Alpine Gefahren

Alles rund ums Tourengehen, Freeriden und Sicherheit abseits der Pisten. Siehe auch Bericht Freeriding - Sicherheit abseits der Pisten
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Herbert Züst
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Beitrag von Herbert Züst » 11.04.2008 13:24

wieviele spaltenstürze hast du denn schon gehalten mit offener bindung und fellen unter den skiern?
Zum Glück noch keinen. Ich habe mich auf dem Rhone Gletscher einmal übungshalber etwa 5 m tief in eine Spalte abgeseilt und mich von meinen Kameraden “retten“ lassen. Obwohl ich nicht eingeklemmt war, war die Bergung äusserst anstrengend. Man fällt also besser erst einmal gar nicht rein. Stehend wird man auch keinen Kameraden halten können, man fällt um und versucht sich möglicht mit dem Eisgerät im Schnee zu verkrallen.
und mit wie vielen Bergführern bist du schon am seil abgefahren?
Während der Ausbildung so etwa mit fünfen. Später als SAC Tourenleiter habe ich meist keinen Bergführer mehr gebraucht wir sind wenn es notwendig war aber trotzdem am Seil gefahren..
zudem ist die Schneeauflage am palü um diese jahreszeit wohl die beste und die brücken sind am stabilsten. man wird also gerade im märz bezogen auf das ganze jahr, am wenigsten genötigt sein zum seil zu greifen.
Nach meinen Informationen gibt es im Normalaufstieg nur noch eine einzige zuverlässige Brücke welche nach Meinung eines Bergführers bei weiterem Fortschreiten der Klimaerwärmung auch nicht mehr lange sicher ist. Auf den Palü geht man mit den Skiern sicher nie im Winter sondern immer im Frühjahr. Da aber im Frühjahr die Sonneneinstralung sehr intensiv ist, weichen die Schneebrücken gegen Mittag auf und sind nicht mehr tragfähig. Um diese Zeit besteht auch die Gefahr von Nassschneerutsche. Aus diesen Gründen sollte man an gefährdeten Stellen am Seil gehen und am Mittag zurück sein. Gerade am Palü mit 6h Aufstieg sollte man daher nicht auf die erste Bahn warten, sondern auf der Diavoleza oder der Boval Hütte übernachten und spätestens um 6 Uhr (Ab Boval um 5 Uhr) aufbrechen.
woher also - in anbetracht der tatsache, dass du in genau jedem deiner angesprochenen punkte 180° daneben zielst - beziehst du eigentlich dein wissen? oder ziehst du dir das einfach so aus der nase um die damenwelt hier im forum - na du weisst schon - ein bisschen zu beeindrucken?
Mein Wissen basiert auf der Ausbildung zum Tourenleiter des SAC (schweizerischer Alpenclub)
Diese Ausbildung bestand aus 5 einwöchigen Winter und 3 einwöchigen Sommerkursen. In dieser Ausbildung lernte man unter Anderem die Handhabung des Seils, sowie das Sichern und Gehen am Seil. Eine Woche hatten wir reine Gletscherausbildung auf dem Rhone Gletscher neben dem Verhalten und Gehen auf dem Gletscher lernten und übten wir auch Spalten Beurteilung, Risikoabschätzung und Spaltenrettung. Während und nach dieser Ausbildung machte ich mit meinen Bergkameraden hunderte von Hochtouren unter anderem waren wir auch fünf Mal am Palü und einmal am Bianco Grat. Ich glaube also dieses Gebiet recht gut zu kennen.
Bei den Damen hier würde ich ja recht gerne Eindruck schinden. Ich glaube aber die lassen sich von solchen Sachen nicht beeindrucken, die Eine fährt nicht gerne am Seil und die Andere hat wahrscheinlich eine weitaus grössere Touren Erfahrung als ich.

Gruss Herbert

nicht ich
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Re:

Beitrag von nicht ich » 28.05.2008 20:11

nicola hat geschrieben:[-at-] nicht ich - wieviele spaltenstürze hast du denn schon nicht gehalten? :o
servus nici,

möchtest du damit implezieren ich hätte spaltenstürze von freunden fahrlässig zu verantworten? du wirst verstehen, dass ich darauf nicht weiter eingehen werde.

meine frage hingegen an herbert ist ganz normal, da es zu jeder vernünftigen übung gehört spaltenstürze (mit hintersicherung) zu üben.

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nicola
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Re: Alpine Gefahren

Beitrag von nicola » 28.05.2008 20:57

graissdi pauli
nicht ich hat geschrieben:möchtest du damit implezieren ich hätte spaltenstürze von freunden fahrlässig zu verantworten? du wirst verstehen, dass ich darauf nicht weiter eingehen werde.
das war eher scherzhaft provokativ gemeint - fahrlässigkeit habe ich weder gedacht noch erwähnt. wie kommst du denn darauf?

das nicht-halten-können seiner seilschaft ist eine horrorvision. allerdings dachte ich im hintergrund meiner frage ob du selbst schon in dieser lage warst -> eine seilschaft mit bindung im aufstiegsmodus (das meinst doch mit offener bindung, oder?) und fellen beim spaltensturz halten zu müssen und deshalb weisst wie schwierig es ist oder gute infos aus zweiter hand hast.
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nicht ich
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Re:

Beitrag von nicht ich » 28.05.2008 22:03

nicola hat geschrieben:hallo poldy,
das verlinkte dokument sollte auch keineswegs als anleitung verstanden werden, sondern den laien einen kurzen einblick geben wovon hier überhaupt gesprochen wird. sichern und bergen kann man niemals aus einem buch lernen, da gebe ich dir vollkommen recht! und der ernstfall und die übung sind auch zweierlei paar schuhe.

als bergführertochter und selbst staatl. geprüfte skiführerin kenne ich die praxis recht gut und denke, dass bei gewissen tourenkonstellationen das mitführen von seil- und sonstigen sicherungsmaterialien notwendig ist, auch wenn man sie möglicherweise nicht braucht. das gehört für mich zum risikomanagment. aussagen, dass es "heutzutage alles andere als usus ist" am seil abzufahren halte ich für etwas sehr gewagt pauschal. "heutzutage" kann es genauso einen wetterumschwung geben wie "seinerzeit" und bspw. die konstellation eines gruppenmitglieds eine abweichende route erfordern.

was ich weder als besonders lästig noch aufwendig sehe, ist das anlegen eines gurts, damit kann man allfällige bergeaktionen drastisch erleichtern.
ich weiss es ist schwierig den von mir verfassten 5 - 6 zeiler auf welchen du dich beziehst in seiner komplexen tiefgründigkeit vollumfänglich zu rezipieren :roll: - deshalb, es sei dir verziehen. danke übrigens, dass du mit deinem geschickten google händchen einen artikel hervorzaubertest, der meine aussagen belegt. :lol:
Herbert Züst hat geschrieben:Solche gefährliche Rettungen sind absolut unnötig, wenn die primitivsten Regeln Des Alpinismuses eingehalten würden die da lauten: Vor dem Mittag zurück oder auf der Hütte über den Gletscher nur angeseilt in mind. einer 3-er Gruppe.
Martina hat geschrieben: - Der Gletscher ist zurückgegangen. Früher war eine einzige kleine Spaltenzone zu überwinden, die zudem im Winter auch noch recht gut verschneit war.
Viele haben sich nur für diese Zone angeseilt (und für den Gipfelgrat), was ich persönlich durchaus für vertretbar halte und auch so gemacht habe.
Heute ist der Berg aber deutlich weniger tief verschneit als früher, zudem ist die Abschmelzung im Sommer grösser geworden.
Dadurch sind im Winter deutlich mehr Spalten offen, auch z.B. im oberen Bereich. Anseilen auf der ganzen Strecke (ab Gletscher) ist wohl anzuraten. Wohl auf für die Abfahrt, pfuibäh!
es ist eben nicht so, dass man sich auf skihochtouren auf dem gletscher grundsätzlich anseilt wie von herbert gefordert. es ist eben nicht usus - sondern absolut unüblich und kommt nur in ganz speziellen situationen zum einsatz. und gerade im bezug auf den palü kann es sehr gefährlich sein dies für die ganze route zu empfehlen wie es martina fordert unf führt in der regel nicht zu einer verminderung des gefährdungspotentials sondern zu dessen steigerung.

da die ganze thematik aber überaus komplex ist zugleich aber offenbar kein ehrliches interesse besteht aufzuklären möchte ich weitgehend auf weitere erläuterungen verzichten und nur folgendes zu meinen vagen andeutungen im letzten posting ergänzen. das abfahren am seil macht in aller regel nur sinn, und wird auch von bergführern normalerweise nur so angewendet, dass in bestimmten situationen es eher einem kontrollierten ablassen an mehr oder weniger improvisierten fixpunkten gleichkommt. von gemeinsamem fahren kann dann keine rede mehr sein.

gemeinhin geht die tendenz in der lehrmeinung bezüglich seilsicherung heute dazu und zwar ganz allgemein - egal ob winter oder sommer, ob grat oder flanke, ob fels oder eis, dass solange es sich nicht um einen flachen gletscher handelt (wobei eine klare definition, was flach ist nicht möglich ist, da dies absolut von den gegebenen bedingungen abhängt - man jedoch ab etwa 25° keinesfalls allgemein von flach reden kann) man entweder seilfrei geht, oder von stand zu stand oder aber zumindest mit fixen zwischensicherungen arbeitet.

es hat sich also, wie ich nicht nur nach deinen aussagen annehmen muss, lieber herbert, einiges getan in den letzten jahren. und so ungelegen und unbeliebt diese neuerungen in kombiniertem gelände bei, langen gradanstiegen, bei ständigem wechsel zwischen klettern und gehen kommen (das geht soweit, dass man beim eingebundenen gehen zwischen kletterpassagen nicht mehr von seilschaft, oder gehen am kurzen oder langen seil reden darf, sondern es sich dabei offiziell um "seiltransport" handelt :lol: )- so gelegen und willkommen sind sie einem bei skihochtouren..

aber gottseidank darf es ja noch jeder so machen wie es ihm lieb ist. nur wenn mir dann deine oder martinas seilschaft geschlossen entgegenpurzelt und mich mit dem seil in eine spalte mitreisst - dann kann es sein, dass ich trotz allem ungehalten werde.
Zuletzt geändert von nicht ich am 28.05.2008 23:42, insgesamt 1-mal geändert.

nicht ich
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Re: Alpine Gefahren

Beitrag von nicht ich » 28.05.2008 23:17

nicola hat geschrieben:graissdi pauli
nicht ich hat geschrieben:möchtest du damit implezieren ich hätte spaltenstürze von freunden fahrlässig zu verantworten? du wirst verstehen, dass ich darauf nicht weiter eingehen werde.
das war eher scherzhaft provokativ gemeint - fahrlässigkeit habe ich weder gedacht noch erwähnt. wie kommst du denn darauf?

das nicht-halten-können seiner seilschaft ist eine horrorvision. allerdings dachte ich im hintergrund meiner frage ob du selbst schon in dieser lage warst -> eine seilschaft mit bindung im aufstiegsmodus (das meinst doch mit offener bindung, oder?) und fellen beim spaltensturz halten zu müssen und deshalb weisst wie schwierig es ist oder gute infos aus zweiter hand hast.
ich habe noch keine stürze mit fellen unter den skiern halten müssen. ich gehe aber auch so gut wie nie mit skiern und fellen am langen seil.

was ich hingegen gehalten habe sind stürze im sommer. sowohl trainingsstürze auf blankeis, als auch normale kleine einbrüche und einen richtigen, völlig unerwarteten sturz über mehrere meter. daher weiss ich in etwa was da an belastung auf einen zukommt.

was ich auch weiss, ist wie unglaublich kibbelig man mit offener bindung, evt. mit steighilfe und fellen steht. die meisten fallen doch schon von alleine hin, wenn es nur mal 2 meter zum runterrutschen gibt oder ein harschiger hang zu queren ist - ganz ohne den sturz eines anderen halten zu müssen. da muss man kein physiker sein um eins und eins zusammenzuzählen.

ich wüsste auch nicht dass es dazu untersuchungen gäbe.

insoweit war meine frage natürlich auch ein bischen rhetorisch gemeint. denn ich denke es gibt auf der welt nur sehr wenige menschen die so einen sturz schon gehalten haben und dies wahrscheinlich nur unter speziellen bedingungen wie absolut flach oder aufwärts geneigt und tiefer weicher schnee. daher ist es in meinen augen fahrlässige auf einem gletscher, der über weiteste strecken 30° steil ist eine anseilpflicht für skitourengänger zu fordern.

ich weiss es gibt aber untersuchungen zu mitreissern und seilschaftsstürzen ohne skitourenausrüstung. diese sind erschreckend genug. wenn interesse besteht kann ich die vielleicht auch finden.
Zuletzt geändert von nicht ich am 29.05.2008 00:17, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Alpine Gefahren

Beitrag von nicht ich » 29.05.2008 00:15

einzige sekundärquelle die ich auf die schnelle insbesondere zu pit schuberts und des dav sicherheitskreises untersuchungen zu mitreissunfällen online finden konnte:

quellenangaben im pdf.

bezieht sich wie gesagt auf die, im sinne der haltekräfte und nicht im sinne der spalteneinbruchsgefahr, deutlich günstigere ausgangslage von fussgängern gegenüber skialpinisten. ums zu wiederholen: skialpinisten brechen deutlich weniger ein, können aber meines erachtens deutlich schlechter einen sturz halten.

http://alpinerecreation.co.nz/ShortRopeDeutsch.pdf

Poldy

Re: Alpine Gefahren

Beitrag von Poldy » 29.05.2008 09:20

ein sehr interessantes dokument. regt zum nachdenken an. vielen Dank. die versuche und berechnungen kann ich letztlich nicht professionell bewerten, bin weder physiker noch bgf. m.E. bietet das dokument aber zumindest einen denkanstoss. die selbstverantwortung des "schwächeren" zu betonen mag objektiv betrachtet zwar naheliegend sein, ist dem "schwächeren" aber wohl nicht vermittelbar. Der bgf dürfte wohl kaum zu seinem kunden sagen : " so jetzt kommt ein firnhang steiler als 30 grad ohne auslauf, ich binde dich jetzt aus, damit wenigstens ich überlebe, wenn du ausgleitest ". Oder am matterhorn : " so jetzt hast Du eine schöne ausbildungstour vorgestern mit mir gemacht, dann kannst du den hörnligrat ja von deinen technischen fähigkeiten her seilfrei auf (ab!) steigen, denn wahrscheinlich kann ich dich ohnehin nicht halten, wenn du stolperst oder ausgleitest; ich steige aber mit dir, denn du hast die XXX chf dafür bezahlt, dass ich dir gut zurede und den weg zeige, du weißt ja : am horn kennen nur die zermatter führer den weg" . insofern sehr grau ist die theorie.
Poldy

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Re: Re:

Beitrag von nicola » 29.05.2008 11:37

nicht ich hat geschrieben:gemeinhin geht die tendenz in der lehrmeinung bezüglich seilsicherung heute dazu und zwar ganz allgemein - egal ob winter oder sommer, ob grat oder flanke, ob fels oder eis, dass solange es sich nicht um einen flachen gletscher handelt (wobei eine klare definition, was flach ist nicht möglich ist, da dies absolut von den gegebenen bedingungen abhängt - man jedoch ab etwa 25° keinesfalls allgemein von flach reden kann) man entweder seilfrei geht, oder von stand zu stand oder aber zumindest mit fixen zwischensicherungen arbeitet.
:zs: pauli, aber diese "lehrmeinung" ist so neu auch wieder nicht ... ich wurde als kind schon "eingeweiht" und auf unsinnige methoden aufmerksam (einmal begegnete uns ein führer im gletscheraufstieg, der zwölf leute jeweils am handgelenk angebunden hatte, er selbst trug das lose seilende in der hand, sein hund fungierte quasi als nachtreiber :lol: ) und in meiner skiführerausbildung (80 - 82) war sie AT standard (nicht die mit dem hund :D )

ich denke es ist wichtig, dass hier jene leute, die über etwas mehr erfahrung verfügen, sich nicht in die haare kriegen sondern den unbedarften mitlesern gemeinsam ein bild des risikobewusstseins bieten, das nichts mit schwarz/weiss malerei zu tun hat, keine detaillierten fallbeispiele zerklaubt sondern allgemein darauf hinweist, dass alpine gefahren ein sehr komplexes thema sind; wer in den bergen unterwegs ist gut daran tut sich der eigenen verantwortung bewusst zu sein. dem berg und der schwerkraft war es schon seinerzeit wurscht ob jemand experte war und die natur gesetze sind heutzutage die selben :D . gerade in sicherheitsfragen eine kluft zwischen alt und jung aufzutun halte ich für fatal und würde in diesem sinn "die friedenspfeife am spaltenrand" vorschlagen. ich denke wir hier können ganz leicht einen gemeinsamen nenner finden - respekt vor dem berg!
nicola

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