Sodele, der erste Kaffe ist drin. Ich bin jetzt noch einmal Punkt für Punkt Deine Ausführungen durchgegangen. Dabei ist mir folgendes aufgefallen:
Pancho.Ski hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:43
2.) Aufkantwinkel ist
kleiner als der Winkel unter dem unsere resultierende Kraft FR wirkt.
Ein Powerrutscher oder Drifter.
Analog 1.)
nur hat die zur Kontaktfläche parallele Kraft Fp die entgegengesetzte Wirkung und ist bestrebt,
die Kante aus dem Untergrund herauszuziehen -
wir driften.j
Schöne Zeichnung,
Nur hat dies leider nichts mit normalem Skifahren in einer Kurve zu tun. Wenn Du wie von mir schon zuvor angemerkt Hüftknick und KSP einzeichnest, dann wird es sofort klar:
- Panchos negativer Hüftknick
So legen sich selbst Powerrutscher nicht in die Kurve. Allenfalls Anfänger werden in einer Kurve
die Hüfte nach außen statt in Richtung Kurvenzetrum bewegen. Aber selbst beim Carven ohne Hüftknick sind Fr und Fs maximal ein und das selbe, von kleinen Schlenkern mal abgesehen. Da sind Fr und Fs betrags- und richtungsmässig gleich. Stw. Bodycarving. Mit Hüftknick kann man Fs wie in der zuvor von Dir geposteten Zeichnung verändern und damit vor allem den Ski besser drücken und engere Radien fahren. Gut, eine paar Ausnahmefälle gibt es noch, etwa, wenn ein Ski unbelastet mitgeführt wird. Dann kann Fp in die andere Richtung weisen. Das sind aber allesamt Sonderfälle, die mit dem hier diskutierten Thema nichts zu tun haben. Oder wenn man generell beide Ski betrachtet, aber dann wird es kompliziert.
Das ist schon einmal der erste Bock, den Du geschossen hast.
Ein gerutscher wie auch ein gecarvter Schwung sieht mit Hüftknick korrekt ausgeführt grundsätzlich so aus:
Pancho.Ski hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:43
1.) Aufkantwinkel ist größer, als der Winkel unter dem unsere resultierende Kraft FR wirkt, ein guter Carver
Bei werden zwei Flächen aufeinander gepresst, teilt sich die Kraft in eine zur Kontaktfläche senkrechte Kraft Fs, die quasi für das abpressen sorgt und eine zur Kontaktfläche Parallele Kraft Fp. Hier im dem Fall sieht man, dass Fp nach unten gerichtet ist, und dafür sorgt, dass unsere Kante in den Untergrund schneidet.
Das ganze wieder mit KSP und Hüftknick:
- praxisnaher Hüftknick
So sind die Verhältnisse korrekt wiedergegeben.
Und auch bei dieser Ausgangslage kann man den Schwung rutschen. Weil eben nicht nur die beschriebenen Kräfte eine Rolle spielen, sondern auch Zustand der Piste, Schneebeschaffenheit,
Präparation und Abnutzung der Kante. Selbst bei einem gerutschten Schwung wird Fp in die von Dir postulierte Richtung weisen, die Du irrtümlich in einen kausalen Zusammenhang mit einem gecarvten Schwung setzt.
Pancho.Ski hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:53
Es gibt einen Grenzaufkantwinkel, bei dem sich die Verhältnisse an der Kante umkehren. Davor wirken die Kräfte daraufhin die Kante aus dem Schnee zu ziehen, im Ergebnis streicht der Ski über die Oberfläche, wir driften. Kanten wir weiter auf, kehren sich die Verhältnisse um, die Kräfte drücken die Kante in den Untergrund, sie gräbt sich ein, wir carven.
Nein, mit meiner Zeichnung habe ich nachgewiesen, dass dieser Grenzaufkantwinkel für den diskutierten Fall keine Relevanz hat. Man kann auch mit einer Skiführung driften, wie Du sie für Fall 1) eingezeichnet hast. Fp hat zwar einen theoretischen und ggf. auch in der Praxis messbaren und damit qualitativen Einfluss auf den Kantengriff. Aber den quantitativen Einfluss sehe ich eher als gering an.
Die Gleichsetzung von Fp mit der Frage, ob man driftet oder carvt, ist sachlich und fachlich ein Trugschluß. Schneebeschaffenheit, Eis, Kantenpräparation und -abnutzung spielen hier eine, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Das kann man nicht einfach mit einem Nebensatz wegdiskutieren und ignorieren.
Pancho.Ski hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:43
Im Ergebnis wirkt also eine Kraft FR auf unseren Skifahrer (vereinfacht, die Hangabtriebskraft und Reibungskräfte und noch einige weitere interessieren uns hier mal nicht).
Die Reibung am Belag kann man vernachlässigen. Nicht aber den Kraft- und Formschluss durch den Kantengriff. Es gibt im Service sogenannte "Überschärfer", mit denen ein Grat beispielsweise unter der Bindung gezielt erzeugt werden kann.
- Panchos negativer Hüftknick mit überschärfter Kante
- PanchosNegativerHüftknickMitGrat.png (113.7 KiB) 581 mal betrachtet
So ein kleiner Grat würde schon reichen, um den Ski in der Spur zu halten. Denk Dir einfach mal anstelle des Grates einen Nagel, der entlang von Fs durch den Ski geht. Dann verstehst Du hoffentlich, was man im allgemeinen als Kraft- und Formschluss bezeichnet.
- Peters Kantennagel als Symbol für Kraft- und Formschluss
- PetersKantennagel.png (117.51 KiB) 561 mal betrachtet
Was bringt den Ski in der Kurve eigentlich ins Rutschen? Ausgangspunkt jeder Bewegung ist eine Kraft. In diesem Fall die Zentrifugalkraft. Das ist die horizontale Komponente von Fr, die Du in Deinen Diagrammen fahrlässigerweise gerne unterschlägst. Zeichnet man sie aber einmal ein und erhöht gleichzeitig die gefahrene Kurvenlage, dann sieht das so aus.
- Skikante mit Fz und Fp'
Fz will den Ski driften lassen. Fp' ist die horizontale Komponente Deines Fp, welches den Ski zurückhalten soll. Dummerweise wird Fp' mit zunehmenden Aufkantwinkel kleiner statt größer. Hättest Du einmal Dir die Mühe gemacht, alle Kräfte in Deinen Zeichnungen korrekt einzutragen, dann wäre Dir dies sicherlich sofort aufgefallen.
Das ist der zweite Bock, den Du geschossen hast.
Daher sind Deine Überlegungen ohne Berücksichtigung von Kraft- und Formschluss an der Kante unvollständig und Deine Schlußfolgerungen damit falsch.
elypsis hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:44
NeusserGletscher hat geschrieben: ↑02.03.2020 20:32
Und wie Du in der schematischen Zeichnung siehst, bewirkt der belagseitige Winkel, dass der Ski nicht mit der Kante sondern mit seinem Belag auf dem Schnee aufliegt.
Dieses Problem sehe ich, was den reinen Kantengriff angeht, nicht. Schau dir bitte mal die Beläge von Ski an, die größtenteils gecarft werden: sie sind entlang der Kanten aufgrund des starken einseitigen Wachsverlusts im Gegensatz zur restlichen Belagsfläche immer grauer und damit trockener.
Ja. Weil beim Carven die Kanten und die Seiten am Belag mehr Kontakt haben als die Skimitte.
elypsis hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:44
Grundsätzlich ändert sich daran auch bei einem perfekt sitzenden Basiswinkel nichts.
Ja
elypsis hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:44
Der Kantengriff wird dadurch nicht beeinflusst.
Ja?
elypsis hat geschrieben: ↑03.03.2020 08:44
Das, was sich wirklich ändert, ist das Zeitmoment, bis die Kante greift, wenn sie zurückgesetzt ist. Du musst stärker aufkanten, was einfach länger dauert!
Das mit dem zeitlichen Verhalten war mir auch schon mal als Grund für das unterschiedliche Verhalten von verschiedenen Basiswinkeln in den Sinn gekommen. Bis ich zu der Erkenntnis gekommen bin, dass Kraft- und Formschluss (ugs. Verkanten) eine ungleich größere Rolle spielen müssten. Letztendlich dauert es halt ein paar Millisekunden länger, bis die Kante greift, und gerade auf zügig gefahrenen Schwüngen auf Eis kann das eine Rolle spielen.
Nehmen wir mal an Du brauchst 500ms, um Dich aus einer Schräglage von 45° in die neue Kurve zu legen. Das sind gemittelt 500ms / 90°. Für 1° Basiswinkel brauchst Du 2° mehr, also 11 ms (Millisekunden).
Ich wage aber hier keine Abschätzung, wie weit das quantitativ überhaupt eine Rolle spielt. Würde das reine zeitliche Verhalten eine Rolle spielen, dann müsste dies auch die Erklärung dafür sein, wieso eine Erhöhung von 1° auf 2° Basiswinkel den Kantengriff aus Eis quasi zum Erliegen bringt. Das wären dann 22ms statt 11ms. Ich habe da gewisse Zweifel, ganz ausschließen mag ich aber den Einfluß aber nicht.
Bei der Betrachtung von Kraft- und Formschluss ist aber alleine das Aushebeln der Kante durch den Belag von Bedeutung, wie in diesem Bild dargestellt:
Mit zunehmenden Basiswinkel nehmen Kraft- und Formschluss der Kante mit dem Schnee immer weiter ab. Die Kante gräbt sich immer weniger in den Schnee ein.
Der Belag und der stumpfe Winkel am Ansatz des Basiswinkels sind nicht in der Lage zu leisten, was eine gut geschliffene und wenig hängende Kante leisten kann.
Pancho.Ski hat geschrieben: ↑03.03.2020 09:17
Je mehr nun abgehängt wird belagseitig, desto mehr müssen wir aus dieser Komfortzone raus, desto mehr Querkräfte spüren, desto mehr müssen wir „in die Kurve drücken“.
Diese Argumentation erinnert mich irgendwie an Spinat. Jeder glaubt, dass er mehr Eisen enthält als anderes Gemüse. Weil sich niemand die Mühe macht, es einmal nachzurechnen.
Ich glaube nicht, dass hier im Forum für irgendjemanden einen Unterschied macht, ob er sich nun 45°, 46° oder 47° in die Kurve legt oder 2° mehr die Hüfte knicken muss. Das zeitliche Verhalten mag vielleicht noch eine Rolle spielen, aber dass man sich nun etwas mehr in die Kurve legen muss, wird IMHO kaum eine Rolle spielen. Das ist in der Tat eine rein akademische Frage.
Für den Kantengriff sehe ich Kraft- und Formschluss als die entscheidenden Faktoren an. Und damit erklärt sich dann auch, wieso 0.5° auf Eis noch hält und 2° nicht. Oder wieso Beschaffenheit, Präparation und Abnutzung der Kante überhaupt eine Rolle spielen.
So, ich hoffe, dass damit alles soweit geklärt ist. Sonst weiß ich wirklich nicht mehr, wie ich es sonst noch erklären soll.
elypsis hat geschrieben: ↑06.03.2020 09:44
Zudem wird die Tiefe des Hohlschliffs an den Spieler individuell angepasst. Als Faustregel kannst du dabei ansetzen: je tiefer, desto mehr Kraft bekommst du aufs Eis, was allerdings in Abhängigkeit vom Körpergewicht zu Lasten der läuferischen Möglichkeiten geht. Somit hat ein leichter Spieler mit zu tiefem Schliff läuferisch keine Chance!
SRY, ich hatte in der Eile übersehen, dass der Beitrag von Dir war und nicht von Andreas.
Das ist ein sehr interessanter Punkt. Ich habe hier gefühlte hundert Mal angesprochen, dass Kantenpräparation eine sehr individuelle Sache ist und das Tuning auf den Fahrer abgestimmt werden muss. Beim Ski ist es ja nicht anders. Extremcarver fühlt sich halt mit einem plangeschliffenen Ski wohl und ein konkav verzogener Ski (ähnliche Wirkung wie der Holhschliff bei einem Schlittschuh) wird ihm ein Grinsen auf sein Gesicht zaubern. Während ungeübte Skifahrer an so einem Brett verzweifeln und selbst geübte Skifahrer nicht unbedingt ihre helle Freude an so was haben. Aber neben Können spielen auch Körpergröße und Gewicht eine Rolle. Bei einem 100 kg Fahrer muss die Kante mehr halten als bei einem 50 kg Fahrer. Und dummerweise geht das Gewicht halt voll auf die Kante.
Die Parallelen zwischen Schlittschuhkante und Skikante sind da ggf. doch mehr gegeben als Du auf den ersten Blick gesehen hast.