Einen einzelnen Dreijährigen können zwei Erwachsene gegebenenfalls noch von einzelnen Dingen abhalten, aber eine Horde Dreijähriger unter Kontrolle zu bringen ähnelt Wasser, dass man im Dauerlauf in den hohlen Händen halten will. Gemessen an übertretenen Verboten war die Geburtstagsparty jedenfalls ein voller Erfolg, aber auch so.
Sein Fuß wird im Verleih gescannt und er erhält Schuhe, deren Größe seinen normalen Straßenschuhen entspricht. Optisch scheinen sie etwas groß. Der kleine Helm sitzt perfekt. Die Ski sind eine Kopie normaler Atomic Ski und sehen aus wie die der Großen im Fernsehen. Kindgerecht schwarz, mit dynamisch gestaltetem Schriftzug klar auf Worldcup getrimmt. Länge 70 cm, die kürzesten im Verleih. Erstaunlich, wie gut er mit den Bollerschuhen klar kommt und das veränderte Abrollverhalten beim Laufen versteht.
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Wir betreten die kalte Halle. Gemessen am Gesichtsausdruck stimmt noch alles. Ursprünglich wollte ich mich selbst aus seiner ersten Begegnung mit Ski raus halten und Nico vertrauensvoll in die Hände der Profis geben. Schneetaufe heißt die entsprechende Veranstaltung für Kleine, die in der Neusser Skihalle leider auf Wochen ausgebucht ist. Aber schon nach wenigen Minuten wird mir klar, dass meine Anwesenheit gut ist. Ich lasse ihm Zeit, sich ein wenig an Schnee zu gewöhnen, darin zu laufen und zu fühlen. Am Ende des Testens ist er der Meinung, dass Schnee Speiseeis sein muss und möchte davon essen. Wir steigen in die Ski und probieren damit zu stapfen. Mit Hilfestellung geht es leidlich, aber es wird deutlich, dass die kurzen Beine mit den langen Hindernissen an den Füßen eher überfordert sind. Ich lasse ihn das eine Ende eines Skistocks greifen, um ihn daran ein wenig zu ziehen. Es klappt überhaupt nicht. Er kann die notwendige Körperspannung nicht aufbauen und lässt den Stock los, bevor er sich auch nur einen Zentimeter bewegt. Die Laune leidet sichtbar und erreicht ihren Tiefpunkt, als er flach in den Schnee fällt. Ich lasse ihn einen Moment liegen und gebe ihm Gelegenheit sich allein wieder aufzurichten. Die Hindernisse an seinen Füßen machen jedoch jeden Versuch unmöglich und er beginnt zu Weinen. Er will an die Hand genommen und klar geführt und unterstürzt werden, eine zielgerichtete selbständige Bewegung ist noch keine Option, alles wirkt eher zufällig. Zwischen meinen Skiern fühlt er sich aber wohl und das Minenspiel signalisiert wieder gute Laune.
Wir fahren ein paar Mal mit dem Band den kurzen Hang hoch und auf Ski wieder runter. Es macht sichtlich Spaß. Wir wechseln auf die normale Piste. Die Fahrt mit dem Tellerlift ist zunächst ein wenig problematisch. Die 18 Kilo wollen irgendwie fixiert werden. Er fährt gegen mein rechtes Knie gelehnt, den linken Ski zwischen meinen. Aber der rechte Ski ist haltlos und bricht immer wieder zur Seite aus und kehrt ohne Hochheben des ganzen Kindes nicht wieder in seine Ausgangsstellung zurück. Wir fahren die Halle mehrmals von der Mitte aus runter. Geradeaus und in Bögen, langsam und schnell. Zwischen meinen Skiern geführt macht ihm alles einen Wahnsinnsspaß. Ich selbst fahre fast in der Hocke, mit parallelen Ski. Nur zum Bremsen nehme ich hin und wieder den Pflug. Es ist anstrengend. "Noch mal" ist seine Antwort, wenn wir wieder unten sind. Ich erkläre ihm beim Liften, dass er seine Ski immer ganz nah an meinen Ski halten muss und zeige ihm durch Führung seines Beins mit meiner Hand, wie das praktisch aussieht. Wie ein Wunder funktioniert es, am Ende hält der kleine Kerl wacker seinen rechten Ski unter Kontrolle und ganz nahe bei meinem. Irgendwann denke ich an die Umwandlung meiner Stundenkarte in ein Tagesticket, aber plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel ist Schluss mit "noch mal". Wir waren etwa 45 Minuten in der Halle. Er will jetzt Eis essen. Wir gesellen uns zu Opa ins Restaurant, trinken etwas und schauen durchs Fenster auf die Piste. Die restlichen Minuten auf meiner Karte möchte ich schnell noch alleine abspulen. Nico will aber unbedingt wieder mit. Ein letztes Mal geht es auf die halbe Höhe der Halle, danach erst ins Schwimmbad, dann das ferngesteuerte Motorboot im Rhein fahren lassen und am Ende noch auf den Spielplatz. Dreijährige haben Ausdauer…
Fazit.
Es war ein Erlebnis für uns beide. Heute, einen Tag später imitierte er noch immer die Geräusche der gleitenden Ski im Schnee und wollte wieder fahren.
Im Verleih gab es alles, wovor man mich vorher gewarnt hatte, Heckeinsteiger und offensichtlich zu lange Ski. Ob es nun mangels Alternative auf eigene Ausrüstung hinaus läuft weiß ich noch nicht.
Weil ich auf alles gefasst war und keine großartigen Erwartungen hatte und mich selber intensiv um ihn gekümmert habe war es eine gelungene Premiere. Bergab zwischen meinen Ski zu fahren machte ihm großen Spaß. Auch der Tellerlift ist spannend. Ein wenig mit Ski im Flachen gehen funktioniert leidlich, aber für großartige eigene Bewegungen mit Ski an den Füßen reicht die Kraft noch nicht. Sehr erstaunt war ich, wie er meine Anweisungen bei der Fahrt mit dem Lift umsetzen konnte und sein rechtes Bein unter Kontrolle brachte. Erstaunlich war auch, wie er während der Abfahrten mit seinen Ski spielte, sie z.B. immer wieder anhob, um damit auf den "Boden zu trampeln".
Nico in seinem Alter in eine Art Kurs oder Skikindergarten zu geben wäre wohl nicht geglückt. Grundsätzlich hätte er dabei Spaß haben können, aber der kleine Junge kommt allein gelassen mit den Ski noch nicht klar. Er braucht physische Unterstützung bei den Bewegungen. Fraglich, ob selbst der beste Skilehrer in einer größeren Gruppe dazu die notwendige Zeit gefunden hätte.
Skifahren ist für Nico noch lange keine Beschäftigung, die aus sich selbst heraus Spaß bringt. Beim ersten Mal war die eine Hälfte Befriedigung purer Neugier, die andere Hälfte war ein spannendes gemeinschaftliches Unterhaltungsprogramm. Wir werden so lange weiter machen, wie der Spaß hält. Wie er selbständig Fahren lernt wird sich zeigen, eins ist aber klar, es wird einige Zeit brauchen.