Notlösung: alternative Helmsysteme
Verfasst: 30.12.2010 19:43
Liebe Leute,
vorweg: Skihelme sind auf Piste und im Gelände sicherlich die korrekte Wahl und sollten sich bereits weitgehend durchgesetzt haben, da beisst die Maus keinen Faden ab. Entscheidende Argumente werden auch im Equipment-Info (https://www.carving-ski.de/equipment/skihelme.php) angeführt. Der Beitrag hier soll also niemanden davon abhalten oder gar davon abraten, einen Skihelm zu kaufen oder auszuleihen!
Dennoch nur kurz der Tipp, wenn aus welchen Gründen auch immer schlichtweg kein Skihelm zur Verfügung stehen sollte: oft hat man daheim schon andere Helme (z.B. einen Radhelm) und kommt einfach nicht auf die Idee, dass man auch einen solchen Helm beim Skifahren aufsetzen könnte. Bevor man sich also gar nichts auf die kostbare Rübe schnallt, sollte man einfach schnell mal den Radhelm greifen und ihn zum Skifahren aufsetzen, denn auch ein schlechter Kompromiss ist oft besser als gar nichts. Bitte aber kein fälschliches Unverletzbarkeitsgefühl entwickeln und damit eine riskantere Fahrweise (passiert oft sogar unbewusst!) betreiben.
Wenn für Kinder bereits BMX- oder Skaterhelme vorhanden sind, dann ebenfalls: bevor gar nichts verwendet wird, lieber diese Helme rauf auf den Kopf, denn diese mit schlagzäher Schale schon etwas robusteren Helmstrukturen sind auch fürs Skifahren voraussichtlich besser als gar nichts! Dennoch, am allerbesten ist und bleibt freilich der Gang in den Laden des Vertrauens mit Kauf oder Ausleihe eines entsprechend angepassten Skihelms.
Bevor ich nun eventuell zerfleischt werde, möchte ich ein Paar Hintergrundinformationen und die deutlichen Sicherheitseinschränkungen alternativer Helme lieber gleich selbst vorbringen.
Arbeitsweise anderer Helmtypen im Freizeitsport:
Radhelme schützen in einer etwas anderen Weise und mit einer etwas anderen Konzeption den Kopf. Sie sind aber auf ähnliche Aufprallgeschwindigkeiten hin spezifiziert, können also durchaus eine gewisse Schutzfunktion auch beim Skifahren erfüllen. Die Schale eines Radhelmes ist fast immer (Ausnahme: einige BMX-Helme und Kindermodelle) als in-Mold-Konstruktion mit sehr dünner Kunststoffhaut ausgeführt, d.h. ein Styropor-artiger Grundkörper ist durch eine dünne und leichte, aber nur wenig schlagfeste und direkt mit dem Schaumkern verbundene Kunststoffummantelung verstärkt. Ein Radhelm wird daher bei starker Krafteinwirkung im Moment des Anpralls gewollt brechen und natürlich auch bei lokalen Krafteinwirkungen (z.B. Anprall einer Skikante) nur unter Strukturverletzung und einmalig einen Schutzeffekt ausüben. Diese Strukturverletzungen sind dann in Form von kompletten Strukturdurchbrüchen oder - seltener - nur als Riss im Schaumkern zu erkennen. Sie sind nicht reparabel und müssen stets zum Aussondern des Helmes führen. In der Struktur mit "Einmalschutz" liegt natürlich auch der Hauptnachteil eines Radhelmes. Da man beim Skifahren häufiger stürzt als beim Radfahren, ist der Skihelm mit seiner schlagzähen Schale oder zumindest einer dickeren Ummantelung beim in-Mold-Verfahren, die auch mehrfache mittelstarke Krafteinwirkungen besser verdaut, zu bevorzugen. Auch sollte man bei Verwendung eines Radhelmes auf der Piste vor der Wiederverwendung am Rad nochmals genauestens die Struktur prüfen, damit nicht eine Vorschädigung, die beim Skifahren geschehen ist, später die Schutzwirkung auf dem Rad beeinträchtigt.
Tourenskiläufer sieht man häufiger mal mit Kletterhelm auf dem Kopf. Gar nicht so schlecht, denn dieser hat immerhin eine schlagzähe Schale. Das gleiche trifft für viele BMX- oder Skaterhelme zu, die in Normalhaushalten schon öfter zu finden sind. Nachteile bleiben freilich dennoch: die meisten dieser alternativen Freizeitsport-Hemsysteme umschliessen den Kopf z.B. weniger als ein Skihelm. Der Rad- oder Skaterhelm geht z.B. davon aus, dass ein Anprall meist auf einer Fläche geschieht, so dass der Schutz von Nacken-, Gesichts- und Kieferregion durch die große Zirkumferenz des Helmes an der breitesten Stelle des Schädels gleich miterfüllt werden soll. Beim Kletterhelm erwartet man Ähnliches plus natürlich einen Schutz vor herabfallenden Steinen. Wenn man beim Skiunfall auf eine eisige Piste aufprallt, dann passt das noch. Wenn man allerdings einen gelösten Ski oder andere harte Gegenstände trifft, dann kann die weiter heruntergezogene Bauweise eines Skihelms noch besseren Schutz insbesondere vor Gesichtsverletzungen bieten. Dass im kalten Winter die Polsterung und stärkere Kopfumschliessung auch einen angenehmen Wärmeeffekt gegenüber einem auf Durchlüftung hin optimierten Helm aus anderen Sportarten haben kann, versteht sich von selbst. Auch sollte man bedenken, dass viele Helmschalen thermoplastische Eigenschaften haben, sich in der Kälte also auch spröder verhalten können, was dann bei Sturzeinwirkung z.B. Risse im Material begünstigen könnte. Die genaue Kontrolle der Helmstruktur vor Wiederverwendung im eigentlichen Anwendungsbereich muss also auch hier geschehen.
Mögliche "Vorteile" der alternativen Helmsysteme, wenn überhaupt, sind:
- weniger akustische Dämpfung (dafür aber mehr Windgeräusche; vergl. Effekt: Entnahme von Ohrpostern bei Skihelm)
- gute Durchlüftung (bei höheren Temperaturen/Sonnenschein)
- meist ein geringes Gewicht
Es gibt auch Skifahrer, die zwar einen Skihelm besitzen, diesen aber gar nicht (oder nicht immer) verwenden. Oft geäussertes Argument ist dann: ich schwitze unter dem Teil ganz fürchterlich. Meist ist dies mehr ein Problem der Kleidung als des Helmes, denn bei steigender Körpertemperatur gibt es gerade unter den Männern viele "Kopfschwitzer". Unter dem Helm staut sich dann zwar freilich der Schweiss. Der Helm ist daran aber meist nicht ursächlich schuld, sondern die ungünstige Bekleidung, die zum Wärmestau führte. Es wäre also eigentlich eine Zwiebelschalen-Taktik in der Kleidung angesagt. Sollte dennoch der Helm unerträglich bleiben, dann wäre ein Kletter-, BMX- oder Skater-Helm die passende (Not)Lösung, damit wenigstens ein gewisser Anprallschutz erhalten bleibt.
Abschliessend also nochmal: die Alternativen zum Skihelm sind keine Optimallösungen. Sie könnten aber "besser als gar nichts" sein, und dummerweise zu Hause liegen, während man sich vielleicht bei einem Skiunfall gerade an Kopf oder Hals verletzt.
Sorry für die Länge des Beitrages, die der Schwierigkeit der Thematik geschuldet ist. Allen eine jederzeit kontrollierte und umsichtige Fahrweise und Verletzungs-freie Skitage wünschend,
Michael
PS.: wenn Ihr zu diesem Beitrag Kritik oder Ergänzungen beitragen wollt, dann schickt mir gern eine PN mit (idealerweise begründeten) Änderungsvorschlägen, die ich gerne in positiver Weise in den Text einbauen möchte.
vorweg: Skihelme sind auf Piste und im Gelände sicherlich die korrekte Wahl und sollten sich bereits weitgehend durchgesetzt haben, da beisst die Maus keinen Faden ab. Entscheidende Argumente werden auch im Equipment-Info (https://www.carving-ski.de/equipment/skihelme.php) angeführt. Der Beitrag hier soll also niemanden davon abhalten oder gar davon abraten, einen Skihelm zu kaufen oder auszuleihen!
Dennoch nur kurz der Tipp, wenn aus welchen Gründen auch immer schlichtweg kein Skihelm zur Verfügung stehen sollte: oft hat man daheim schon andere Helme (z.B. einen Radhelm) und kommt einfach nicht auf die Idee, dass man auch einen solchen Helm beim Skifahren aufsetzen könnte. Bevor man sich also gar nichts auf die kostbare Rübe schnallt, sollte man einfach schnell mal den Radhelm greifen und ihn zum Skifahren aufsetzen, denn auch ein schlechter Kompromiss ist oft besser als gar nichts. Bitte aber kein fälschliches Unverletzbarkeitsgefühl entwickeln und damit eine riskantere Fahrweise (passiert oft sogar unbewusst!) betreiben.
Wenn für Kinder bereits BMX- oder Skaterhelme vorhanden sind, dann ebenfalls: bevor gar nichts verwendet wird, lieber diese Helme rauf auf den Kopf, denn diese mit schlagzäher Schale schon etwas robusteren Helmstrukturen sind auch fürs Skifahren voraussichtlich besser als gar nichts! Dennoch, am allerbesten ist und bleibt freilich der Gang in den Laden des Vertrauens mit Kauf oder Ausleihe eines entsprechend angepassten Skihelms.
Bevor ich nun eventuell zerfleischt werde, möchte ich ein Paar Hintergrundinformationen und die deutlichen Sicherheitseinschränkungen alternativer Helme lieber gleich selbst vorbringen.
Arbeitsweise anderer Helmtypen im Freizeitsport:
Radhelme schützen in einer etwas anderen Weise und mit einer etwas anderen Konzeption den Kopf. Sie sind aber auf ähnliche Aufprallgeschwindigkeiten hin spezifiziert, können also durchaus eine gewisse Schutzfunktion auch beim Skifahren erfüllen. Die Schale eines Radhelmes ist fast immer (Ausnahme: einige BMX-Helme und Kindermodelle) als in-Mold-Konstruktion mit sehr dünner Kunststoffhaut ausgeführt, d.h. ein Styropor-artiger Grundkörper ist durch eine dünne und leichte, aber nur wenig schlagfeste und direkt mit dem Schaumkern verbundene Kunststoffummantelung verstärkt. Ein Radhelm wird daher bei starker Krafteinwirkung im Moment des Anpralls gewollt brechen und natürlich auch bei lokalen Krafteinwirkungen (z.B. Anprall einer Skikante) nur unter Strukturverletzung und einmalig einen Schutzeffekt ausüben. Diese Strukturverletzungen sind dann in Form von kompletten Strukturdurchbrüchen oder - seltener - nur als Riss im Schaumkern zu erkennen. Sie sind nicht reparabel und müssen stets zum Aussondern des Helmes führen. In der Struktur mit "Einmalschutz" liegt natürlich auch der Hauptnachteil eines Radhelmes. Da man beim Skifahren häufiger stürzt als beim Radfahren, ist der Skihelm mit seiner schlagzähen Schale oder zumindest einer dickeren Ummantelung beim in-Mold-Verfahren, die auch mehrfache mittelstarke Krafteinwirkungen besser verdaut, zu bevorzugen. Auch sollte man bei Verwendung eines Radhelmes auf der Piste vor der Wiederverwendung am Rad nochmals genauestens die Struktur prüfen, damit nicht eine Vorschädigung, die beim Skifahren geschehen ist, später die Schutzwirkung auf dem Rad beeinträchtigt.
Tourenskiläufer sieht man häufiger mal mit Kletterhelm auf dem Kopf. Gar nicht so schlecht, denn dieser hat immerhin eine schlagzähe Schale. Das gleiche trifft für viele BMX- oder Skaterhelme zu, die in Normalhaushalten schon öfter zu finden sind. Nachteile bleiben freilich dennoch: die meisten dieser alternativen Freizeitsport-Hemsysteme umschliessen den Kopf z.B. weniger als ein Skihelm. Der Rad- oder Skaterhelm geht z.B. davon aus, dass ein Anprall meist auf einer Fläche geschieht, so dass der Schutz von Nacken-, Gesichts- und Kieferregion durch die große Zirkumferenz des Helmes an der breitesten Stelle des Schädels gleich miterfüllt werden soll. Beim Kletterhelm erwartet man Ähnliches plus natürlich einen Schutz vor herabfallenden Steinen. Wenn man beim Skiunfall auf eine eisige Piste aufprallt, dann passt das noch. Wenn man allerdings einen gelösten Ski oder andere harte Gegenstände trifft, dann kann die weiter heruntergezogene Bauweise eines Skihelms noch besseren Schutz insbesondere vor Gesichtsverletzungen bieten. Dass im kalten Winter die Polsterung und stärkere Kopfumschliessung auch einen angenehmen Wärmeeffekt gegenüber einem auf Durchlüftung hin optimierten Helm aus anderen Sportarten haben kann, versteht sich von selbst. Auch sollte man bedenken, dass viele Helmschalen thermoplastische Eigenschaften haben, sich in der Kälte also auch spröder verhalten können, was dann bei Sturzeinwirkung z.B. Risse im Material begünstigen könnte. Die genaue Kontrolle der Helmstruktur vor Wiederverwendung im eigentlichen Anwendungsbereich muss also auch hier geschehen.
Mögliche "Vorteile" der alternativen Helmsysteme, wenn überhaupt, sind:
- weniger akustische Dämpfung (dafür aber mehr Windgeräusche; vergl. Effekt: Entnahme von Ohrpostern bei Skihelm)
- gute Durchlüftung (bei höheren Temperaturen/Sonnenschein)
- meist ein geringes Gewicht
Es gibt auch Skifahrer, die zwar einen Skihelm besitzen, diesen aber gar nicht (oder nicht immer) verwenden. Oft geäussertes Argument ist dann: ich schwitze unter dem Teil ganz fürchterlich. Meist ist dies mehr ein Problem der Kleidung als des Helmes, denn bei steigender Körpertemperatur gibt es gerade unter den Männern viele "Kopfschwitzer". Unter dem Helm staut sich dann zwar freilich der Schweiss. Der Helm ist daran aber meist nicht ursächlich schuld, sondern die ungünstige Bekleidung, die zum Wärmestau führte. Es wäre also eigentlich eine Zwiebelschalen-Taktik in der Kleidung angesagt. Sollte dennoch der Helm unerträglich bleiben, dann wäre ein Kletter-, BMX- oder Skater-Helm die passende (Not)Lösung, damit wenigstens ein gewisser Anprallschutz erhalten bleibt.
Abschliessend also nochmal: die Alternativen zum Skihelm sind keine Optimallösungen. Sie könnten aber "besser als gar nichts" sein, und dummerweise zu Hause liegen, während man sich vielleicht bei einem Skiunfall gerade an Kopf oder Hals verletzt.
Sorry für die Länge des Beitrages, die der Schwierigkeit der Thematik geschuldet ist. Allen eine jederzeit kontrollierte und umsichtige Fahrweise und Verletzungs-freie Skitage wünschend,
Michael
PS.: wenn Ihr zu diesem Beitrag Kritik oder Ergänzungen beitragen wollt, dann schickt mir gern eine PN mit (idealerweise begründeten) Änderungsvorschlägen, die ich gerne in positiver Weise in den Text einbauen möchte.