei gut unser Pfarrer frißt das Ungeziefer, wenn noch der Teufel die Amtleut und Advokaten holt, so sind wir geborgen. "

"Sollte ich einmal einen Sohn haben, soll er etwas Prosaisches werden: Jurist oder Seeräuber." (Lord Byron)

"Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen." (Dieter Hildebrandt)

"Jeder hat soviel Recht, wie er Macht hat." (Spinoza)

"Wer weiß, wie Gesetze und Würste zu Stande kommen, kann nachts nicht mehr ruhig schlafen." (Otto von Bismarck)

"Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen." (Tacitus)

"Jedes Ding hat zwei Seiten. Mit Rechtsanwalt drei." (Klaus Klages)

"Nie hat ein Dichter die Natur so frei ausgelegt, wie ein Jurist die Wirklichkeit. "(Jean Gidoux)

"Als sich der Ochs im Paradies langweilte, erfand er die Jurisprudenz“. (Hans Litten)

"Das kann doch nicht sein, dass der Bürger, der sich gesetzmäßig verhält, sich wie ein Idiot vorkommen muss." (Roman Herzog)

"Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind." (Charles de Gaulle)

"In Deutschland kann man, statt einen Prozess zu führen, ebenso gut würfeln." (Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Willi Geiger)

"Nicht nur die deutsche Justiz ist unbestechlich! Auf der ganzen Welt kann man mit der größten Geldsumme keinen Richter mehr dazu verführen, Recht zu sprechen." (Bertolt Brecht)

"Gesetzeslücken lassen sich durch beständigen Gebrauch beträchtlich erweitern." (Mark Twain)

"Er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande." (Ludwig Thoma)

...so, nu is gut...
Ich bin nicht gestört ! Ich bin verhaltensoriginell !

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von saschad74 » 24.09.2012 15:03

Servus,
plateaucarver hat geschrieben:Oder ist es nicht vielleicht doch die bessere Lösung, es jedem freizustellen, ob er die üblichen, zumutbaren, dem "Hausverstand" entspringenden Vorkehrungen trifft - und wenn er darauf verzichtet, das auf eigenes Risiko tut? Diese Vorstellung ist mir weitaus lieber als ein Gebots- und Verbotsstaat.
leider erlaubt meine Arbeitsbelastung es derzeit immer noch nicht, hier wieder tiefer einzusteigen, aber nur kurz: Ich finde, dass diese Art des Denkens einen sehr gefährlichen Weg eröffnet. Kann sich dann nicht mit ähnlicher Argumentation auch eine Krankenversicherung weigern, mehr als 50% der Lungenkrebs-Behandlungskosten zu übernehmen mit der Begründung, der Raucher hätte ja qua Hausverstand wissen können, was auf ihn zukommt und er solle bitte seine 50% der 75TEUR 'mal bitte schnell überweisen? Oder was ist mit den Kosten, die durch fehlgeschlagene Suizidversuche entstehen?
Oder noch genereller: sollte nicht jeder, der die Hochrisikosportart "Skifahren" betreibt, generell mindestens 25% Eigenanteil im Schadensfalle leisten, schließlich sagt einem doch der Hausverstand, dass es zuhause auf der Couch viel sicherer gewesen wäre...

Gruß,
Sascha

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von NeusserGletscher » 24.09.2012 15:38

saschad74 hat geschrieben:Oder noch genereller: sollte nicht jeder, der die Hochrisikosportart "Skifahren" betreibt, generell mindestens 25% Eigenanteil im Schadensfalle leisten, schließlich sagt einem doch der Hausverstand, dass es zuhause auf der Couch viel sicherer gewesen wäre...
Solche Überlegungen wurden sogar schon in früheren Sommerlöchern von dickbäuchigen Politikern ins Spiel gebracht. Die Erkenntnis, daß Bewegungsarmut zu viel mehr Kosten führt als vermeintliche Risikosportarten hat sich noch nicht überall herumgesprochen.
Was man selbst erledigt können andere nicht verkehrt machen.

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Re: Wichtiges Urteil zum (Nicht-) Tragen von Skihelmen

Beitrag von plateaucarver » 24.09.2012 16:01

saschad74 hat geschrieben:Servus,
plateaucarver hat geschrieben:Oder ist es nicht vielleicht doch die bessere Lösung, es jedem freizustellen, ob er die üblichen, zumutbaren, dem "Hausverstand" entspringenden Vorkehrungen trifft - und wenn er darauf verzichtet, das auf eigenes Risiko tut? Diese Vorstellung ist mir weitaus lieber als ein Gebots- und Verbotsstaat.
Ich finde, dass diese Art des Denkens einen sehr gefährlichen Weg eröffnet. Kann sich dann nicht mit ähnlicher Argumentation auch eine Krankenversicherung weigern, mehr als 50% der Lungenkrebs-Behandlungskosten zu übernehmen mit der Begründung, der Raucher hätte ja qua Hausverstand wissen können, was auf ihn zukommt und er solle bitte seine 50% der 75TEUR 'mal bitte schnell überweisen? Oder was ist mit den Kosten, die durch fehlgeschlagene Suizidversuche entstehen?
Jetzt werden zwei Dinge zusammengeworfen, die auseinander gehören:

1. der seit über 100 Jahren angewandte Grundsatz, dass man - wenn man von einem anderen Ersatz für einen zugefügten Schaden möchte - nur den Schaden ersetzt bekommt, den man unter den o.g. getroffenen Vorkehrungen erlitten hätte (z.B. stoßsicher verpackte Kristallvasen, nun eben Helm auf beim Skifahren)

2. Eigenschädigung bzw. Verwirklichung von Lebensrisiken am eigenen Leib

Zigarettenrauchen, Suizidversuche und auch das Skifahren ohne Helm fallen unter 2. - bei Eigenschädigung, d.h. wenn man ohne Helm selbst stürzt und sich verletzt, bezahlt die Krankenkasse bzw. Auslandskrankenversicherung weiterhin die Behandlungskosten, genauso wie die Krebsbehandlung beim Raucher.

Auch wenn du umgefahren wirst, übernimmt deine Krankenkasse natürlich die Behandlungskosten - wenn du aber mehr willst (Verdienstausfall, Schmerzensgeld), dann befinden wir uns nicht mehr bei Punkt 2. sondern bei Punkt 1., und da werden andere Maßstäbe angelegt.

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