stevie_b hat geschrieben: ↑05.01.2020 15:15
Es liess sich nicht vermeiden, dass der Belag auch etwas angefeilt wurde.
Warum? Bei fachgerechter Vorbereitung (planschleifen, Struktur von der Kante abgesetzt aufbringen) besteht überhaupt keine Notwendigkeit, in den Belag zu schleifen. Im Gegenteil, dies ist sogar kontraproduktiv. Denn Du möchtest ja gerade, dass die Kante greift. Ob Du aber nun mit 0.5° ordentlich Kante
und Belag weghobelst oder mit 1° lediglich die Kante abhängst, kommt vom Ergebnis auf das gleiche raus: die Kante greift nicht.
Der Grund ist trivial. Wenn die Kante zu weit hinter dem Belag zurücksteht, weil
a) der Winkel zu groß ist
b) mit kleinem Winkel zu weit in den Belag geschliffen wurde
c) der Ski konvex verzogen oder abgefahren ist
dann liegt der Ski mit dem Belag auf dem Schnee auf und die Kante "hängt" in der Luft (mal Dir das mal übertrieben auf ein Blatt Papier auf, dann wird das klar).
Entscheidend ist daher nicht der Winkel, sondern das absolute Maß, um den die Kante hinter dem Belag zurücksteht. Und dies beträgt bei fachgerechter Arbeit lediglich ca. 20µ bzw. bei Ski, die in Abfahrt oder im Gelände eingesetzt werden, also je nach Einsatz und Wunsch des Fahrers etwas mehr. Der Winkel ist lediglich eine indirekte Größe, um die Kante auf das gewünschte Maß hinter den Belag zurückzusetzen. Weil man den Ski sonst überhaupt nicht driften könnte und er extrem verschneiden würde.
Also:
a) Ski planschleifen (durchs Fahren wird der Belag automatisch konvex)
b) Struktur von der Kante abgesetzt aufbringen, siehe
dieses Video, damit die Kante frei von Struktur bleibt, dabei die Bearbeitung der Kanten deaktivieren
b1) vorher einen Händler finden, der bereit ist, Deine Ski fachgerecht zu präparieren anstatt sie nach Methode 08/15 durchzuziehen
c) Seitenkante und belagseitige Kante schleifen, polieren, entgraten
Bei der Bearbeitung der belagseitigen Kante geht man nur 1-2x leicht mit der Feile drüber, denn es muss nur eine hauchdünne Schicht Material abgetragen werden. Ein Winkel von 0.5° bedeuted, dass an der Außenkante weniger als 18 µ (zum Vergleich: ein durchschnittliches menschliches Haar hat eine Dicke von 50-80 µ) abgetragen wird.
Einen Ski aus dem Vollautomaten kann man in der Regel belagseitig nicht weiter bearbeiten, weil die Pfuscher von sich aus schon in den Belag schleifen, um die Spuren von der Struktur, die sie unsachgemäß in die Kante gefräst haben, wieder rauszupolieren. Denn eine mittlere Struktur hat eine Tiefe von 30-40µ. Wird diese auch in die Stahlkante gefräst, würden dort Riefen zurückbleiben, wenn man die Kante nur mit 0.5° abhängt. Siehe auch
hier. Im Umkehrschluss bedeuted dies, dass wenn eine mittlere Struktur in die Kante gefräst wurde und diese belagseitig trotzdem spiegelglatt aussieht, dann beträgt der effektive Winkel schon über 1° (arcTan (40µ / 2 mm) = 1.15°), denn bei lediglich 18µ bzw. 0.5° würde man ja noch die Riefen von der Struktur sehen.
Für eine fachgerechte Bearbeitung der belagseitigen Kante ist es daher erforderlich, die Struktur an die Skibreite anzupassen.
Das ist im übrigen auch der Grund, weshalb Ski nach dem ersten Service meist nie mehr so fahren wie ab Werk. Denn im Werk macht man sich, jedenfalls bei hochwertigen Ski, die Mühe, die ganze Serie mit den richtigen Parametern durchzuziehen. In den Servicestationen hast Du dagegen Tag für Tag hunderte unterschiedliche Paar Ski. Diese Masse kann nur mit den bisherigen Methoden bearbeitet werden, in dem man frech die Ski mit einer Einstellung durchzieht. Was leider zu Lasten der Qualität geht. Erschwerend kommt leider dazu, dass viele "Serviceleute" gerade einmal wissen, wo bei ihrer Maschine der Knopf zum einschalten ist und dass man vorher Stoppergummis aufziehen muss. Sie kennen weder ihre Maschine noch sind sie in der Lage, selbst Strukturen in der Maschine zu programmieren. Dies erledigen dann meist Servicemitarbeiter der Hersteller. Einen Ski von Hand präparieren können viele auch nicht. Dieses Wissen ist aber zwingend erforderlich damit man überhaupt weiß, was für eine korrekte Arbeit zu tun ist. Und selbst in den Fällen, in denen kompetente Leute an den Automaten arbeiten, gibt man seine Ski oft im Laden bei Verkäufern ab, die zwar freundlich lächelnd alle Wünsche notieren, aber gar nicht wissen, was der Kunde will. Ich suche mir daher für den Service nur Geschäfte, bei denen ich mit dem Maschinisten direkt reden kann, um mir ein Bild davon zu machen, ob der sein Handwerk versteht.