Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Alles zur Skitechnik. Siehe auch Berichte Carving- und Ski-Lehrplan, sowie Besser Skifahren für Fortgeschrittene
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NeusserGletscher
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Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von NeusserGletscher » 05.03.2012 10:44

Geduld soll der Skifahrer haben, wenn er den Ski auf die Kante stellt. Warten, bis die Kante greift.

Und dann schaue ich mir jedes Wochenende an, wie die WC-Fahrer so die Pisten runterheizen. Und frage mich, wie machen die das?

Gerade bei den Zeitlupen sieht man oft, wie die Ski beim neuen Schwung praktisch sogar noch bis über die Falllinie hinaus über der Piste schweben und dann regelrecht in die knüppelharte Piste gerammt werden. Würde ich so mit meinen Ski fahren, würde erstens der Ski nur noch die Piste runterrattern bzw. -rutschen und zweitens die Bindung auslösen.

Mir ist schon klar, daß WC-Fahrer eine andere Technik, bessere Konstitution und besseres Material haben. Aber die Physik ist doch eigentlich für alle gleich.

Also, wieso können die den Ski auf die Kante stellen, ohne zu warten, ob die Schaufel nun greift? Wieso legen die sich trotz der hohen Geschwindigkeit nicht öfters auf die Nase, wenn die Ski ins Rattern kommen?

Gruß

Peter
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Dani67
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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von Dani67 » 05.03.2012 11:48

NeusserGletscher hat geschrieben:Geduld soll der Skifahrer haben, wenn er den Ski auf die Kante stellt. Warten, bis die Kante greift.
Der WC Fahrer hat auch Geduld, nur ist bei dehm die Zeiteinheit um ein vielfaches kürzer. Aber auch hier, manchmal wird dem Ski etwas Zeit gelassen um zu greiffen manchmal nicht, je nach Schnee halt. Es wird natürlich auch super konsequent auf die Kante gestanden.

Der WC Fahrer hat eine super Feinmotorik welche es ihm erlaubt innert Sekundenbruchteilen die nötigen Korrekturen anzubringen und ist sich gewohnt an der Grenze des Gleichgewichtsverlustes rumzufahren. Wir haben hier im Forum auch schon über das Thema guter Skifahrer diskutiert - meine Meinung hierzu ist nach wie vor - wer nicht als Kind lernt sehr gut Ski zu fahren wird mindestens im Rennbereich keine grossen Stricke mehr zerreissen (Ausnahmen kann es geben, ist mir aber von den CH-FahrernInnen nicht bekannt). Das heisst nicht, dass man als Kleinkind bereits Rennen fahren muss aber die Feinmotorik eben.......

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von extremecarver » 05.03.2012 12:19

Also mir wäre das ungeheuerlich, wenn ich warten müsste bis der Ski greift. Es gibt mehrere Möglichkeiten beim umkanten den Kantendruck aufzubauen. Je nach Situation macht mann das halt anders um die Kante schnell oder langsam greifen zu lassen. Aber man kann es eindeutig selber steuern. Das warten bis die Kante greift, ist halt eine Phrase für Beginner damit die überhaupt das Gefühl bekommen.

Auch ist es ein Unterschied ob ich driften oder carven möchte. Beim driften muss man den Druck halt kontinuierlich aufbauen, beim carven dagegen baut man den Druck auf einen Schlag auf - wobei man auch hier verschiedene Möglichkeiten hat mit sofort sehr kleinem Radius den Schwung einzuleiten, oder den Radius langsam zu verkleinern (wobei halt klar ist, größer wie der Radius des Skis ist kein carven möglich, nur kleiner, damits hier keine Missverständnisse gibt).

Auf Eis funktioniert es bei mir etwa am besten mit gleich mit voller Innenlage die Kante ins Eis setzen (etwa mit ordentlichem Abstoß "reinspringen"), oder langsam den Druck und Innenlage aufzubauen wenn man merkt das die Kante halt hat - wenn man sich hier nicht entscheidet und unschlüssig ist, dann ratterts oder driftet es halt.
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Moorkuh
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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von Moorkuh » 05.03.2012 18:14

Ich glaube, dazu muss man erst verstehen, woher das "Warten" auf den Griff der Schaufel/Kante kommt:
Nehmen wir an, wir starten aus einer Schrägfahrt und wollen eine Kurve durch reines Umkanten auslösen. Dadurch, dass wir (mehr oder weniger) geradeaus fahren, wirkt einerseits die Gravitation, die uns "hinunter" zieht, andererseits natürlich auch die Reibungskraft und die Kraft der Kanten/Ski auf den Schnee (besser: des Schnees/Berges auf die Ski), sodass wir nicht direkt Richtung Erdmittelpunkt fallen.
Würden wir sofort die Ski stark aufkanten indem wir den ganzen Körper auf die werdende Innenseite kippen, fielen wir auf die Talseite um, weil es noch keine Kraft gibt, die uns "aufrichtet", dh. die auf die Kurvenaussenseite weist (Zentrifugalkraft). Wir müssen also quasi zuerst ein wenig "Kurve" fahren, um so Zentrifugalkraft entstehen zu lassen, um nach Innen kippen zu können, um noch enger um die Kurve zu komen (Kantwinkel), um noch mehr Zentrifugalkraft entstehen zu lassen, um noch mehr nach Innen kippen zu können, um noch enger um die Kurve zu kommen...
Dieses erste aufkanten, um ganz wenig in eine Kurve zu kommen, hat keinen sehr engen Radius (klar, kleiner Kantwinkel), sodass wenig Zentrifugalkraft herrscht, dh. man "spürt" noch keinen Gegendruck, dh. man wartet genau auf den. Der Druck baut sich so eher langsam, über die Kurve verteilt, auf, und dann wieder ab (dh. in Wirklichkeit ist das in Wesentlichen einfach die Zentrifugalkraft).

Im Unterschied dazu löst ein Rennfahrer die Kurve ganz anders aus, der kantet nicht nur um, sondern stößt sich idealerweise mit dem werdenden Außenbein nach vorne-einwärts in die neue Kurve (zur Torstange hin) ab, dh. er braucht kurz Kraft, um seine Richtung aus der Querfahrt zu ändern. Dann "fliegt" er nahezu kräftefrei über den Schnee (Driftphase), dabei macht er aber praktisch keine Kurve (=kaum Zentrifugalkraft, der KSP beschreibt, vermute ich, nahezu eine Wurfparabel!), dreht aber die Ski. Im richtigen Moment "landet" er und versucht gleichzeitig, den Kantwinkel zu maximieren, wodurch er gleichzeitig erst beginnt, eine richtige Kurve zu fahren.

Meiner Meinung nach muss der nie auf Druck warten, weil er einen anderen Auslösemechanismus verwendet als derjenige, bei dem man "warten" muss.

Das alles ist aber reine Vermutung, vom Rennlauf hab ich praktisch keine Ahnung.

Martin

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von urs » 05.03.2012 19:29

das "auf-den-ski-warten" steht in einem speziellen kontext. die idee dahinter ist, dass beim pistenfahren der ski die kurve möglichst selber und beim carven vollständig entlang der kante fahren soll. die äusseren kräfte, wie von martin beschrieben, sind ein aspekt davon. ein viel profanerer aspekt ist, dass viele skifahrerInnen ihrem ski nicht trauen und diesen durch eine ungeduldige drehbewegung in die kurve bringen. neben der kurveneinleitung geschieht dies auch, sobald es richtung falllinie geht - hier aber eher aus angst. eng verbunden damit ist der begriff "den schneewiderstand suchen". auf weichen pisten ist dies relativ einfach, auf knüppelharten braucht es nebst gutem material eine gehörige portion feingefühl, wie bereits von dani vermerkt. mit etwas übung lässt sich auf griffigen pisten auch in die kurve springen, solange die position bei der landung stimmt.

rennfahrerInnen möchten nicht möglichst rund sondern möglichst schnell fahren. und dazu gehört manchmal auch das andriften. im endeffekt müssen sie aber auch den schneewiderstand nutzen und es gilt die gleiche physik.

gruss urs

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von Matje » 05.03.2012 21:21

NeusserGletscher hat geschrieben:Also, wieso können die den Ski auf die Kante stellen, ohne zu warten, ob die Schaufel nun greift?
Wie Urs schon schrieb gelten natürlich für Rennläufer die gleichen physikalischen Gesetze, nur sie nutzen diese viel effektiver und intuitiver! Sie fahren ganz bewusst eine Kombination aus (an)gedrifteten und geschnittenen Schwüngen, eben um möglichst schnell zu sein und müssen deshalb nicht "unbedingt warten". Gerade in Slalom habe ich manchmal das Gefühl, das dieses kurze, harte und präzise Druck geben, mehr oder weniger ein gespringe von den Kanten zu den Kanten ist...! Mit dem Ziel den Rebounteffekt voll für maximalen Vortrieb auszureizen, dabei den Schneekontakt möglichst nicht zu verlieren, um ständig reaktionsbereit zu bleiben. Wie stark der Rb-Effekt dann ist, sieht man ja öfters in den (meistens) nicht gewollten "Dolphinturns".
NeusserGletscher hat geschrieben: Wieso legen die sich trotz der hohen Geschwindigkeit nicht öfters auf die Nase, wenn die Ski ins Rattern kommen?
Warum sollten sie sich/bzw. man sich beim Rattern der Ski auf die Nase legen? Meiner Meinung nach sind rattern und wegrutschen Gegensätze...? In dem Zusammenhang würde mich interessieren, was genau die Ski in`s rattern bringt? Vermute mal ein zu zeitiges, zu starkes Aufkanten(Druck geben) und auch ein zu großer Aufkantwinkel? Aber lieber ein rattern der Ski, als zu spät, zu schwach und evtl. noch mit zu kleinen Aufkantwinkel zu agieren!?

Habe ich in letzter Zeit bei mir auf zerfahrenen mit Eisplatten durchsetzten Pisten immer wieder gemerkt. Bei "exakten" Druck geben, kein wegrutschen sondern vielfach ein rattern der Ski....

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von Uwe » 06.03.2012 09:59

Hallo Peter,
NeusserGletscher hat geschrieben:Geduld soll der Skifahrer haben, wenn er den Ski auf die Kante stellt. Warten, bis die Kante greift.
WENN man einen 100%-ig gecarvten Schwung fahren will, DANN muss man auch bei der Schwungeinleitung darauf achten, dass der Ski in die Kurve zieht (und nicht der Fahrer den Ski um die Kurve drückt).

Bei vielen Videoanalysen sehen wir, dass der Fahrer in dir Kurve driftet, die Kante aber oft erst nach der Falllinie greift, und ab da auchberst gecarvt wird.

Natürlich KANN man so fahren, nur WENN man zu 100% carven will, muss man eben darauf achten, dass der Ski nicht driftet ... und dazu muss man eben zu Beginn der Kurve "warten" bzw. das Gespür dafür bekommen, dass die Kante greift.

Das "Warten" ist also kein "muss", außer man will die Kurve zu 100% carven ... oder was ist der Hintergrund deiner Frage?
Uwe

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von NeusserGletscher » 06.03.2012 11:03

@Uwe

Ich versuche, einen Widerspruch zwischen meinem jetzigen Wissenstand und meinen Beobachtungen aufzulösen. Wenn ich sehe, dass WC-Fahrer oft von Kante zu Kante springen und dabei trotzdem sofort carven, sobald die Kante den Schnee berührt, dann deckt sich dies nicht mit der Aussage, dass man warten soll, bis die Kante greift.

@Matthias

Rutschen und Rattern sind schon zwei verschiedene Arten. Rattern entsteht IMHO durch eine Art Resonanzeffekt, bei dem die Kante im Wechsel mal greift und dann wieder nicht. Driften ist dagegen eher eine kontinuierliche Bewegung, bei der die Kante nicht greift.

Bei WC-Fahrern handelt es sich beim Rattern offenbar um eine gedämpfte Schwingung, weshalb sie den Ski meist wieder einfangen können. Wenn ich mal auf Brettern ohne ausreichende Steifigkeit unterwegs bin, dann gelingt mir das schon mal nicht.
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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von Uwe » 06.03.2012 11:13

"Warten" würde ich in diesem Fall als "relativ" ansehen. Wenn man genug Erfahrung hat, und genau spürt, wann die Kante greift, dann kann die Zeit des "Wartens" auch recht kurz sein, bzw. man kann den Ski - aufgrund der Erfahrung und des Gespürs - gleich so setzen, dass die Kante sofort greift.
Uwe

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Re: Den Ski aufkanten und dann warten, bis die Kante greift

Beitrag von maestro70 » 06.03.2012 11:49

...an dieser Stelle muss ich auch mal meinen Senf dazu abgeben.

@NeusserGletscher: meinst du dieses Thema bezogen auf einen Slalom-Ski? Ich meine: fährst du einen?

Hintergrund der Frage ist folgender:
Ich bin bis dato auch ausschliesslich Allmountain- und Sportcarver gefahren. Ich habe mir auch immer wieder die Frage gestellt, wie die SL-Rennläufer das machen, dieses quasi gecarvte "von Kante zu Kante springen". Ich war froh, wenn ich überhaupt sauber gecarvte Schwünge bei gutem Pistenzustand hingekriegt habe. Eben da stellte sich mir auch intuitiv die Frage, (warten?) wann die Kante greift.

Was soll ich sagen, ohne hier jedem auf den Nerv zu gehen. Ich habe diesen Winter einen
SL-(Race)-Ski getestet. Da stellten sich nach kurzer Zeit die ganzen Fragen nicht mehr. Du musst nicht "warten bis die Kante greift". Schon allein eine leichte Veränderung der Hüft/Knie-position reicht aus, dass der Ski auf die Kante geht und sofort greift bzw. die Kurve einleitet. Da gibt es kein Warten.
Aber eben dieses "Warten" habe ich bei allen Ski erlebt, deren Mittelbreite > 70 mm beträgt u./o. deren allgemeiner Radius recht gross ist.

Weiterhin hat es bei mir mit dem Slalom-Carver auf einmal auch mit deiner oben angefragten Fahrtechnik geklappt - und zwar auch bei ziemlich buckeligen Pistenverhältnissen.
Du brauchst ein bisschen Geschwindigkeit und Rhythmus. Wenn du einmal im Rhythmus bist und dich der Rebound aus der Kurve beschleunigt, ist deine Hüft/Knie/Ski-Position - durch den Rhythmus - quasi schon wieder in der nächsten Kurve, so dass du, wenn du aufkommst mit der Kante schon in den nächsten Schwung ziehst. Das ist, von der Technik her, ein bisschen so wie Tiefschnee fahren, da hast du auch so einen wellenähnlichen Schwungverlauf in Fahrtrichtung.
Ich bin nicht gestört ! Ich bin verhaltensoriginell !

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