Vorbemerkung: Nicht allzu häufig kommt es hier im Forum vor, dass ein und dasselbe Ereignis gleich in zwei Ski-Blogs gewürdigt wird. Meinem zweiten Harz-Ausflug auf Skiern vom Freitag, dem 29. Januar 2010, wird aber genau dies widerfahren. Hier gibt es die andere Version zu lesen:
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Der Anfänger, um den es in Beates Beitrag geht und den sie dort so gut wegkommen lässt, bin demzufolge
ich
7. Privatstunde in der "Zeitmaschine": Mit Beate in Braunlage
Lange geplant war sie: Beates private Skilektion, die sie mir nach meinem "Bispingen-Blues" spontan aus einem impulsiven Gefühl professionellen Entsetzens heraus zugesagt hatte. Irgendwas kam uns seit April 2009 aber immer dazwischen, was uns freilich nicht hinderte, uns etliche Male in Braunschweig auf einen immer netten und ausführlichen Kaffeeplausch zu treffen. Da hatte ich also wirklich eine Skilehrerin gefunden, die Professionalität ausstrahlt, auf meiner Wellenlinie liegt und - ganz wichtig - zu der ich schon rasch großes Vertrauen aufgebaut habe. Dass Beate diesen Winter doch immer mal wieder für bestimmte Zeiten nicht in Arosa ist und wir gleichzeitig Berge von Schnee im Harz haben, öffnete uns endlich eine gut zu realisierende Möglichkeit, unser Vorhaben wahr werden zu lassen.
Kurz nach 10 Uhr holte Beate mich ab und wie stets munter plauschend ging es aus dem Schmuddelwetter der antauenden Ebene in den sich in immer dichtere Schneeflocken hüllenden Harz nach Braunlage zur Rathauswiese. Beate war wie Claudia von der Topologie und Ausstattung dieses Anfängerareals positiv überrascht. Der Zustand der sanitären Anlagen im nahen Rathaus versetzte ihr als an eidgenössische Standards gewöhnte Zeit-Gastarbeiterin allerdings einen Kulturschock. Zugegeben, die Toilettentür war verzogen, aber was man nicht schließen kann, klemmt wenigstens beim Öffnen nicht. Sauber und warm war´s auch, so what?
Dass wir nicht nur zum Skilaufen hier hochgefahren waren, sondern uns auf einer Zeitreise in unsere Kindheit befanden, dämmerte uns erst später. Aber der Reihe nach.
Wir stiegen ein paar Meter zu Fuß auf, und als sich Beate davon überzeugt hatte, dass ich schon so etwas wie koordinierte Bewegungen auf meinen Skiern hinbekam, meinte sie: "Los, gleich zum Lift!" Dort erstanden wir Zehnerstreifen für erschwingliche 5 €, und sogleich folgte die theoretische Einweisung für den Ski-Novizen. Ich nickte, schob mir den nächsten schwarzen Pilz zwischen die Oberschenkel und kam - Anfängerglück! - problemlos oben an.
Auf dem Berglein wollte sich meine Lehrerin ale erstes mal den Bremspflug zeigen lassen. Ich nahm also wieder die sattsam beschriebene (Zwangs-)Haltung ein und rutschte recht hilflos auf sie zu. Die rückwärts vor mir herfahrende Beate rief nur: "Was machst Du denn da? So könnte ich auch nicht bremsen!" Nach dem händischen Ausbremsen bekam ich zu meiner großen Überraschung einen Pflug gezeigt, der durchaus großzügig Platz zwischen den Knien zuließ. Noch etwas ungläubig tat ich, wie mir gehießen - und ja, ich kam sofort zum stehen! Das quälende Problem, das mich über Monate an meiner grundsätzlichen Fähigkeit zum Skilaufen hatte zweifeln lassen, löste sich im Schneegestöber von Braunlage innerhalb weniger Momente auf. Ich war noch dabei, mir erleichtert die Nase zu putzen, als sich Beate talwärts wandte und mich aufforderte, ihr einfach mal zu folgen. Habe ich auch glatt gemacht und hing direkt an ihr dran. Zwischendrin ein paar Haltungskorrekturen und Tipps, wie man den Oberkörper besser zur Unterstützung der Kurvenfahrt einsetzen kann.
Die zweite Liftfahrt endete dann allerdings nach etwa 15 Metern infolge überkreuzter Ski. Beate war sogleich zur Stelle und zeigte mir, wie man sich vom Lift weg in eine idealere Ausgangslage fürs Aufsteigen bringt. Mit abgeschnalltem Bergski gelang es schließlich auch, wieder auf die Beine zu kommen. Der pappige Schnee klebte allerdings schon nach einmaligem Auftreten so dick unter den Stiefeln, dass einiges Treten, Ruckeln und Kratzen vonnöten war, um wieder in die Bindung zu finden. Dasselbe Spiel dann gleich nochmal wenige Meter nach dem Start: Zwar waren meine Ski noch parallel, aber ich rutschte mit dem Po nach hinten und ... naja auf den Skiern sitzend nach oben zu kommen erschien mir dann doch etwas unkomfortabel. Widerholung ist die Mutter des Wissens, sagt ein russisches Sprichwort, aber danach war das Thema Umfallen und Wiederaufstehen für diesen Tag auch abgehakt. Es hat sich einfach nicht mehr ergeben und absichtlich hinfallen mochte ich dann auch nicht mehr.
Nach der dritten Abfahrt kam von Beate: "Ich merke schon, dass Du anfängst, aus Langeweile parallel zu fahren und den Bergski anzuheben. Los, wir gehen auf die andere Seite des Lifts. Da ist zwar es etwas steiler, aber das bekommst Du hin." Aye aye Ma'am
Zunehmend hatte Beate derweilen mit ihren geliehenen Skiern zu kämpfen. Die Gleitflächen waren übersät mit tiefen Rissen, in denen sich große, harte Eiskristalle gebildet hatten. Noch von der Piste aus rief sie ihre Freundin im nahe gelegenen Maritim-Hotel an und schilderte ihr äußerst anschaulich die Misere mit den Latten. Dabei wurde ich unversehens als Kronzeuge bemüht: "Andreas meint auch, dass..." Dabei hatte ich nur mal zwischenzeitlich angemerkt, dass einseitig gehobelte Dachlatten aus dem Baumarkt, die man mit der Stichsäge tailliert und auf die man eine Skibindung aufgeschraubt hätte, sicher auch nicht schlechter liefen. Von Beates burlesken Zwischenfall mit den stehengeblieben Skiern am Liftstart erfuhr ich leider nur berichtsweise. Das wäre sicher ein Hit für die forumseigene Videosammlung geworden
Mich brachte das in die für einen Anfänger etwas eigenartige Situation, auf die eingeschränkte Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit meiner Lehrerin Rücksicht zu nehmen. Beate rief mir nur von Ferne noch Dinge wie "Such Dir Deine Linie und fahr sie aus" und einige Hinweise zur Haltungskorrektur zu. Ansonsten war ich wohl oder übel schon ganz mein eigener Herr. Meine herumrudernden Arme beschloss sie schließlich, durch das Mitführen der Skistöcke zu bändigen. Ich bekam etwa auf der Mitte des Hangs bereits solche Geschwindigkeiten in der Kurve hin, dass mir Uwes Anmerkungen zu den zu schlapp eingestellten und selbst öffnenden Bindungen sofort in den Sinn kamen. Nach der Punktlandung vor dem Lift kommentierte Beate meinen schon recht zügigen Ritt mit den Worten: "Es wird Zeit, Deine Bindungen sofort nach unserem Ausflug wieder hochstellen zu lassen."
Beim Anstehen am Lift beobachteten wir derweilen eine Gruppe Anfänger auf der weniger steilen Hangseite, die von einem heftig gestikulierenden Instrukteur der lokalen Skischule domptiert wurden. Beate platzte sogleich temperamentvoll heraus: "Meine Güte, wenn ich das schon wieder sehe, bekomme ich Augenkrebs! Siehst Du, deshalb habe ich Dich hier vor den Skischulen gewarnt." Ich fand es auch nur grauenvoll und äußerte: "Da hätte ich es wohl auch nicht gelernt und nur durch Deine spezielle Betreuung..." Beate fiel mir ins Wort: "Was heißt hier spezielle Betreuung? Ich unterrichte Dich hier nach dem regulären schweizerischen Lehrplan."
Als unsere Zehnerkarten aufgebraucht waren und wir gute zwei Stunden auf der Rathauswiese zugebracht hatten, schlug ich meiner Lehrerin vor, trotz des erfolgreichen Verlaufs unserer gemeinsamen Stunde nun doch Schluss zu machen. Ich hatte deutlich merklich Hunger und Durst (und nahm dasselbe für Beate an), und meine Konzentration nahm dementsprechend ab. Die eigentliche Piste verschwand ohnehin immer mehr unter Massen von Neuschnee und angesichts der schlechten Verfassung von Beates Ski war ich inzwischen immer deutlicher früher im Tal als sie. Die gesetzten Ziele für diesen Tag waren erreicht und sogar meiner Meinung nach übertroffen worden, und es wäre sicher nicht mehr besser geworden.
Den Blutzuckerspiegel brachten Beate und ich in dem nunmehr bereits mit Claudia und Freund erprobten Panorama-Café oberhalb der Rathauswiese mittels leckerer Waffel mit allem Drum und Dran (diesmal mit heißen Kirschen) auf einen ordentlichen Wert. Hier ereilte uns der zweite nostalgische Flash (Beate: "Genau diesen roten Teppichboden hatte meine Oma auch!"), der sich bei unserem Spontanbesuch bei Beates Freundin auf dem Kongress der niedersächsischen Zahnärzte im Maritim-Hotel noch um einiges stärker wiederholen sollte. Wenn jemand mal irgendwo eine Location suchen sollte, an der man einen Spielfilm im unverfälschten Ambiente der mittleren 1970er Jahre drehen könnte, sollte sich unbedingt mal in Braunlage umschauen. Man müsste den Ort nur mit einigen zeitgenössischen Autos, Plakaten und Statisten in bonbonbunten Skiklamotten dekorieren. Auf der Rückfahrt auf ungeräumten Straßen sinnierten wir gemeinsam über die fast gespenstische Kulisse, die wir soeben erlebt hatten. Wir fühlten uns zurückversetzt in eine ferne Zeit, in der wir mit Eltern oder Großeltern im Harz gewesen waren. In Braunlage ist mein Wunsch, Skifahren zu können, tatsächlich einst entstanden. Ich war 12 Jahre alt und es sah alles schon so aus, wie es heute noch ist. Inzwischen bin ich 42, aber auf der Rathauswiese stand am Freitag irgendwie auch der Junge von damals. Es war für mich ein kindlich unbeschwertes Glücksgefühl, auf meinen Skiern endlich diesen kleinen Hang heruntergleiten zu können. Das war mehr als nur eine Skilektion - das war eine Zeitreise.
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An dieser Stelle möchte ich Beate nochmals ganz herzlich danken für einen in jeder Hinsicht besonderen Tag und das viele, was sie für mich bisher getan hat! Diesen Dank möchte ich ganz ausdrücklich aber auch nochmals Claudia aussprechen, denn ohne ihre geduldige Vorarbeit wäre es bei uns am Freitag niemals so flott vorangegangen. Dass mit dem Bremspflug ist ein Detail, bei dem Beate als routinierte Skilehrerin klar punkten konnte. Ungeachtet dessen ist die Tatsache, dass ich Beate gleich ab der ersten Abfahrt problemlos folgen konnte und stabile, wenn auch gewiss noch nicht formvollendete Bögen fahren konnte, Claudias Verdienst.
Claudia und Beate, Ihr seid nun meine "Ski-Mütter"
und habt, ohne Euch bisher persönlich zu kennen, aus meiner Sicht als perfektes Team gewirkt. Mein Erfolg war nur durch Euch beide so möglich. Ich fühle mich von Euch reich beschenkt und sichere Euch hiermit feierlich ein Dauerabo für heiße Waffeln mit allem Drum und Dran zu
Hoffentlich schaffen wir es bald mal, uns alle drei zu treffen. Ab jetzt natürlich gern auch auf Skiern...
Schließlich der Dank an Euch anderen wackeren Unterstützerinnen und Unterstützer hier im Forum. Ohne
https://www.carving-ski.de wäre es zu alledem niemals gekommen.
Andreas